Meine Woche:Ein Nikolaus mit 22 Terminen

Nikolaus Meine Woche Leopold Pai
(Foto: oh)

Leopold Pai ist in Oberschleißheim ein begehrter Gast bei den Kindern. Wenn er mal schimpft, dann mit den Eltern.

Von Cristina Marina, Oberschleißheim

Ob er selbst an den Nikolaus glaubt? Es komme darauf an, sagt Leopold Pai An den Nikolaus, der auf der Straße herumlaufe, eher nicht. Umso stärker glaube er an die Botschaft des Nikolaus: "Dass man für andere da ist, denen es gerade nicht so gut geht." Seit acht Jahren besucht Pai aus Oberschleißheim Familien als Nikolaus.

"Die Besuche sind ein Highlight des Jahres", erzählt er. Allein in diesem Jahr hat Pai zweiundzwanzig Termine, die sich auf vier Tage verteilen: am Sonntag zwei, am Dienstag acht, am Mittwoch neun und am Samstag zum Abschluss drei. Als Rentner bringe er nun mal mehr Zeit als die Berufstätigen mit. Er ist aktives Mitglied der Kolpingsfamilie Oberschleißheim, einer christlichen Glaubens- und Aktionsgemeinschaft mit rund 50 Mitgliedern, die dem Diözesanverband München und Freising angehört. Beruflich war Pai zuletzt bis 2011 als Leitender Ministerialrat im Bayerischen Obersten Rechnungshof tätig. Nach seiner Pensionierung 2012 wurde der 69-Jährige zum ersten Vorstand der Kolpingsfamilie gewählt. Fünf Nikoläuse besuchen mittlerweile die Familien. Obwohl keine Werbung betrieben wird, sind sie Anfang November schon ausgebucht.

Er und seine Kollegen seien nette Nikoläuse, die nicht mit den Kindern schimpfen, sagt Pai. Deswegen verzichten sie auch auf den Krampus und erzählen lieber von den Schutzengeln. Die Eltern stellen die Zettel fürs Goldene Buch und die Geschenke vor die Haustür. Der Nikolaus nimmt sie bei seiner Ankunft mit hinein. Auf die Zetteln schreiben die Eltern, was die Kinder im Laufe des vergangenen Jahres gut gemacht haben, aber auch wo sie sich noch anstrengen sollten. In manchem Fall schimpfe Pai mit den Eltern, wenn er lese, dass sie allzu übertriebene Ansprüche an die Kinder stellen. Manch ein Elternteil reagiert beleidigt und spendet weniger für den Nikolausbesuch. Das sei ihm die Sache trotzdem wert, sagt Pai.

Alle Spenden an den Nikolaus gehen an Bedürftige. Leopold Pai hat aber auch Familien besucht, bei denen er für sie gespendet hat: "Es gab dort wirklich Not." Und andererseits welche, deren Geschenke für die Kinder so groß waren, dass er sie nicht allein ins Haus tragen konnte.

An seine eigene Kindheit erinnert sich Leopold Pai gerne. Seine Oma hatte sich damals als Nikolaus verkleidet. Sie seien nicht reich gewesen, vier Kinder, Mutter, Vater und Oma, aber sie hätten das Beste daraus gemacht. Er sei glücklich und behütet aufgewachsen. Vielleicht will er heute als Nikolaus Kindern das gleiche Gefühl vermitteln: dass es zum Glück nicht viel braucht. Pai sagt, dass Zurückhaltung wieder mehr geschätzt werde. In den acht Jahren hat Leopold Pai reichlich Erfahrung gesammelt. Nur einmal, als er eine Schule besuchte, sei auch er für einen Augenblick sprachlos geworden. Ein Kind hatte ihn gefragt, ob es im Himmel schön sei - seine beiden Eltern waren in dem Jahr gestorben. "Ich sagte ihm: Es ist schön im Himmel. Da war ich sehr bewegt."

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