Peter Benthues aus Oberschleißheim ist Heimatvertriebener. Er stammt aus Zobten am Berge, dem heutigen Sobótka, das bei Breslau in Niederschlesien liegt. Das Gebiet kam am Ende des Zweiten Weltkriegs zu Polen. Als Benthues neun Jahre alt war, wurden er und seine Familie "in den Ring, das war der Marktplatz, getrieben, und wir mussten dann bis in einen Vorort von Breslau laufen, wo man uns in Viehwaggons presste. Wir wussten nicht, wohin es ging. Mal hieß es, 'nach Sibirien', dann 'nach Westen'", erinnert sich der heute 86-Jährige.
Sie landeten schließlich in Magdeburg, wo sie in einem Flüchtlingslager entlaust wurden, und kamen von dort nach Reine im Weserbergland zu einem Großbauern; seine Eltern, seine Großmutter und sechs Kinder. Die Eltern halfen auf dem Hof, die Kinder liefen jeden Tag "mit schlechtem Schuhwerk" sieben Kilometer in die Grundschule. Für die Mitschüler waren sie "die Polacken" und wurden trotz des Bemühens ihrer Lehrerin nur allmählich akzeptiert. Ob es an der "Mitgabe" lag? Denn jeder ihrer Klassenkameraden, der von einem Bauernhof kam, musste für die Vertriebenen und Flüchtlinge Brote mit in die Schule bringen.
Dass sie Deutsch sprachen, verwunderte die Schulkameraden. Doch, "wir sind deutsch erzogen worden, wir waren Deutsche", betont Benthues, "Schlesien gehörte zu Preußen". Das Eingewöhnen sei anfangs langsam erfolgt, auch weil sein Vater gedacht habe, sie könnten sehr bald nach Zobten zurückgehen. Als er in Elze eine Anwaltskanzlei eröffnen durfte, zog die Familie dorthin und Benthues besuchte die Mittelschule. "Uns wurde eine Wohnung zugeteilt, wir mussten uns in die neue kulturelle Situation in Niedersachsen eingewöhnen, das war wahnsinnig schwierig", erinnert sich Benthues. Man gab ihnen allen zu spüren, dass sie Fremde seien. Sein Lebensweg sei dann aber "ganz normal" verlaufen, mit Abitur, Bundeswehr, Jurastudium und Beruf. Er lebt seit 1981 in Oberschleißheim, wo er sich politisch und kulturell engagiert, und ging 2002 als Leitender Regierungsdirektor in den Ruhestand.
Obwohl er "über 60 Jahre lang einen gewachsenen Hass auf Polen hatte - die haben uns als Freiwild behandelt, wir mussten Binden tragen" -, setzte er sich für die Partnerschaft des Landkreises München mit den polnischen Landkreisen Krakau und Wieliczka ein, die heuer seit 20 Jahren besteht.
Vergangenes Jahr hat Benthues eine Ukrainerin mit ihren Töchtern und ihrer Mutter bei sich im Haus aufgenommen. Ihnen gab er den dringlichen Rat: "Die Sprache ist das A und O für die Integration". Auch müsse man sich dort, wo man ist, mit seiner Umgebung auseinandersetzen, mit den Menschen, ihrer Geschichte und den Hintergründen und dürfe nicht versuchen, die eigene Kultur durchzusetzen.