Süddeutsche Zeitung

Meine Woche:Mehr Pädagogin als Verkäuferin

Rubina Leu betreibt einen Schreibwarenladen in Ottobrunn

Von Sophie Kobel, Ottobrunn

Entnervte Eltern mit Plastikkörben voller karierter und linierter A4-Hefte in den Händen und plappernde Kinder. Und der verzweifelte Versuch, mithilfe der Schul-Liste in den Händen herauszufinden, ob man das A3-Heft für den Englisch-Unterricht denn nun mit oder ohne Korrekturrand braucht.

Dieses Bild kennt Rubina Leu nur zu gut, denn sie ist Inhaberin eines Schreibwarengeschäfts in Ottobrunn. Und auch dieses Jahr wird die zweite Septemberwoche für sie anstrengend werden. Denn die bayerischen Sommerferien sind vorbei und sämtlicher Bedarf wie Hefte, Ordner, Zirkel und Stifte für das neue Schuljahr müssen gekauft werden. Dabei können die Kinder und die Eltern nicht etwa das wählen, was ihnen am besten gefällt, sie sind an strikte Vorgaben gebunden.

"Auf der einen Seite ist es natürlich immer eine sehr lange Woche für uns", erzählt Leu, "aber es ist neben dem Weihnachtsgeschäft auch die wichtigste Zeit im Jahr. Und ich finde es immer schön, den Laden voller Kinder zu haben", sagt sie lächelnd.

Seit 1958 gibt es 'Den Papierladen' gegenüber vom Ottobrunner Bahnhof, Leu hat ihn vor 13 Jahren von ihrer Tante übernommen. Seitdem ist sie jeden September mehr Pädagogin als Verkäuferin bei dem Versuch, zwischen den Vorstellungen von Eltern und Kindern zu vermitteln. "Das fängt bei den kleinen Dingen an. Zum Beispiel wollen alle Kinder Knet-Radiergummis, aber die sind in den Schulen nicht gerne gesehen da sie schnell schmutzig werden und das Blatt verschmieren", erzählt die Ottobrunnerin.

Um den Eltern eben diese Diskussionen zu ersparen, hat sie schon vor Jahren einen Schulexpress-Service ins Leben gerufen. Dabei können Mütter und Väter die Schul-Listen mit den benötigten Sachen per E-Mail oder Fax an sie schicken, sie stellt die Ware passend zusammen, und am kommenden Tag können die Eltern sie abholen. Doch trotz solcher hilfreicher Angebote bemerkt sie große Veränderungen über die Jahre. "Viele bestellen inzwischen lieber alles online und kommen nur noch zu mir, wenn sie unter dem Jahr ein einzelnes Heft für 60 Cent brauchen. Das ist einfach schade", sagt die Schreibwarenfachverkäuferin.

Zudem sei ihr aufgefallen, dass die Anforderungen der Lehrer jedes Jahr individueller würden und die Eltern immer unsicherer. "Heute kann man als Elternteil kaum noch selbst entscheiden, was man für sein Kind an Schulmaterialien möchte. Die meisten haben Angst, dass, sollte etwas nicht passen, ihr Kind nicht mehr gerne in die Schule gehen möchte. Das war früher viel entspannter".

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Quelle:
SZ vom 10.09.2018
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