Ganztagsbetreuung:Freundliche Übernahme am Mittagstisch

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Das gemeinsame Essen an der Schule ist mehr als nur Kalorienaufnahme: Die Stadt Garching übernimmt im nächsten Schuljahr an der Max-Mannheimer-Schule die Kosten für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund, deren Eltern mit dem Ausfüllen von Anträgen überfordert sind. (Foto: Franziska Kraufmann/picture alliance)

Die Stadt Garching trägt im nächsten Schuljahr an der Max-Mannheimer-Schule die Kosten für die Verpflegung der Kinder und Jugendlichen, deren Eltern mit dem Ausfüllen von Förderanträgen überfordert sind. Sie setzt damit ein Zeichen für Integration.

Von Sabine Wejsada, Garching

Es ist mehr als nur die Übernahme der Kosten für das Mittagessen von Kindern und Jugendlichen in der Max-Mannheimer-Mittelschule: Für Rektorin Judith Mathä leistet die Stadt Garching mit diesem finanziellen Engagement in der Ganztagsbetreuung einen wichtigen Beitrag zur Integration und setzt zudem ein Zeichen, dass Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund nicht allein gelassen werden. „Das ist ein politisches Signal“, sagt Mathä. Profitieren werden davon Kinder und Jugendliche, die kaum Unterstützung vom daheim bekommen, weil die Eltern kein Deutsch sprechen und sie die Anträge für das Bildungspaket – einem vom Bundessozialministerium aufgelegten Förderprogramm – nicht ausfüllen können oder wollen. Die Kommunalpolitik springt jetzt ein: Der Haupt- und Finanzausschuss hat dafür einen Betrag in Höhe von mehr als 55 000 Euro freigegeben.

Die Übernahme gilt zunächst für das im September startende Schuljahr 2024/25. Wie es danach weitergeht, hängt nach den Worten von Garchings Bürgermeister Dietmar Gruchmann (SPD) allerdings von der Haushaltssituation der Stadt ab. „Im Moment können wir uns das leisten“, sagte er in der jüngsten Sitzung des Ausschusses, verwies aber auch darauf, „dass eigentlich ganz andere Stellen zuständig sind“. Nämlich solche, die den Ganztag an den Schulen verordnet haben, die entstehenden Kosten aber auf die Kommunen abwälzen, wenn es brennt.

An der Garchinger Max-Mannheimer-Mittelschule besuchen derzeit insgesamt 82 Schüler den Ganztagsunterricht. Für die Hälfte der Kinder und Jugendlichen übernimmt das Landratsamt die Kosten für die Mittagsverpflegung. Bei der anderen Hälfte sind die Eltern in der Pflicht, die Speisen zu bezahlen. Doch der Großteil bleibt bei den Zahlungen säumig. Wenn aber die Essenskosten nicht beglichen würden, müssten die Kinder satzungsgemäß aus dem offenen Ganztag ausgeschlossen werden, erklärt Yvonne Zimmermann, Leiterin des Fachbereichs Bildung & Soziales im Garchinger Rathaus.

Bei ihr und ihrem Team häuften sich nicht beglichene Zahlungen von Personensorgeberechtigten für die Essensgebühr der Ganztagsangebote an der Max-Mannheimer-Mittelschule, so Zimmermann. Dies bedeute für die Verwaltung eine Steigerung des ohnehin schon sehr hohen Verwaltungsaufwands bei der Abrechnung der Essensgebühren, denn Anträge müssten von Asylbewerbern alle drei Monate neu gestellt werden, da die Duldungen immer nur für diesen Zeitraum ausgesprochen würden.

Stand 30. Juni betrug der Gesamtanteil der Einwohner Garchings mit Migrationshintergrund knapp 31 Prozent. An der Max-Mannheimer-Mittelschule liegt der Anteil der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund laut Stadt zwischen 86 und 90 Prozent. Der größte Teil der Schüler komme aus bildungsfernen Schichten. Diese Familien seien in Garching meist nicht gut integriert, ihre Werte und Erziehungsansichten unterschieden sich oft stark von denen deutscher Familien. Überdies seien viele Eltern mit der Erziehung und Unterstützung ihrer Kinder überfordert. Nicht selten komme es deshalb zur Vernachlässigung der Kinder; Bildung, Schulbesuch und Freizeitgestaltung würden nicht begleitet, erklärt Zimmermann. Auch wenn es erfreuliche Ausnahmen gebe.

Judith Mathä ist seit dem Schuljahr 2021/22 Rektorin der Max-Mannheimer-Mittelschule in Garching. (Foto: privat)

Nehmen die betroffenen Schüler nicht mehr am gemeinsamen Essen teil und verlassen schon mittags die Schule, dann hat das auch nach Angaben von Rektorin Judith Mathä fatale Folgen: Die Kinder und Jugendlichen brächten die Nachmittage und Abende gelangweilt oder mit wenig sinnvollen Beschäftigungen hinter sich und ernährten sich ungenügend. Vielfach würden sie auch den Anschluss verlieren, hingen nur noch herum, schafften ihren Abschluss nicht und stünden ohne Ausbildungsplatz und finanzielle Absicherung da. Im schlimmsten Fall würden sie gar straffällig. „Am Ende müssen wir dann mehr Sozialarbeiter einstellen, was wahrscheinlich höhere Kosten verursacht“, sagte Bürgermeister Gruchmann.

Dabei sei es doch gerade die Mittelschule, die laut Zimmermann zwar von vielen nach wie vor als „Auffangbecken“ für Lernunwillige gesehen werde, die junge Menschen aber auf Berufe vorbereite, wo es an Fachkräften fehle. Zum Beispiel in der Care-Arbeit, im Handwerk und auf dem Dienstleistungssektor, wie Mathä sagte. Deshalb sei es eine „gesellschaftliche Herausforderung“, es den Kindern und Jugendlichen zu ermöglichen, die Ganztagsangebote samt Mittagessen wahrzunehmen – „auch im Sinne der Integration, weil in der Schule nicht nur die Sprache vermittelt wird, sondern auch kulturelle Werte“. Mathä bedankte sich für die Übernahme der Kosten durch die Stadt. Dies sei als Anerkennung ihrer Arbeit zu verstehen.

Weil das Landratsamt bislang nur für einen Teil der betroffenen Kinder aufkommt, hat die Stadtverwaltung in der Kreisbehörde nachgefragt, ob diese sich an den nun beschlossenen Ausgaben der Stadt beteiligen werde. Die Antwort ist offenbar ernüchternd gewesen: Dafür gebe es vom Landkreis keine Gelder, berichtete Zimmermann. Mit der Kostenübernahme durch die Stadt für all jene Kinder, deren Eltern aus besagten Gründen nicht zahlen können oder wollen, komme Garching auch seiner gesellschaftspolitischen Verantwortung nach, hieß es in der Sitzung. Denn die betroffenen Schülerinnen und Schüler seien ohne das jetzt beschlossene Eingreifen der Stadt bildungspolitisch einer Ungerechtigkeit ausgesetzt, wenn sie aus dem Ganztag ausgeschlossen würden. Und es könne nicht sein, dass sie für die Versäumnisse ihrer Eltern büßen müssten, so die Stadtverwaltung. Ganz im Gegenteil, gerade sie benötigten Chancen, um ihr Leben selbst in die Hand nehmen zu können. Mit dem einstimmigen Beschluss, für diese Kinder und Jugendlichen Geld auszugeben, gehe Garching mit „gutem Beispiel“ voran, sagte Zimmermann. Da waren sich am Ende alle einig. 

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