Haar:Neuer Gedenkort zu Euthanasie-Morden

München, Haar,  Werner Mally, Künstler, der den Gedenkort für die 'Euthanasie'-Opfer am Klinikum Haar gestaltet. Treffen im Atelier, Kistlerhofstraße, Foto: Angelika Bardehle
(Foto: Angelika Bardehle)

Mit seiner Skulptur "Restlicht" erinnert Werner Mally an NS-Gräuel. Am Dienstag wird sie auf dem Haarer Klinikareal eingeweiht.

Von Bernhard Lohr, Haar bei München

Letztens saß Werner Mally () in Haar im italienischen Restaurant. Das "Amici" ist schön gelegen, mit großer Terrasse und Blick auf denkmalgeschützte Gebäude und eine grüne Wiese. Ein Idyll. Ein integraler Bestandteil dieses Ensembles ist seit kurzem die Skulptur "Restlicht", die man vom Ristorante aus links angrenzend an den Kindergarten an der Casinostraße im Jugendstilpark sieht. Mallys "Restlicht" soll das Gedenken an die dunkle Vergangenheit des ehemaligen Klinikareals wach halten, das sich gerade in ein exklusives Wohnquartier entwickelt. Etwa 4000 Patienten der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt in Haar wurden in der NS-Zeit im Zuge der sogenannten Euthanasie ermordet. An diesem Dienstag wird der Gedenkort mit der Skulptur eröffnet. Es ist für den Künstler ein bewegender Moment.

Werner Mally hat bei seinem Besuch in Haar gemeinsam mit seiner Frau vor dem offiziellen Termin die "Restlicht"-Skulptur und das Umfeld auf sich wirken lassen. Und sie waren seinen Worten nach zufrieden. Der Gedenkort ist erlebbar und mit Bedacht konzipiert. "Es entsteht eine gewisse Urbanität", sagt Mally zum Umfeld. Eine Reihe neuer, moderner Wohnhäuser ist bezogen. Das Ristorante, der Kindergarten und das "Kleine Theater" - alles ist in Sichtweite. Mally griff am Ende mit ein, als es galt, die Skulptur etwas erhöht im Gelände zu platzieren. Es ist eine Metallplatte auf Stelzen, in die die Jahreszahlen 1938 bis 1945 fortlaufend eingestanzt sind. Wie ein Baldachin schützt das Dach, durch die Löcher fällt Licht und wirft die Jahreszahlen der NS-Gräueltaten auf den Boden, was aussieht wie ein Tattoo. Es ist ein vieldeutiges Konstrukt, das viel mit Mallys Familie zu tun hat.

Die Inspiration zu "Restlicht" kam durch den Großvater von Mallys Frau, der als einziger seiner jüdischen Familie mehrere Konzentrationslager überlebt hat. Mally sah die eintätowierte Nummer 168514 auf seinem Arm. Schon 2012 hat Mally "Restlicht" für die Schweizerische Triennale in Bad Ragaz geschaffen. Die Skulptur war ein mobiles Kunstwerk und stand auch am Siegestor in München, bis sie der frühere Haarer Bürgermeister Helmut Dworzak (SPD) gemeinsam mit dem Direktorium des Klinikums erwarb. Sie sollte im Jugendstilpark einen Gedenkort markieren. Dort steht sie jetzt, nach einem letzten Intermezzo vor dem Haarer Rathaus. Wie Mally es sich wünschte, ist der Boden, auf den die Lichtpunkte fallen, mit Platten aus dem Steinbruch in Flossenbürg belegt, wo Häftlinge des Konzentrationslagers schufteten. Der "rosa Schimmer", sagt Mally, "das hat etwas von menschlicher Haut."

Eine Informationstafel, die am Rathaus noch fehlt, soll an die Verbrechen in Haar erinnern. Die Skulptur ist Teil des Konzepts für Informations-, Lern- und Gedenkorte, das der Bezirk Oberbayern mit der Klinik umsetzt.

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