Markus Söder:Abschiebung aus dem Bierzelt

Zwei junge Frauen fühlen sich nach dem Auftritt des Ministerpräsidenten in Baierbrunn wie "Kriminelle" behandelt

Von Bernhard Lohr, Baierbrunn

Am Sonntag hatte Magali Raßmann noch mit Hunderten anderen fröhlich am Straßenrand gestanden und den Umzug der Trachtler beim Gaufest in Baierbrunn verfolgt. Am Montag ließ die 19-Jährige dann ihr Dirndl im Schrank und ging mit einer Freundin und einer politischen Botschaft ins Bierzelt. Ministerpräsident Markus Söder war angekündigt, und Magali und ihre Freundin wollten wissen, was es mit dem Motto, mit dem die CSU für die Veranstaltung warb, auf sich hat: "Fröhlich sein, zuhören und verstehen, was gerade in München und Berlin tatsächlich passiert." Doch am Ende der Veranstaltung fanden sich die jungen Frauen vor dem Zelt wieder, und zugehört hatte ihnen auch niemand.

Fast zwei Wochen ist der Vorfall mittlerweile her. Die beiden Frauen bewegt er immer noch, weshalb sie sich jetzt an die SZ wandten. Was war passiert? Magali Raßmann und ihre Freundin hatten sich in eine hintere Reihe des Baierbrunner Festzelts gesetzt und ein DIN-A-3-Blatt mit dem rot durchgestrichenen Wort "Asyltourismus" vor sich in ein leeres Bierglas gesteckt. So viel Kritik an dem von Söder in die Debatte eingeführten Begriff dürfe sein, dachten die beiden. "Keine Sekunden später" seien jedoch zwei Männer in karierten Hemden vor ihnen gestanden und hätten sie aufgefordert, das Zelt "auf der Stelle" zu verlassen, schildern die Frauen. Draußen kamen Polizisten dazu. Am Ende stand das Verbot, das Zelt noch einmal mit dem Blatt Papier zu betreten.

Damit nicht genug: Als sie nach Hause radelten wurden die beiden Ausgewiesenen nach ihrer Darstellung an der Bundesstraße noch einmal von der Polizei angehalten. Dabei seien auch ihre Ausweise kontrolliert worden. Zur Begründung hätten die Beamten ihnen gesagt, dass der Ministerpräsident demnächst vorbeifahre und man nicht wolle, dass sie erneut ein Plakat entrollen. So endete ein Abend, von dem sie sich eine Diskussion oder gar einen Dialog erhofft hatten, für die beiden Frauen mit der Erfahrung, angefeindet und wie Kriminelle behandelt zu werden.

Wie verträgt sich das Vorgehen der Polizei und der Ordner mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung? Von Seiten der Baierbrunner CSU sagt Vorstandsmitglied Josef Fröhler, an ihm sei das alles komplett vorbeigegangen. "Mir ist nichts Negatives aufgefallen." Und Kerstin Schreyer, die Stimmkreisabgeordnete und Sozialministerin, deren Büro den Söder-Besuch mit den örtlichen Parteifreunden organisiert hatte, teilt auf schriftliche Anfrage mit, man habe die Sicherheitsfragen in die Hände der Polizei gelegt. Die Polizeipräsenz war groß und man war auch wegen der aufgeheizten Asyldebatte auf mögliche Störer vorbereitet. Ein Sprecher des Polizeipräsidiums sagt, es seien an dem Abend Personen kontrolliert worden, die ein Plakat mit der Aufschrift "Geht's noch blöder, Söder" bei sich hatten. Man habe eine "mögliche Beleidigung" des Ministerpräsidenten unterbinden wollen.

Die beiden Baierbrunnerinnen jedenfalls beteuern, dass sie solch ein Plakat nicht mit sich trugen. "Wir hatten es weder auf Ärger noch auf aggressive Auseinandersetzung abgesehen", sagt Raßmann. Sie habe bewusst auf jede Provokation verzichtet. Man habe auch das Verbot akzeptiert, nach dem Motto "ihr Zelt, ihre Regeln". Was beide aber bei der CSU vermissen: die Bereitschaft, andere Meinungen gelten zu lassen.

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