Süddeutsche Zeitung

Literatur:Ideen unterm Apfelbaum

Karin Biela liebt Natur und Bücher: In Haar stellt sie jetzt ihren Verlag vor - mit der Anthologie "Frauen schreiben wundervoll"

Von Franziska Gerlach, Haar

Unter ihrem Apfelbaum, in ihrem kleinen Schrebergarten am Dornacher Weg, kommen Karin Biela nicht nur gute Gedanken. Im Schatten seines Blätterdachs sitzt die Verlegerin auch, wenn sie Manuskripte durchgeht. Und das müssen in letzter Zeit einige Seiten gewesen sein, denn bei ihrer Anthologie "Frauen schreiben wundervoll" wollten immerhin an die 400 Autorinnen mitmachen. Zu viel für ein Buch. Also teilt Biela die eingesandten Texte einfach auf drei Bände auf.

Ein Blick zurück: Es sind die Tage vor dem Internationalen Weltfrauentag im März 2017, und in der Facebook-Timeline trudelten bereits die ersten Meldungen ein, wie klasse das weibliche Geschlecht doch sei. Da kam Biela, 58 Jahre alt, eine Idee für ihren neu gegründeten Apollon Tempel Verlag, den sie an diesem Donnerstag mit einer Lesung im Kleinen Theater Haar vorstellen wird. Just am Weltfrauentag rief sie über das soziale Netzwerk dazu auf, ihr Texte zu schicken. Und formulierte nur eine einzige Vorgabe: Frauen müssen über das schreiben, was Frauen bewegt. Und das taten sie: Aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien und selbst aus der Türkei erhält die Inhaberin des kleinen Verlages Einsendungen, von Frauen im Alter von 15 bis 87 Jahren, manche sind Hobbyautoren, andere schon durchaus arriviert. "Ich wollte auch jungen Autorinnen eine Chance geben, die bislang noch nichts veröffentlicht haben", sagt Biela am Verandatisch ihres Schrebergartens. Wenn die Geschichte denn gut sei.

Biela betreibt ihren kleinen Verlag von ihrer Zwei-Zimmer-Wohnung in Trudering aus, doch langsam wird es dort eng mit den vielen Büchern. Sie ist eine Quereinsteigerin in der Branche. Trotzdem - vielleicht auch gerade deshalb - weiß sie, wie schwierig es ist, als unbekannter Autor einen Verlag zu finden. Aufgewachsen in Westfalen hat Biela Bürokauffrau gelernt, später wechselte sie in die Altenpflege, ließ sich zur Krankenpflegehelferin, später zur Hospizbegleiterin ausbilden. 2011 gründet sie gemeinsam mit ihrer Frau Barbara Buchner in München "Chiron Care", einen privaten Betreuungsdienst für Senioren. Als Dozentin schult sie für das Deutsche Erwachsen-Bildungswerk (DEB) angehende Demenzbetreuer. Und heute, an diesem warmen Sommertag, blickt sie als Verlegerin mit einem Faible für besondere "Kraftorte", wie sie das nennt, und die Gedichte von Annette von Droste-Hülshoff kurz zu ihrem Apfelbaum hinüber, als sei dieser ein Komplize bei der Suche nach ansprechender Literatur. Eine gute Geschichte sei eben eine, die sie gerne lese. Das hänge nicht so sehr mit einem bestimmten Genre zusammen, aber der Text müsse sie ansprechen. Lyrik und Prosa erreichen die Wahlmünchnerin auf ihren Facebook-Aufruf hin, manche Autorin steuert sogar Illustrationen bei, die ihr zugesandten Texte muss Biela freilich erst sichten und sortieren. "Reisen in die Vergangenheit", "Märchen und Fantastisches" sowie "Natur und Landschaften", so ließen sich die Bände ihrer Anthologie überschreiben.

"Es sind mitunter traurige, aber auch ganz lustige Geschichten", sagt Biela. Um vertane Chancen im Leben geht es, etwa, wenn man im Urlaub unverhofft der Jugendliebe begegnet. Sehnsüchte und Hoffnungen arbeiten die Autorinnen auf, aber auch mit dem Tod setzen sich manche auseinander. Vor Biela auf dem Tisch liegt ein Stapel Bücher, sie nimmt den ersten Band ihrer Anthologie zur Hand, ein Buch mit senfgelbem Karton und Lesebändchen, das Cover zeigt ein Ölgemälde einer jungen Dame aus dem 19. Jahrhundert. Daneben liegt jenes Buch, mit dem vor drei Jahren alles angefangen hat: "Bohnerwachs und Kaffeeduft", eine von Biela selbst entwickeltes Lese-Foto-Arbeitsbuch für Menschen, die Senioren mit Demenz begleiten. Und nachdem Biela selbst einige Kurzgeschichten veröffentlicht hatte, formte sich in ihr die Idee von einem eigenen Verlag, gestaltet nach ihren eigenen Vorstellungen. Ihr Programm beinhaltet neben ihrer Frauen-Anthologie etwa "Max Mustermann und Lieschen Müller", einen Gedichtzyklus aus der Feder von Franziska Bauer, einer ehemaligen Oberstudienrätin aus Österreich. Oder aber Bielas Buch mit ihren naturnahen Gedichten und Kurzgeschichten, zu denen eine gewisse Brigitta Blome aus Hannover Illustrationen gefertigt hat.

Der Mensch und die Natur, das ist Bielas Welt. Und während man sich durch das hübsche Büchlein blättert, vorbei an Stiefmütterchen und Blaumeisen, versteht man schließlich eines: Diese Frau hat nicht nur das Erbe ihres Schwiegervaters, sondern auch viel Herzblut in den Verlag gesteckt. Wäre natürlich schön, wenn dieser sich bald von alleine tragen würde. Reich werden wolle sie damit aber nicht, vielmehr anderen etwas geben. "Und wenn mir das gelingt, dann habe ich irgendwann so oder so Erfolg."

Lesung am Donnerstag, 26. Juli, Beginn 19 Uhr, im Café des Kleinen Theaters Haar: Andrea Kenkmann und Christa Reusch lesen aus "Frauen schreiben wundervoll", Franziska Bauer aus "Max Mustermann und Lieschen Müller". Der Eintritt ist frei.

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Quelle:
SZ vom 26.07.2018
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