Meine Hauszeit:Wildwuchs auf dem freien Kopf

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(Foto: privat)

Rasmus Kleine arbeitet ohne Stress und freut sich auf den Friseur

Von Udo Watter , Ismaning

Das aktuelle Styling von Rasmus Kleine ist kein gewollter Tribut an das Beethoven-Jahr. Der Leiter des Kallmann-Museums ist vielmehr Opfer von schicksalhaft schlechtem Timing geworden. "Ich hatte einen Friseurtermin genau an diesem ersten Tag, als die Läden schließen mussten." Das ist nun schon wieder mehr als einen Monat her und seither wächst die Mähne ungeschoren weiter. "Ich habe eine richtige Beethovenfrisur", erzählt Kleine lachend am Telefon, "daher freue ich mich schon, wenn die Friseure am 4. Mai wieder aufmachen."

Ansonsten ist der Kopf des gebürtigen Münchners vielleicht sogar ein bisschen freier als sonst. Oder wie er es ausdrückt: "Entschleunigter." Nicht, dass er wesentlich weniger arbeiten würde als in Vor-Corona-Zeiten, aber das Tempo der Anforderungen und die Dynamik der Herausforderungen sind anders. Das Museum ist geschlossen, die Eröffnung der Ausstellung "Ausweitung der Marktzone - Künstlerische Fragen an den heutigen Kapitalismus", die am 20. März stattfinden hätte sollen, ist verschoben worden, es gibt keine Konzerte, keine Führungen im Haus, weniger akute Probleme, die unmittelbarer Lösung bedürfen. "Es war eine interessante Situation damals", erinnert sich Kleine, "erst wussten wir: Es wird keine Vernissage geben. Dann war schnell klar: Es wird erst mal keine Ausstellung geben." Der Aufbau der Werkschau wurde gestoppt. "Man ist runter gekommen auf Stresslevel null."

Im Moment ist Kleine hauptsächlich bei sich im Homeoffice in München, fährt aber auch ab und zu nach Ismaning ins Museum - generell, um Dinge zu erledigen, die in der Vergangenheit "liegen geblieben sind". Er hat gerade auch mehr und eingehender Zeit, die Vorstellungen der Kandidaten sich anzusehen, die sich für den diesjährigen Kallmann-Preis bewerben - er wird in der Kategorie "Landschaft" vergeben", die Bewerbungsfrist läuft am 24. April aus. Zudem verfolgt er, was andere Museen derzeit im Netz anbieten, wie digitale Rundgänge durch Ausstellungen. "Das ist positiv und ein Aufwand, den sich vor allem große Häuser leisten können." Aber bei aller Wertschätzung: "Es zeigt sich doch, dass sich die direkte Begegnung mit dem Kunstwerk nicht ersetzen lässt. Man wird ja beim Museumsbesuch aus dem Alltag herausgeschnitten und betritt einen neuen Erfahrungsraum."

Voraussichtlich werden im Mai auch in Bayern die Museen wieder ihre Pforten öffnen können. Um darauf vorbereitet zu sein - "im Moment ist leider noch vieles unklar" - wird der Aufbau der aktuellen Ausstellung von kommender Woche an fortgesetzt. Das Thema hält Kleine - der in seinen freien Stunden derzeit auch mehr Muße findet, an seinem Roman zu schreiben - für brennender denn je: "Inzwischen sagen ja auch Leute, denen man das nicht zugetraut hätte, dass man nicht alles dem Markt überlassen darf." Seine Haarpracht hingegen wird er bald genüsslich einem Friseur überlassen.

An dieser Stelle berichten wir

© SZ vom 22.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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