Ministerium zur Sicherungsverwahrung:"Wir müssen gewappnet sein"

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In Bayern müssen womöglich 19 Sicherungsverwahrte entlassen werden, fünf davon kommen aus München und dem Umland. Doch die Freilassung wäre mit "hohem polizeilichem Aufwand" verbunden.

Christian Rost

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der die Sicherungsverwahrung in bestimmten Fällen für unzulässig erklärt hat, müssen womöglich auch in der Landeshauptstadt mehrere Gewaltverbrecher auf freien Fuß gesetzt werden. Nach SZ-Informationen stammen drei der 19 Männer, die wegen besonderer Gefährlichkeit über die reguläre Haftzeit hinaus in bayerischen Gefängnissen einsitzen, aus der Stadt München, zwei weitere aus dem Münchner Umland.

19 Männer sitzen in bayerischer Sicherungsvewahrung, fünf kommen aus München und dem Umland. (Foto: dpa)

Noch ist im Freistaat kein Straftäter nach der EGMR-Entscheidung freigekommen - das Oberlandesgericht Nürnberg hat einen strittigen Fall an den Bundesgerichtshof weitergeleitet und wartet auf den Beschluss. "Vor der BGH-Entscheidung kommt keiner raus", bekräftigte das bayerische Innenministerium. "Wenn aber die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs bestätigt wird, müssen wir die Sicherungsverwahrten womöglich schon bald entlassen", sagte ein Sprecher des Justizministeriums.

In bundesweit 14 ähnlich gelagerten Fällen - sechs davon in Hessen und drei in Baden-Württemberg - haben Gerichte bereits eine Freilassung verfügt. In den strittigen Fällen waren die Straftäter vor 1998, als die damalige Bundesregierung die Höchstdauer der Unterbringung von zehn Jahren aufgehoben hat, zu Haftstrafen verurteilt worden. Die zeitlich unbegrenzte Sicherungsverwahrung wurde erst danach verhängt, was der EGMR für unzulässig erklärt hat.

Bei den 19 bayerischen Sicherungsverwahrten lagen erhebliche Straftaten und ungünstige Prognosen vor, die eine dauerhafte Unterbringung erforderten. Einer der Männer ist wegen schwerer Brandstiftung, drei sind wegen Gewaltdelikten und 15 wegen wiederholter und besonders schwerer Vergewaltigung hinter Gittern, wobei sich fünf auch immer wieder an Kindern vergangen haben.

Sollten diese Männer freikommen, werde man sie "eng begleiten", betont Oliver Platzer vom Innenministerium. Schon in der Vergangenheit habe man gefährliche Leute, die auf Grund von Gesetzeslücken oder Gerichtsentscheidungen aus dem Gefängnis entlassen werden mussten, "mit hohem polizeilichen Aufwand beobachtet".

Beamte des Landeskriminalamts observierten so etwa den mehrfach vorbestraften Vergewaltiger Karl D., bis der 59-Jährige zu seinem Bruder in die Nähe von Aachen zog. Bei D. war eine Sicherungsverwahrung nach Ansicht des Landgerichts München II nicht mehr möglich. "Wir müssen immer für solche Fälle gewappnet sein und auch länderübergreifend reagieren können", so Platzer.

Das Polizeipräsidium München hat deshalb bereits im Oktober 2006 zur Überwachung Rückfallgefährdeter eine Haft-Entlassenen-Auskunftsdatei speziell für Sexualstraftäter eingerichtet. Diese soll den Informationsaustausch zwischen Justiz, Polizei über besonders rückfallgefährdete Täter verbessern. Die Innenministerkonferenz hat jüngst eine effektivere bundesweite Nutzung der Datei vereinbart.

Das juristische Tauziehen und die politische Debatte um die nachträgliche Sicherungsverwahrung - Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) will sie durch elektronische Fußfesseln ersetzen - berührt aber nicht aktuelle Verfahren.

Bei Gorazd B., dem Westparkmörder, hat die Münchner Staatsanwaltschaft die Sicherungsverwahrung im Mai beantragt. Die Verhandlung gegen den 35-Jährigen, der aus Frust und Mordlust 1993 einen Familienvater im Westpark erstochen hat, beginnt am 18. Oktober am Münchner Landgericht. Der Slowene, den ein Mordermittler als "tickende Zeitbombe" bezeichnet hatte, soll nach seiner zehnjährigen Jugendstrafe weiter unter Verschluss bleiben.

In der Haft in der Justizvollzugsanstalt Straubing war er gegen Mithäftlinge und Bewacher gewalttätig und aggressiv. "Eine nachträgliche Sicherungsverwahrung wie im Fall B. wurde vom EGMR nicht grundsätzlich in Frage gestellt, weshalb sie weiter verhängt werden kann", sagte Stefan Heilmann, Sprecher des Justizministeriums.

© SZ vom 17.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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