Süddeutsche Zeitung

Meine Hauszeit:Zur Sicherheit im Chiemgau

Julia Gasser aus Grünwald gehört nach Transplantation zur Risikogruppe.

Kolumne von Christina Hertel, Grünwald

Julia Gasser weiß, wie es ist, wenn Ärzte bei der Behandlung Schutzanzüge tragen und wenn ihre Familie sie nicht besuchen darf. Die 34-Jährige hatte Leukämie und bekam im Frühling 2019 eine Stammzellen-Transplantation. Diese war erfolgreich, doch bis heute ist ihr Immunsystem nicht wieder aufgebaut. Bestimmt zwölf Wochen, sagt sie, habe sie im Vorjahr im Krankenhaus verbracht, weil sie immer wieder Virusinfektionen und Lungenentzündungen bekam. Julia Gasser gehört damit zu den Menschen, die während der Corona-Pandemie besonders gefährdet sind. Deshalb ist sie von ihrer Wohnung in Grünwald in ein altes Bauernhaus im Chiemgau zu ihren Schwiegereltern gezogen. Die Nachbarn sind weit weg, um sie herum sind nur Felder und Wiesen. Für die nächsten elf Wochen will Gasser mit ihren beiden Kindern hier bleiben.

Dass Gasser vor gut einem Jahr einen passenden Stammzellenspender fand, ist etwas Besonderes. Bei jedem fünften Patienten sei die Suche erfolglos, schreibt die Stiftung Aktion Knochenmarkspende Bayern in einer Pressemitteilung und warnt davor, dass sich diese Statistik in Zeiten von Corona verschlechtern könnte, wenn Typisierungsaktionen ausfallen. Deshalb ruft sie auf, sich unter https://akb.de/online-registrierung/ zu melden und ein Set mit Wattestäbchen schicken zu lassen. Damit kann man sich selbst eine DNA-Probe entnehmen. Deutschlandweit erkranken laut AKB täglich 30 Menschen an Leukämie, darunter viele Kinder und Babys, die nun alle zur Hochrisikogruppe gehören.

Julia Gasser wartet zwar auf keinen Spender mehr, besonders gefährdet ist sie dennoch. In der vergangenen Zeit fühlte sie sich schwach, verbrachte viel Zeit im Krankenhaus - zuletzt im Februar, als sie sich mit einem ansteckenden Virus infizierte, das Atemwegserkrankungen auslöst, die für Kinder lebensbedrohlich sein können. "Mein Immunsystem ist auf dem Stand eines elf Monate alten Babys", sagt Gasser. Sie sei zwar krebsfrei, doch noch lange nicht gesund. Dass sie nach der Chemo mit Lungenentzündungen, Durchfällen und Hautkrankheiten zu kämpfen haben würde, damit rechnete sie nicht, sagt Gasser: "Das war hart für mich." Durch die Klinikaufenthalte sei sie nachdenklicher geworden, habe aber gelernt, ihre Lage zu akzeptieren. "Ich bin für jeden Tag ohne Fieber dankbar." Doch die Bilder aus Italien, wo Menschen in Krankenhäusern alleine sterben, machen ihr Angst: "Es wäre das Schlimmste für mich, wenn ich meinen Liebsten nicht auf Wiedersehen sagen könnte."

An dieser Stelle berichten wir in nächster Zeit von Menschen und ihrem Leben während der Corona-Pandemie. Wenn auch Sie etwas zu erzählen haben, was anderen vielleicht sogar Mut macht oder zum Nachmachen dient, schicken Sie uns eine E-Mail (gerne auch mit Foto) an: lkr-muenchen@sueddeutsche.de.

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SZ vom 24.03.2020/hilb
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