Meine Woche:Mit Offenheit statt Gekicher

Lesezeit: 1 min

Philipp Aigner hat selbst erlebt, dass viele Lehrer aus Angst vor Gekicher im Klassenraum selbst lieber gar nicht über Homosexualität sprechen. (Foto: privat)

Philipp Aigner engagiert sich gegen Homophobie an Schulen

Von Christina Hertel, Kirchheim

Offen würde niemals jemand zugeben, etwas gegen Homosexuelle zu haben. Nach außen seien immer alle tolerant. Tatsächlich aber, meint Philipp Aigner , ein ehemaliger Lehrer am Kirchheimer Gymnasium, sehe die Welt ganz anders aus. "Ein Coming-Out ist oft immer noch eine Sensation. Es ist immer noch nicht normal." Und so lange erst einmal getratscht werde, gebe es noch viel zu tun in Deutschland.

Am Mittwoch ist der Internationale Tag gegen Homophobie. Aigner findet: Ein netter Anlass, um über die Probleme von Homosexuellen nachzudenken - doch reichten Fernsehfilme und Demonstrationen einmal im Jahr letztlich nicht aus. "Man muss sich langfristig mit dem Thema befassen", sagt Aigner. So brachte der ehemalige Lehrer etwa Thomas Hitzlsperger an das Kirchheimer Gymnasium, der vor drei Jahren als erster prominenter deutscher Fußballer öffentlich erklärt hat (nach dem Karriereende)

, homosexuell zu sein. Nun organisiert Aigner zusammen mit anderen Lehrern an dem Gymnasium die örtliche Umsetzung eines Projekts, das europaweit an Schulen und Hochschulen zur Sensibilisierung für Homosexualität beitragen soll. Ein Ziel ist, Unterrichtsmaterialien zu erstellen. Aigner selbst erlebte, dass viele Lehrer aus Angst vor Gekicher im Klassenraum selbst lieber gar nicht über Homosexualität sprechen. Dabei wäre das aus seiner Sicht wichtig: "Die Schule soll ja aufs Leben vorbereiten. Und Deutschland ist eben bunt und vielfältig."

Acht Länder - Deutschland, Niederlande, Belgien, Polen, Ungarn, Großbritannien, Türkei und Spanien - arbeiten in dem Projekt zusammen. Aus jedem Land sind eine Sekundarschule, - für Deutschland ist es das Kirchheimer Gymnasium -, und eine Weiterbildungseinrichtung dabei. Insgesamt dauert das Projekt drei Jahre. Am Wochenende fand an der Kirchheimer Schule das erste Arbeitstreffen statt. Besonders spannend findet Aigner, der inzwischen nicht mehr für das Gymnasium, sondern für das Kultusministerium arbeitet, wie unterschiedlich in den Ländern mit dem Thema umgegangen wird. In den Niederlanden behandle man das Thema mit großer Offenheit, in der Türkei allerdings habe sich die Situation für Homosexuelle eher verschlechtert. Dass das, was das Team erarbeitet, an türkischen Schulen und Unis überhaupt angewendet wird, bezweifelt Aigner inzwischen. "Ich weiß nicht, wie viele Menschen wir überhaupt erreichen." Am Ende hofft er einfach, dass solche Projekte irgendwann nicht mehr notwendig sind.

© SZ vom 15.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: