Süddeutsche Zeitung

Meine Woche:Vorfahrt für Leezen

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Beatrix Winkler will Kirchheim fahrradfreundlich machen

Von Christina Hertel, Kirchheim

In Münster, wo Beatrix Winkler () herkommt, nennen die Menschen ihr Fahrrad "Leeze", und es gibt mehr davon als Einwohner. Im Raum München, wo Beatrix Winkler lebt, saßen die Menschen im vergangenen Jahr 140 Stunden in ihren Autos, ohne voranzukommen. Staurekord in Bayern, zweiter Platz in Deutschland, nur in Berlin ging es noch schlechter voran. Vielleicht ist es deshalb nicht erstaunlich, dass sich im Kirchheimer Rathaus ausgerechnet Beatrix Winkler darum kümmern soll, dass in Zukunft mehr Menschen Lust haben, mit dem Rad zu fahren. Seit vier Jahren arbeitet sie daran, dass Kirchheim in die Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen (AGFK) aufgenommen wird.

An diesem Donnerstag kommt dafür eine Kommission in die Gemeinde und bewertet den Radverkehr. Winkler ist seit etwa 20 Jahren im Kirchheimer Rathaus tätig. Offiziell heißt ihr Amt "örtliche Straßenverkehrsbehörde" - dazu gehören Buslinien und Schulwegsicherheit. Besonders wichtig ist ihr allerdings - und das spürt man, wenn man ihr zuhört, schnell - der Radverkehr. Winkler sagt Dinge wie: "Wir müssen mutiger sein, dem Rad mehr Platz geben, den öffentlichen Raum anders aufteilen." Winkler hofft, dass das in Kirchheim besser klappt, wenn die Kommune endgültig Mitglied bei der AGFK ist. In den vergangenen vier Jahren war sie das nur vorläufig, bis zur Bewertung an diesem Donnerstag. Im Frühjahr 2014 entschied der Gemeinderat, dass sich Kirchheim um eine Mitgliedschaft bewerben sollte, im Herbst schaute sich eine Kommission die Gemeinde an, nahm sie ein paar Monate später vorläufig auf und gab ihr Empfehlungen. Winkler veranlasste Schutzstreifen, verbesserte vielerorts die Überleitung vom Radweg auf die Straße und ließ eine zweite Fahrradstraße einrichten. Schon als die Gemeinde vorläufiges Mitglied war, durfte Winkler fünf Mal im Jahr an Fachtagungen, Seminaren und Workshops der AGFK teilnehmen und sich anhören, wie es etwa Kopenhagen geschafft hat, dass dort fast jeder zweite Pendler das Rad nutzt.

Die Inspirationen seien super gewesen, sagt Winkler. Deshalb habe sie sich nun besonders viel Mühe mit der Bewerbung gegeben. Wichtig sei ihr die Mitgliedschaft auch wegen der Ortsentwicklung: In den Neubaugebieten wird es viele neue Radwege geben, durch den neuen Ortspark soll eine Fahrrad-Magistrale führen, über die Staatsstraße baut die Gemeinde drei Brücken für Fußgänger und Radfahrer. Die Meinung von Experten könne Kirchheim da gut gebrauchen, sagt Winkler. Denn ohne eine Verbesserung der Infrastruktur werde sich an den Staus rund um München nichts ändern, glaubt sie: "Ich bin davon überzeugt, dass Appelle an die Gesundheits nichts nützen. Die Menschen steigen erst vom Auto aufs Rad um, wenn sie so schneller sind."

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Quelle:
SZ vom 21.10.2019
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