Süddeutsche Zeitung

MGMT in München:Lockenköpfe mit Tiefgang

Der Sänger sieht aus wie der junge Bob Dylan. Und auch die Musik von "MGMT" kann sich hören lassen. Beim Konzert in der Tonhalle musste man sich spontan verlieben.

Beate Wild

Es gibt wohl eine Menge Frauen, die sich während des Konzerts von MGMT in der Münchner Tonhalle spontan in den Sänger Andrew VanWyngarden verliebt haben. Hautenge Jeans, ausgeleiertes T-Shirt, Typ "scheues Reh" - und dazu noch einen Lockenkopf wie der junge Bob Dylan.

VanWyngarden ist die Art von Musiker, der unbewusst die Frauen verrückt macht. Kein Poser, sondern ein Charmeur wider Willen. Er ist 27 Jahre alt, sieht aber wesentlich jünger aus. Überhaupt glaubt man während des gesamten MGMT-Konzert, dass man sich beim Auftritt einer viel gepriesenen Oberstufenband befindet.

Nicht, dass der Sound von MGMT nicht ausgereift wäre. Im Gegenteil: Das, was die Jungs aus New York bei ihrem Münchner Konzert am Dienstagabend abliefern, ist ziemlich gut. Doch ihr Charme ist so lausbübisch, dass er einen mitten ins Herz trifft. Man fühlt sich kurze Zeit wieder wie ein Teenager.

VanWyngarden und sein kongenialer Partner Ben Goldwasser treten äußerst schüchtern und bescheiden auf. Das Konzert, das sie abliefern, spielt musikalisch jedoch in der ersten Liga. Derzeit sind die beiden Musiker mit ihrem neuen Album "Congratulations" auf Tour. Kein Wunder, das die Tonhalle in München am Dienstagabend restlos ausverkauft ist. Los geht es mit den Songs "Congratulations" und "Time to pretend". Das Publikum steht schon zu Beginn Kopf.

Hymnen, die knallen

Elektronische Hymnen, versetzt mit eingängigen Gitarren-Riffs - damit sind MGMT bekannt geworden. Als Indietronic wird die Musik der beiden New Yorker gerne bezeichnet, was immer das genau heißen mag. Ihr 2008 erschienenes Album "Oracular Spectacular" gilt als Geniestreich. Gleich vier Knaller sind darauf zu finden: "Time to pretend", "Weekend Wars", "Electric Feel" und das alles überstrahlende "Kids", das auch in der Münchner Tonhalle der absolute Höhepunkt ist.

Das neue Werk ist um einiges psychedelischer und experimenteller als ihr Erfolgsalbum, doch keineswegs schlechter. Der Zugang ist schwieriger, weil keine Gassenhauer dabei sind, wie bei der ersten CD.

Verweigerer der Pop-Maschine

Die Frage, die man sich stellt, ist: Konnten VanWyngarden und Goldwasser nicht an den Erfolg ihres Debüts anknüpfen - oder wollten sie nicht? Haben sie sich absichtlich dem Kommerz, der Pop-Maschine verweigert? Hatten sie nach dem großen Hype um ihre Person schon die Nase voll davon, Hits zu produzieren? Ist es Absicht, dass sie sich dem Ohrwurm-Hunger ihrer Fans verweigern? Die Antwort ist mit ziemlicher Sicherheit: ja.

In die neuen Songs wie "Flash Delirium" oder "It's Working" muss man sich erst einmal reinhören. Auch live funktionieren sie am Dienstagabend in der Tonhalle bei weitem nicht so gut wie die alten Hits. Damit schwankt auch die Stimmung im Publikum ein wenig: Bei den avantgardistischen Stücken fehlt den Fans oft der Zugang, während bei den Klassikern die ganze Halle hüpft. Das Publikum ist bunt gemischt, zwischen 20 und 30 Jahre sind die meisten alt.

Es eine Freude, den New Yorkern beim Spielen zuzuschauen. Auf der Bühne treten sie im Übrigen als Quintett auf. Und Sänger VanWyngarden überstrahlt alles mit seinem unschuldig-süßem Jungen-Charme und seiner engelsgleichen Stimmen.

Als letzten Song interpretieren MGMT "The Handshake", einen Klassiker aus ihrem ersten Album. Ohne großes Getue verschwinden die Jungs dann von der Bühne. Schade, schon vorbei. Ein paar Mädels im Publikum beschließen genau jetzt, den Tour-Bus zu suchen.

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