Campus MartinsriedNucleus am Stadtrand

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Feier im grasgrünen Großen Hörsaal: Wissenschaftsminister Markus Blume mit anderen Gästen beim Jubiläum in Martinsried.
Feier im grasgrünen Großen Hörsaal: Wissenschaftsminister Markus Blume mit anderen Gästen beim Jubiläum in Martinsried. (Foto: Robert Haas)

Die Ludwig-Maximilians-Universität feiert auf dem Campus in Martinsried das 50-jährige Bestehen der Fakultät für Biologie. Während Wissenschaftsminister Blume deren Exzellenz in den höchsten Tönen lobt, spricht ein Redner handfeste Probleme an.

Von Rainer Rutz, Planegg

Zwei wichtige Universitätseinrichtungen auf dem Campus in Martinsried feiern Geburtstag: Das gibt es sogar an der rekordverwöhnten Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) nur selten. Hunderte Ehrengäste aus Wissenschaft und Politik kamen am Dienstag auf den Campus und feierten im grasgrünen Großen Hörsaal der Fakultät für Biologie deren 50-jähriges Bestehen – und gleichzeitig den Umzug der Fakultät vor 20 Jahren aus München an den Stadtrand nach Martinsried.

Wenn man vom einst idyllischen Klopferspitz von Gräfelfing aus kommend in die Großhaderner Straße einbiegt, betritt man schlagartig eine veränderte Welt. Auf dem Campus in Martinsried, dem sogenannten Biozentrum, eröffnet sich eine riesige Fläche mit modernsten, meist in Glas gehaltenen flachen Gebäuden mitten im Grünen. Brunnen, Ruhebänke, moderne Skulpturen und großzügige Grasflächen lassen eher an ein Erholungsgelände denken als an eine der berühmtesten Universitäten Deutschlands.

Überall flanieren Studierende, kleine Gruppen diskutieren, man sitzt im Café und übt sich in Small Talk oder debattiert vielleicht auch schwerwiegende Fragen. Knapp 4000 Promotionen wurden in der Fakultät seit Gründung erarbeitet und 280 Habilitationen vergeben, seit 2012 gehört sie gemeinsam mit anderen Instituten unter anderem der TU München zum Exzellenzcluster für Systemneurologie. Mehr als 3000 Studierende sind registriert.

Eine eigene Welt: der Campus in Martinsried.
Eine eigene Welt: der Campus in Martinsried. (Foto: Robert Haas)

Das Jubiläum der Fakultät geht auf das bayerische Hochschulgesetz aus dem Jahr 1973 zurück, in dessen Folge die einzelnen Fachbereiche der Biologie in München zu einer Fakultät wurden. Bayerns heutiger Wissenschafts- und Kulturminister Markus Blume (CSU) lobte sie bei der Feier als „Nucleus, der weit über Bayern bekannt, ja sogar einzigartig in Europa ist“. Blume blieb im Bild: „Der Zellkern in der engsten Nachbarschaft zum Klinikum Großhadern bietet innovative Spitzenleistungen in Forschung und Lehre“, sagte er.

Das Biozentrum ermögliche eine perfekte Symbiose aus Wissenschaft und Wirtschaft, ein Epizentrum der kooperativen Forschung. „Wenn in zwei Jahren die U-Bahn kommt, verlängern wir die Nervenbahn der Exzellenz. Mit der U6 erhalten wir die bedeutendste Wissenschafts-U-Bahn Europas. Sie verbindet dann den Standort Garching mit dem Campus Martinsried“, sagte Blume und erntete lang anhaltenden Applaus.

Die Mathematikerin Francesca Biagini ist Vizepräsidentin der LMU.
Die Mathematikerin Francesca Biagini ist Vizepräsidentin der LMU. (Foto: Robert Haas)

Die aus Italien stammende Mathematikerin Francesca Biagini ist Vizepräsidentin der LMU und steht damit auch für die Internationalisierung, Kooperationsfähigkeit und Pluralität der Universität. In ihrer Rede stellte sie unter anderem den vor „einem Jahr begonnenen strategischen Prozess für einen gemeinsamen Fonds für Forschende“ aus aller Welt vor, „lebendig und zukunftsorientiert“ sei das. Biagini forderte Politik und Wissenschaft auf, „offen, mutig und stark zu bleiben“ und sich „nicht auf den Erfolgen auszuruhen“. Vor 20 Jahren seien die Institute, die etwas mit biologischer Forschung zu tun haben, „noch auf die ganze Stadt verteilt gewesen“, bis sie 2007 einen neuen Platz in Martinsried fanden.

Herwig Stibor, Dekan der Fakultät Biologie, unterstrich die Bedeutung der beiden Einrichtungen unter anderem mit der „Tatsache, dass wir hier die größte Ausbildungsstätte für Biologie-Lehrer in Bayern haben“. Für die rund 200 zu vergebenen Master-Studienplätze gebe es jährlich rund 3000 Bewerbungen aus 80 Nationen. Man konkurriere vorwiegend mit Studiengängen aus den USA und Asien. Stibor betonte die Wichtigkeit einer wirklichkeitsnahen Ausbildung mit einer Zahl, die nicht so ganz in die Jubelstimmung passte: „Nach einer neuen Erhebung haben 30 Prozent der Menschen kein Vertrauen in die Wissenschaften.“ Diese Skepsis müsse überwunden werden.

Der Biochemiker Heinrich Jung wünscht sich eine Verbesserung der Wohnraumsituation und mehr Stipendien für sozial Benachteiligte

Nach einem kurzem Filmspot mit dem Titel „Faszination Biologie“ warfen Fachvorträge Schlaglichter auf die große Bedeutung der Forschung. Prodekan Thomas Nägele betonte vor allem die schnelle Entwicklung vom „Einzelteil zum System“, die auch „immer besseren Geräten“ geschuldet sei. Man müsse sich klarmachen, dass 99,9 Prozent aller Versuche in der Praxis scheitern. Den Studierenden könne er aber versichern, dass sie das trotzdem voranbringe, „denn Wissen kommt aus dem Scheitern“. Zu den größten Herausforderungen der letzten 50 Jahre zählte er die Klimaentwicklung, den Medizinbereich, künstliche Intelligenz und die Nachhaltigkeit. Studiendekan Heinrich Jung sprach ganz andere Herausforderungen an, als er „zwei Wünsche für die Zukunft“ äußerte: „Eine Verbesserung der Wohnraumsituation und mehr Stipendien für sozial Benachteiligte.“

Dass ein 50. Jubiläum eigentlich eher eine Petitesse ist angesichts der Entwicklung von Wissenschaften über die Jahrhunderte, belegte Dekan Stibor am Schluss mit „tiefen Einblicken in das Leben“. Dazu präsentierte er humorvoll Gemälde und Stiche aus Prag im Jahr 1380 und Freiburg anno 1500, die finster dreinblickende Zeitgenossen zeigte, die als Lehrmeister oder in der schon damals existierenden Hochschulverwaltung im Grunde das taten, „was wir immer schon so machen“.

Anders als in einer ersten Fassung zu lesen, liegt direkt neben der Fakultät für Biologie das Biomedizinische Zentrum, als Biozentrum der LMU wird dagegen der gesamte Campus bezeichnet, auf dem vor 20 Jahren die bis dahin über ganz München verteilten Fachbereiche der Fakultät angesiedelt wurden.

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