Luftreinigungsgeräte für Schulen:Kommunen unter Druck

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Die Grundschule in der Parksiedlung in Oberschleißheim hat mobile Luftreinigungsgeräte getestet. (Foto: Florian Peljak)

In Städten, Gemeinden und Kreis hat Söders Ankündigung, jedes Klassenzimmer mit Filteranlagen auszustatten, intensive Debatten ausgelöst. Es geht um viel Geld und viele offene Fragen.

Von Stefan Galler und Bernhard Lohr, Unterschleißheim/Haar

Der Druck ist immens. Nur noch neun Tage, dann kehrt an den Schulen Ruhe ein. Auch die Rathäuser und das Landratsamt stellen dann auf Ferienbetrieb um. Und bis dahin hätten Eltern gerne Gewissheit, wie es im Herbst an den Schulen weitergehen soll. Viele setzen nach der Ansage der Staatsregierung von Ende Juni darauf, dass die Kommunen Luftreinigungsgeräte anschaffen, damit trotz Corona geregelter Unterricht möglich wird. Mancherorts kommt es dieser Tage noch zum Schwur. Wie hart eine Zustimmung sein kann, zeigt sich etwa in Haar. Die Gemeindekasse ist leer, doch keiner im Gemeinderat mag sich nachsagen lassen, er wiege Geld gegen Gesundheit auf. Im Kreisausschuss ging es am Montag deshalb sogar regelrecht hoch her.

Die Schockwelle, die Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mit seiner Ankündigung ausgelöst hat, wirkt nach. Im Kreisausschuss in Unterschleißheim zeigten sich Grüne und SPD am Montag empört darüber, von der Staatsregierung im Regen stehen gelassen worden zu sein. Christoph Nadler (Grüne) sagte: "Der Beschluss der Staatsregierung ist populistisch. Wenn sie das angeordnet haben, dann sollen sie das auch bezahlen." Man sollte die Geräte anschaffen und die Kosten über das Konnexitätsprinzip vom Freistaat einfordern.

Die Eltern im Nacken

Haars Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU) fand im Bauausschuss des Gemeinderats letztens ruhigere, aber ebenso klare Worte. Was Söder ankündige, sei in der Kürze der Zeit nicht machbar. Den Schulen säßen "die Eltern im Nacken", sagte er. Nicht anders ist es bei Entscheidungsträgern in vielen Rathäusern. Haar hat bisher nur wenige Geräte angeschafft, für die beim ersten Förderprogramm Zuschüsse flossen, weil die Klassenräume nur schlecht oder nicht zu lüften sind. Jetzt soll die Technik überall zum Einsatz kommen.

Kathrin Tauber ist Elternbeiratsvorsitzende an der Grundschule Neubiberg. Sie könnte zufrieden sein. Denn an beiden Grundschulen in ihrer Gemeinde wurden Ende 2020 Luftreinigungsgeräte aufgestellt. Der Aerosolforscher Christian Kähler von der Bundeswehr-Universität in Neubiberg stand Pate. Tauber sagt, man habe an den Schulen gute Erfahrungen gemacht. Es habe dort keine Infektionen gegeben, bei zwei Fällen hätten Schüler das Virus mitgebracht; das sei schnell eingedämmt worden. Dennoch erlebt sie eine große Anspannung unter den Eltern. Denn trotz Raumluftreinigern hätten die Kinder nicht einen Tag mehr Präsenzunterricht gehabt. Appelle ans Kultusministerium hätten nichts gebracht. Die Schule sei je nach Inzidenz strikt den Regularien aller anderen Schulen unterworfen worden. Es störe sie "erheblich", dass in der Pandemie so kurzfristig und starr agiert werde, sagt Tauber. "Wir brauchen einen Plan."

Den suchen Bürgermeister wie Andreas Bukowski, die nur wenige Geräte in den Schulen stehen haben, verzweifelt. In Haar wird wegen Steuerausfällen aktuell hinter den Kulissen über Kürzungen von Vereinszuschüssen diskutiert. Nun sollen aus dem Stegreif 1,5 Millionen Euro für 480 Raumluftfiltern aufgebracht werden. 330 000 Euro im Jahr würden an Folgekosten erwartet. CSU-Fraktionschef Dietrich Keymer warnte seine Kollegen. So wie bisher, dass jeder Wunsch erfüllt werde, "funktioniert das in dieser Gemeinde nicht mehr, in diesem Land nicht mehr". Wie er abstimmen werde, ließ Keymer offen.

Überall wird intensiv diskutiert. Unterschleißheims Bürgermeister Christoph Böck (SPD) zeigte zuletzt grundsätzlich Bereitschaft, auch viel Geld in die Hand zu nehmen. Doch er kritisiert die Staatsregierung scharf für die unzureichende 50-Prozent-Förderung. Er warnt seit Wochen, dass viel Vorlauf notwendig sei. Bis Ende Oktober werde man bei der Vielzahl an Klassen- und Kita-Räumen grob die Kosten überblicken können und sehen, was machbar sei, sagte Böck jüngst. Bis Ende des Jahres werde man Zuschüsse beantragen können. Der Kreisausschuss einigte sich am Montag, einen erneuten Prüfauftrag zu erteilen, um herauszufinden, wie wirksam Raumluftfilter überhaupt sind. Landrat Christoph Göbel (CSU) sagte, zu Schuljahresbeginn werde es keine zusätzlichen Geräte an den weiterführenden Schulen geben, für die der Kreis zuständig sei. Dafür sei die Zeit zu knapp.

"Habt ihr schon bestellt?"

"Habt ihr schon bestellt?" Solche Fragen hört Höhenkirchen-Siegertsbrunns Bürgermeisterin Mindy Konwitschny (SPD) von Eltern. Dabei, sagt sie, habe die Staatsregierung erst vorige Woche geklärt, welche technischen Voraussetzungen die zu bestellenden Geräte haben müssten. Sie strebt am 29. Juli einen Grundsatzbeschluss an und rechnet im Gemeinderat mit intensiven Diskussionen, aber auch mit Zustimmung. Man werde zunächst nur einen Teil der benötigten Geräte anschaffen, um unter die kritische Summe für eine europaweite, langwierige Ausschreibung zu kommen.

Schulleiter Torsten Bergmühl an der Erich-Kästner-Schule in Höhenkirchen-Siegertsbrunn will nicht schwarzmalen. Er sieht, dass die Gemeinde tut, was sie kann. Einige Geräte habe die Gemeinde schon zu Testzwecken angeschafft. Aber die Erwartungshaltung der Eltern sei natürlich, dass für alle Räume Geräte angeschafft würden. Im Herbst werde die Debatte wieder kommen, ist der Rektor überzeugt. Die vierte Welle mit Corona-Infektionen hat Bergmühl gedanklich schon vor Augen, und er rechnet damit, "dass wir im Herbst wieder an altbekannten Fronten kämpfen werden".

Mancher befürchtet, dass der Gesundheitsschutz der Kinder von der finanziellen Lage der Kommunen abhängen wird. Hans Hofmann ist Elternbeiratsvorsitzender am Gymnasium in Garching, das relativ neu und mit einer fest installierten Raumlüftung ausgestattet ist. Er warte noch auf eine schriftliche Bestätigung, dass die Anlage die Kriterien erfüllt, die effektiver Virenschutz erfordert. Hofmann vermisst dennoch wie seine Kollegin Tauber in Neubiberg einen Plan der Staatsregierung. Corona-Schutz nach Kassenlage, sagt er, sei "total unsozial".

© SZ vom 20.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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