Malerei:Die Zärtlichkeit der Axt

Zwischen "Gehackter Kunst" und Mischtechnik auf Metallplatten: Katja Käfer und Sabine Huber zeigen in der Ottobrunner Galerie "Treffpunkt Kunst" Malerei auf Holz und Metall

Von Franziska Gerlach, Ottobrunn

Malerei: Ohne die Wucht der Farben geht es bei Katja Käfer nicht - die Ottobrunnerin malt auf Holz und zieht schon mal die Axt durch ihre abstrakten Werke, um filigrane Risse zu gestalten.

Ohne die Wucht der Farben geht es bei Katja Käfer nicht - die Ottobrunnerin malt auf Holz und zieht schon mal die Axt durch ihre abstrakten Werke, um filigrane Risse zu gestalten.

(Foto: Claus Schunk)

Dieses Bild bitte nicht, hatte eine Freundin gesagt. Das dürfe sie nicht hacken, es sei einfach viel zu schön. Katja Käfer lacht, als sie das erzählt. Sie steht im Untergeschoss des "Treffpunkt Kunst", der Galerie des Kunstvereins Ottobrunn, vor eben diesem Bild. Es ist eine farbenfrohe, kraftvolle Arbeit auf Fichtenholz, durch die sich feine Risse ziehen. Denn natürlich ließ sich die Ottobrunner Künstlerin das Hacken nicht ausreden. "Am Ende habe ich's doch gehackt", sagt Käfer. Das sei nun mal ihr Ding.

"Chopped Art", also "gehackte Kunst", nennt Käfer ihre Arbeit, die sie gerade gemeinsam mit Sabine Huber, ebenfalls Mitglied des Ottobrunner Kunstvereins, in der kleinen Galerie an der Rathausstraße 5 zeigt (bis 31. Juli). Auch die Oberhachinger Künstlerin malt auf einem ungewöhnlichen Untergrund, nämlich Metall, da ist es von den beiden Frauen nur konsequent, die gemeinschaftliche Ausstellung ihrer abstrakten Werke mit dem Namen "Malerei auf Holz und Metall" zu überschreiben. "In ihren Bildern finden wir Elemente wie Farbe, Licht, Form, Linie, Textur, Raum, Intensität und Kontraste", sagte Katja Ochoa Molano, die zweite Vereinsvorsitzende, als sie die Ausstellung vor einigen Tagen eröffnete, die Rede der Vernissage steht auf der Homepage des Kunstvereins als Video bereit. "Die Herausforderung beider Künstlerinnen ist es, diese Elemente so gut zu kombinieren, um eine vollendete Komposition zu erstellen."

Dazu muss man zunächst einmal sagen, dass es beiden Künstlerinnen souverän gelingt, diese Herausforderung zu meistern, wenn auch auf völlig unterschiedliche Weise. Katja Käfer, 44, malt in Acryl, sie verpustet die Farben und lässt sie ineinander fließen, erst dann greift sie zur Axt. Das klingt brachialer als es tatsächlich ist: Denn die Ottobrunnerin, die hauptberuflich als Industriekauffrau tätig ist, schlägt nicht zu. Sie führt die Axt eher kontrolliert durch das Holz von Kiefern oder Fichten, "relativ zärtlich", wie sie sagt. Manche dieser so entstandenen, filigranen Risse stellen für sie "Lebenslinien" dar, anderen verleiht sie durch farbliche Gestaltung zusätzliche Tiefe, dann wiederum werfen ihre beinahe skulpturartigen Bilder bizarre Schatten an die Wand. Ganz anders Sabine Huber, 59, die auf Metallplatten mit der von Kirchenfresken bekannten Intonaco-Mischung arbeitet, also mit Sumpfkalk und Marmormehl, die sie allerdings in einem besonderen Verhältnis zueinander anrührt und später mit Farbpigmenten anreichert. So entstehen Strukturen von ungewöhnlicher Tiefe, die im Fall von "Nemos Reich", einer Arbeit in den Farben des Meeres, einen dreidimensionalen Effekt erzeugen. Hin und wieder variiert Huber ihre Materialien auch, gibt Gips oder Beton dazu, oder aber sie schafft wie bei jenem nuancenreichen Werk in Türkis, das sie ihr "therapeutisches Corona-Bild" nennt, mit Öl und Wachs eine samtweiche Oberfläche. Bei einer Reihe an hochformatigen Werken hat Huber sich von den Düften ihres Gartens inspirieren lassen: Lila wie eine Schwertlilie, blau wie Hibiskus, rot wie eine Tulpe, gelb wie Rosen - und grün wie, nun ja, "einfach Gräser", sagt die Oberhachingerin. Sie stammt ursprünglich aus Nürnberg und fand den Weg zur Kunst über ein Studium der Elektrotechnik und einer anschließenden Tätigkeit als Webdesignerin. Wenn sie die Arbeit an einem Bild beginne, habe sie im Übrigen stets einen Plan. Aber das Material haben nun einmal ein Eigenleben, was dann häufig einen Kompromiss erfordere. "Das Üben von Kontrollverlust", nennt Huber diesen Prozess.

Malerei: Die Oberhachingerin Sabine Huber arbeitet mit der von Kirchenfresken bekannten Intonaco-Mischung, also mit Sumpfkalk und Marmormehl, die sie in einem besonderen Verhältnis zueinander anrührt und später mit Farbpigmenten anreichert.

Die Oberhachingerin Sabine Huber arbeitet mit der von Kirchenfresken bekannten Intonaco-Mischung, also mit Sumpfkalk und Marmormehl, die sie in einem besonderen Verhältnis zueinander anrührt und später mit Farbpigmenten anreichert.

(Foto: Claus Schunk)

Überhaupt lässt sich mit Käfer und Huber, die sich 2019 als Ausstellerinnen auf der ArtMuc kennenlernten, trefflich philosophieren. Die beiden können ganz offenbar miteinander, menschlich wie in der Kunst, scheinen sich sogar regelrecht voranzubringen in ihrem Schaffen. Wer der Abstraktion indes etwas provokant das Klischee der Inhaltsleere unterstellt, wird seine Sicht der Dinge vermutlich alsbald überdenken. Diese Frauen argumentieren klug: Anders als beim Realismus, wo das Auge viel aufnehmen und umsetzen müsse, biete die abstrakte Kunst dem Betrachter viel Raum zum Träumen, erläutert Katja Käfer, er könne sich voll und ganz hineinfallen lassen. In gewisser Weise sei das Abstrakte da wie eine Romanfigur, jeder kann es mit seinen ganz individuellen Vorstellungen und Assoziationen aufladen.

Doch auch wenn das Thema einer Arbeit eher ernst ist - ohne die volle Wucht der Farben geht es bei der Ottobrunnerin nicht. "Die letzte Fichte" lautet der Titel eines Bildes, in dem sich die Künstlerin mit dem Sterben dieser typischerweise sehr schnell ins Himmelhohe wachsenden Bäume auseinandersetzt. Die Monokultur, der Borkenkäfer und der Klimawandel setzten den Fichten zu, erläutert die Frau, die Holz ihr Element nennt. Mit Rot, Blau, Grün und ein wenig Schwarz hat sie einen Fichtenzauberwald geschaffen, ein Kunstwerk, das man nicht zu lange anblicken darf, sonst verliert man sich darin. Und so ist es am Ende Katja Käfer selbst, die mit ihrer fröhlich-herzlichen Art den Bezug zur Realität wieder herstellt: Sie habe zwei Äxte, sagt sie, als man schon fast draußen ist zur Tür. Weil so eine Axt ja auch mal geschliffen werden muss.

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