Süddeutsche Zeitung

Artenschutz:Vulkane auf der Wiese

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Maulwürfe graben offenbar gerade den halben Landkreis um. Den Landwirten gefällt das gar nicht, doch sie haben sich mit dem geschützten Tier arrangiert.

Von Daniela Bode, Oberhaching/Aying

Die Schneedecke ist wieder verschwunden, das Gras ist noch kurz. Da sieht man nicht nur die Primeln und Krokusse sprießen, sondern auch die Erdhügel wachsen. Auf vielen Wiesen im Landkreis ist der Maulwurf schwer am Werkeln. Wer die tschechische Zeichentrick-Serie "Maulwurf Grabowski" kennt, dürfte ein Herz für das Tier mit dem schwarzen Fell haben, wie Experten und Tierliebhaber auch. Schließlich gibt es ein paar spannende und überraschende Fakten über den begabten Gräber. Landwirten hingegen können Maulwürfe richtig lästig werden, zumal sie einmal vertrieben, kurze Zeit später wieder auftauchen können. Am Ende läuft das Zusammensein zwischen Tier und Mensch jedenfalls darauf hinaus: leben und leben lassen.

Die Hügel des Maulwurfs finden sich vor allem auf Wiesen, gerne am Waldrand. "Auf einem richtig schönen Moorboden machen sie oft mehr Haufen, wenn es ein kiesiger Boden ist, macht es ihnen nicht so viel Spaß", weiß Ullrich Benker, Zoologe und Entomologe bei der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft. Im Landkreis sieht man momentan beispielsweise im Landschaftspark in Unterhaching, in der Schlossanlage in Oberschleißheim und auf anderen Wiesen solche Erdhügel. Um abzuschätzen, wie viele Maulwürfe ihre verzweigten Gräben buddeln, muss man genau hinsehen. "Wenn sich die Hügel wie an einer Perlschnur leicht gekrümmt aufreihen, ist das von einem Tier", sagt Benker. Ein Maulwurf wirft also nicht nur einen Haufen auf, je nach Fleiß des Tiers können es 20 bis 50 sein. Nicht jeder Erdhaufen ist allerdings ein Maulwurfshügel. Denn ähnlich sehen auch die Häufchen der Schermaus aus, eine größere Wühlmausart, die zurzeit ebenfalls viel unterwegs ist. Den markantesten Unterschied, erklärt Benker so: Der Eingang zum Maulwurfshügel, der von der Form her an einen Vulkan erinnert, ist oben. Denn der Maulwurf schiebt die Erde mit den Vorderpfoten. Das Loch zum kleineren, flacheren Hügel der Schermaus befindet sich seitlich. Sie befördert die Erde mit den Hinterbeinen nach draußen. Die Unterscheidung der beiden Tiere ist wichtig. Denn der Maulwurf ist anders als die Schermaus geschützt. "Ihn darf man nur vergrämen", sagt Benker. Das heißt, dass man ihm seine Umgebung ungemütlich macht, damit es ihm dort nicht mehr gefällt und er verschwindet.

Mehr als nur ungemütlich wäre es vor vielen Jahren möglicherweise einem Maulwurf in Oberhaching geworden. Eine Frau fühlte sich durch die Unebenheiten in ihrem Garten gestört und wollte das Tier mit einer Falle fangen oder vergasen, wie Eike Hagenguth erzählt, der sich schon lange im Ortsverband des Bund Naturschutz engagiert. Er kam der Umsetzung dieses Plans zuvor und brachte das Tier weg. Da war Fingerspitzengefühl gefragt. Hagenguth wartete, bis der Maulwurf wieder Erde aufstieß. Das dauerte und er musste sich ruhig halten. "Maulwürfe hören ja alles", sagt er. Dann verschloss er das vorletzte Loch, versperrte den Rückweg und grub behutsam nach. "Ich habe ihn dann vorsichtig am Genick genommen und in einen Kübel gelegt", sagt Hagenguth. Den Behälter hatte er mit Erde gefüllt "damit der Maulwurf sich nicht so unwohl fühlt". Dann brachte er ihn in den Wald.

Abgesehen davon, dass Maulwürfe mit ihren spitzen Nasen und ihrem samtartigen Fell niedlich aussehen und gute Gräber sind, haben sie auch einen ökologischen Nutzen, wie Hagenguth und Benker bestätigen. "Sie fressen schädliche Insektenlarven wie Drahtwürmer, die Graswurzeln fressen, und Haarmückenmaden", sagt der Zoologe. Auf der anderen Seite lassen sich Maulwürfe gerne Regenwürmer schmecken, die wiederum wichtig für einen fruchtbaren Boden sind.

Dass Landwirte nicht immer gut auf sie zu sprechen sind, liegt auch daran, dass die Erdhügel mitunter Kies enthalten und Mähwerke beschädigen. Es gibt auch ein Problem beim Grünfutter. "Wenn wir das Gras mähen und es ist Erde dabei, schimmelt es leichter", sagt Landwirt Martin Stadler aus dem Ayinger Ortsteil Peiß, stellvertretender Kreisobmann der Bauern. Er hat unter anderem rund 15 Hektar Grünland und einen Milchviehbetrieb. Außerdem schmecke das Grünfutter den Tieren dann nicht so gut und sie könnten wegen möglicher Bakterien krank werden. Das weiß auch Georg Schildmann, Landwirt in Rente aus Aying, von früher.

Um dem vorzubeugen, schleppen die Landwirte ihre Wiesen im Frühjahr ab, das heißt sie ebnen sie samt den Maulwurfhügeln ein. Eine Garantie dafür, dass sie die Tiere damit los sind, ist das nicht. "Nach zwei Tagen sind schon wieder Hügel da", sagt Stadler. Überhaupt, manche Wiesen sähen schon krass aus, wie Äcker. Er hat offenbar Glück, "bei uns ist es nicht so schlimm", sagt er. Viel können die Landwirte nicht gegen die Tiere ausrichten. "Man kann eigentlich nichts machen", sagt Stadler. Man muss das Tier dulden. "Wohl oder übel", sagt auch Schildmann.

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SZ vom 19.03.2021
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