Süddeutsche Zeitung

Fasten-Aktion:Mit dem Smartphone durch die Fastenzeit

Dieser Fasten-Impuls via Whatsapp soll die Teilnehmer zu mehr Achtsamkeit motivieren. Im Interview erklärt der Initiator, warum es dabei nicht nur um Verzicht geht.

Von Anika Stiller, Putzbrunn

"Zeig dich!" heißt das diesjährige Motto der deutschlandweiten Aktion "Sieben Wochen ohne", in der seit 35 Jahren Millionen Deutsche zur Selbstbesinnung animiert werden. Philipp Stoltz, Vikar der evangelisch-lutherischen Jubilategemeinde Waldperlach und Putzbrunn bietet Bürgern aus der Umgebung einen besonderen Service: Wer per Whatsapp das Wort "Fasten" an die Nummer 0179/67 59 000 sendet, bekommt von Aschermittwoch an sieben Wochen lang einen täglichen Impuls zu der Aktion aufs Handy gesendet.

SZ: Worum geht es für Sie beim Fasten?

Philipp Stoltz: Es kann beim Fasten um Verzicht gehen, aber nur, um sich noch einmal den Wert einer Sache vor Augen zu halten oder sich auch mal auf das Wichtigste zu beschränken. Das entspricht auch den aktuell so präsenten Minimalismus-Trends. Meiner Meinung nach ist die Idee falsch, man könne sich auf den Verzicht etwas einbilden oder hätte damit etwas gut bei Gott. Gegen diese Vorstellung hat sich damals schon Luther gewehrt. Bei "Sieben Wochen ohne" hat man sich entschieden, den Fokus nicht auf den einfachen Verzicht eines bestimmten Genussmittels zu legen. Es steht eine eher abstrakte Idee dahinter; die Menschen sollen achtsamer mit sich selbst umgehen und sich die Zeit nehmen, darüber nachzudenken, was ihnen wichtig ist. Weil viele denken, es ginge bloß um den Verzicht, war unsere Aktion für manche natürlich erst einmal irritierend: Die Menschen meinten, man müsste ja eigentlich mal auf Smartphone oder Whatsapp verzichten, und wir machen das genaue Gegenteil - wir hoffen ja, dass viele zum Smartphone greifen.

Was halten Sie ist an dem diesjährigen Motto für wichtig? Haben Sie den Eindruck, dass heutzutage viele Menschen dazu neigen, sich zu verstecken?

Ich würde das an keiner Zeitgeist-Kritik festmachen, aber ich glaube, bei jedem Menschen ist es der Fall, dass man anderen nicht immer jede seiner Seiten zeigt, sondern lieber nur die "Schokoladenseite". Wenn man bei der Arbeit ist, zeigt man eine ganz andere Seite als privat, um sich nicht verletzlich zu machen.

Gehört das nicht auch ein bisschen dazu?

Ja, ich glaube, ein bisschen gehört das dazu, aber es wird dann zum Problem, wenn es zu anstrengend wird oder tatsächlich mal etwas los ist. Wenn es einem schlecht geht oder man Sorgen hat und die nicht zeigt, weil man meint, das seiner Umwelt nicht zumuten zu können oder in der Arbeit niemandem zeigen zu dürfen. In so einer Situation ist es wichtig, dass man das zeigt, damit man sich austauschen kann und vielleicht getröstet wird. In anderen Impulsen geht es um die Liebe: Es ist wunderschön, jemanden zum lieben, aber es ist doch schade, das nicht zu zeigen.

Was für Nachrichten verschicken Sie?

Wir haben ein durchlaufendes Wochenkonzept und verschicken unterschiedliche Arten von Impulsen: Jeden Freitag zum Beispiel machen wir eine Umfrage zu dem Thema und werten die Antworten aus. Jeden Sonntag verschicken wir einen passendes Lied - meistens per Youtube-Link. Samstags gibt es Coaching-Tipps; also tatsächliche Tipps für das Leben. Hier wird es konkret, aber nicht mit einer direkten Aufforderung, sondern eher, um den Menschen bei der Reflexion zu helfen. Und dann haben wir Impulse, auf welche die Teilnehmer antworten können. In jeder Woche wird der Fokus auf einen anderen bestimmten Aspekt des Sich-Zeigens gelegt. In einer Woche geht es um "Zeig dein Mitgefühl": Durch das bloße Empfinden von Mitgefühl wird niemand gerettet. Wenn man also merkt, dass es jemandem schlecht geht, muss man auch etwas tun und helfen.

Sie machen auch Umfragen - das heißt, man ist nicht nur passiv dabei, sondern steht auch mit Ihnen im Kontakt?

Das wollten wir bei der Aktion unbedingt, weil ich denke, dass die beidseitige Kommunikation auch zu Whatsapp dazu gehört. Wir fordern in einzelnen Impulsen zur Rückmeldung auf, ansonsten freuen wir uns auch, wenn die Menschen einfach so schreiben. Letztes Jahr hat mir eine Frau ein Foto geschickt, wie sie eins meiner Zitate am Arbeitsplatz aufgehängt hat. Über so etwas freue ich mich natürlich sehr. Und das geht natürlich nur bei einer Aktion, die man mit Whatsapp macht. Wir freuen uns, wenn kleine Chats entstehen und vielleicht auch Kontakte mit Menschen, die gar nicht so viel mit der Kirche zu tun haben. Vielleicht können wir so auch Schwellen abbauen.

Also sind nicht nur Kirchenmitglieder zu der Aktion eingeladen?

Letztendlich weiß ich das eh nicht über die Teilnehmer, da die Aktion anonym ist und ich außer den Nummern nichts über die Menschen weiß. Aber ich fänd es schon schön, tatsächlich alle Leute aus der Umgebung zu erreichen; auch jene, die ansonsten nicht sehr religiös sind, sondern vielleicht noch auf der Suche nach einer Art von Achtsamkeit und Reflexion.

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Quelle:
SZ vom 13.02.2018/gna
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