Süddeutsche Zeitung

Meine Woche:Verzicht auf das "Elterntaxi"

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Hanna Aurnhammer beherzigt das Motto der Camerloher-Schule

Von Irmengard Gnau, Ismaning

Wenn im Herbst die Tage kürzer werden und das Tageslicht knapper, ist es umso wichtiger, sich selbst zum Leuchten zu bringen, zumindest im übertragenen Sinn. Das weiß auch Hanna Aurnhammer. Sie besucht die vierte Klasse an der Camerloher-Grundschule in Ismaning und muss jeden morgen um halb acht Uhr aufbrechen, um pünktlich zum Unterrichtsbeginn in der Schule zu sein. Damit sie auf dem Schulweg gut gesehen wird, schaltet sie nun schon morgens das Licht an ihrem Fahrrad an. "Außerdem habe ich an meinem Schulranzen Leuchtstreifen, dadurch sieht man mich noch besser", erklärt sie. Seit Hanna vor ein paar Wochen die Fahrradprüfung erfolgreich absolviert hat, fährt sie mit dem Radl in die Schule - ganz selbständig, ohne dass ihre Eltern sie mit dem Auto fahren müssten.

Damit ist sie nicht die Einzige an ihrer Schule: Getreu dem Motto "Sei Vorbild und achte auf die anderen" verfolgen die Schülerinnen und Schüler der Camerloher-Grundschule den Vorsatz, dass möglichst alle Kinder den Schulweg selbst zurücklegen statt mit dem "Elterntaxi". "Das ist sicherer für uns Kinder", erklärt Hanna Aurnhammer, "weil weniger Autos vor der Schule fahren". Das entlastet auch die Umwelt. "Außerdem finde ich es gut, dass Kinder in der Früh ein bisschen frische Luft kriegen", sagt die Viertklässlerin. Sie freut sich zudem darauf, auf dem Weg zwei ihrer Freunde zu treffen, mit denen sie vor dem Gong die wichtigsten Neuigkeiten austauschen kann. Das Projekt hat Marianne Schütte von der Schulsozialarbeit initiiert. "Es sind meist eher die Eltern, die auf das Auto fixiert sind", sagt sie.

Um die Motivation der Schüler zu stützen, erhalten diese eine kleine Belohnung für ihr Mittun. An einem wechselnden Tag in der Woche wird gezählt, wie viele Kinder selbständig in die Schule gekommen sind; pro zehn Kinder gibt es einen Sticker. Hat die ganze Schülerschaft gemeinsam 100 Sticker erreicht, dürfen sich alle auf eine verlängerte Pause, eine Spielstunde oder einmal hausaufgabenfrei freuen. Die Zahl der teilnehmenden Schüler nimmt derzeit stetig zu, freut sich Schütte. Auch für Kinder mit einem besonders weiten Schulweg hat sich die Schulfamilie etwas ausgedacht. Alle Familien erhalten eine Ortskarte, auf der ein Radius von 300 Metern um die Schule eingezeichnet ist. So sollen auch die mit dem Auto ankommenden Kinder ermutigt werden, zumindest diese letzten Meter zur Schule zu Fuß zurückzulegen. Wenn Eltern Angst haben, ihre Kinder allein laufen zu lassen, hat Hanna Aurnhammer einen Tipp: "Die ersten Male können die Eltern den Weg mitgehen, dann jeden Tag ein Stück weniger und irgendwann gar nicht mehr. Das habe ich auch so gemacht, nach einer Woche habe ich es allein gekonnt."

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Quelle:
SZ vom 23.11.2020
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