Lise-Meitner-Gymnasium:Unterricht mit dem Kochlöffel

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Lehrerin Ursula Honisch hat ihre Schüler kulinarisch in die Vergangenheit geführt. Es war lehrreich - und geschmeckt hat es auch noch. (Foto: Claus Schunk)

Geschichte schmackhaft gemacht: Unterhachinger Schüler lernen über das Essen viel über vergangene Zeiten

Von Anna-Maria Salmen, Unterhaching

Geschichte zählt bei vielen Schülern nicht gerade zu den Lieblingsfächern. Oft müssen trockene Fakten auswendig gelernt werden, doch wie das tägliche Leben der Menschen in längst vergangenen Zeiten aussah, dazu bekommen die Schüler meist nur wenig Bezug. Lehrerin Ursula Honisch hat jedoch einen anschaulichen Weg gefunden, ihren Schülern die deutsche Geschichte zu vermitteln. Im P-Seminar "100 Jahre Esskultur" am Lise-Meitner-Gymnasium in Unterhaching haben sie ein Kochbuch erstellt, in dem sie charakteristische Rezepte aus vergangenen Jahrzehnten präsentieren, angefangen in den 1920er-Jahren. Für jeden Zeitabschnitt haben die Zwölftklässler historische Hintergründe recherchiert und dabei festgestellt, wie eng Geschichte und Esskultur miteinander verknüpft sind.

So hatten die Menschen in den vom Krieg geprägten 1940er-Jahren wenig Zeit, um über ihre Ernährung nachzudenken und verwendeten die Lebensmittel, die gerade zur Hand waren. In den Fünfzigerjahren hingegen kam es zu einem wirtschaftlichen Aufschwung, der reichhaltigere Speisen ermöglichte. Auch die Teilung Deutschlands wirkte sich auf die Esskultur aus, durch Versorgungsengpässe war in der DDR häufig Einfallsreichtum gefragt. Ausländische und exotische Gerichte wie Chili con Carne oder Tiramisu haben sich schließlich durch die Globalisierung auch in den deutschen Küchen verbreitet. Und in Zeiten der sozialen Netzwerke muss das Essen nicht mehr nur schmecken, sondern auch auf Bildern schön aussehen, um im Internet präsentiert zu werden.

Zudem kam der Trend der "Superfoods" aus den USA nach Deutschland, dabei werden Lebensmittel verwendet, die besonders viele Nährstoffe enthalten sollen.

In kleinen Gruppen haben sich die Schüler mit den verschiedenen Jahrzehnten beschäftigt. Viele haben alte Familienrezepte von Eltern oder Großeltern nachgekocht und Gespräche mit Verwandten geführt, um zu erfahren, wie der Alltag der Menschen früher ausgesehen hat. Liese Hartmann hat beispielsweise ein Interview mit ihrer 96-jährigen Tante geführt und dabei viel über das Leben in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg gelernt. "Heute ist alles immer verfügbar, da kann man sich nicht mehr vorstellen, wie es ist, eine Woche lang nur Kartoffelsuppe zu essen", sagt die Schülerin. Einen persönlichen Bezug zur Geschichte der DDR hat Sophie Puritscher, die sich mit den Achtzigerjahren beschäftigte. Ihre Mutter ist im Osten aufgewachsen. "Ich kenne daher viele Rezepte schon, die wir im Buch präsentieren." Es sei sehr interessant gewesen, sich genauer mit der Geschichte auseinanderzusetzen, "denn meine Mutter hat mir vom wirklichen Leben in der DDR erzählt". Niklas Sagner war nach eigenen Aussagen bislang kein "unglaublicher Koch", doch das Seminar habe ihm Spaß gemacht, sagt der Schüler. Er habe sich für die Neunzigerjahre entschieden, weil er selbst gerne exotischere Gerichte esse. "In Zukunft werde ich vielleicht auch öfter selbst kochen", meint der 17-Jährige.

Bei einem kulinarischen Abend im Gymnasium haben die Schüler das Ergebnis ihrer Arbeit vorgestellt. Sie hielten Vorträge über die Geschichte der einzelnen Jahrzehnte, kochten einige Rezepte aus ihrem Buch nach und boten den Gästen Häppchen an. Bereits zwei Tage im Voraus hatten sie mit den Vorbereitungen der Gerichte begonnen und dabei festgestellt, wie schwierig es ist, für mehr als 100 Menschen zu kochen. "Es sind mehr Gäste gekommen, als erwartet", meint Sophie, "aber es ist schön, wenn das Kochbuch gut ankommt." Auch Lehrerin Ursula Honisch ist zufrieden: "Ich habe selbst hohe Ansprüche, aber meine Schüler waren mindestens genauso ehrgeizig." Ab und zu habe sie zwar "Angst vor der eigenen Courage" bekommen, doch am Ende sei alles gut gelaufen. "Die Schüler haben meine Idee brillant umgesetzt."

© SZ vom 22.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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