Zwei Knautschbälle hochwerfen, mal parallel, dann überkreuzt und wieder parallel. Bei ungeraden Zahlen mit der linken Hand auffangen, bei geraden mit der rechten Hand. Ein Schritt nach rechts beim Kommando "Sonne", ein Schritt nach links beim Kommando "Mond". Und nun alles noch einmal, aber diesmal ist nur ein Auge geöffnet. Immer wieder purzeln die Bälle im Tanzsaal der Unterföhringer Volkshochschule auf den Boden. Doch Trainerin Annette Singer bleibt gelassen. Denn es geht hier nicht um Perfektion, sondern darum, das Gehirn auf Trab zu halten. Hauptsache es wird nicht langweilig.
Klingt kompliziert? Das soll es auch sein. Life Kinetik zielt darauf ab, die Gehirnentfaltung zu fördern. Dafür verbindet das Training Wahrnehmungsaufgaben mit anspruchsvollen kognitiven Herausforderungen und ungewöhnlichen Bewegungen, um eine verbesserte Vernetzung der Gehirnareale zu erreichen. Das Training setzt dabei - im Gegensatz zu klassischen Sportarten - nicht auf eine langwierige Automatisierung durch ständiges Üben, sondern auf einen Wechsel der Aufgaben oder eine Steigerung, sobald etwa die Hälfte der Versuche erfolgreich sind. "Mir tut besonders gut, dass man hier keinen Perfektionismus an den Tag legen muss. Es reicht die Konzentration und der Wille, es richtig machen zu wollen", sagt Singer.
Auch Hören, Tasten und Sehen werden einbezogen, um Gehirnregionen zu aktivieren, die nur mit Bewegungen nicht zu erreichen sind. Der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt: "Wir integrieren Aufgaben mit Hauptstädten, Ländern oder Fußballvereinen und variieren die Kombinationen in jedem Training, damit keine Routine im Gehirn entsteht", erläutert Singer mit einem Schmunzeln. Sie weiß nur allzu gut, wie herausfordernd und unterhaltsam es sein kann, wenn gut eingeübte Bewegungsabläufe durch neue Kommandos wieder völlig durcheinandergebracht werden: "In manchen Kursen habe ich schon Tränen gelacht. Oft entstehen die komischsten Situationen."
Das Training ähnelt einem Workout fürs Gehirn. Studien belegen, dass schon eine Stunde Life Kinetik pro Woche erstaunliche Effekte haben kann: gesteigerte Konzentrationsfähigkeit, erhöhte Stressresistenz sowie verbesserte Koordination, Reaktions- und Leistungsfähigkeiten. "Viele Teilnehmer berichten mir, dass sie durch Life Kinetik zu besseren Problemlösern geworden sind - sowohl auf der Arbeit als auch im Alltag", fügt Singer hinzu. Auch auf das Selbstbewusstsein habe der Sport einen positiven Effekt.
"Früher hätte ich jemandem einen Vogel gezeigt, wenn er mir gesagt hätte, ich solle beim Sport eine Augenklappe tragen"
Kursteilnehmer Antony Wilbert ist begeistert: "Früher hätte ich jemandem einen Vogel gezeigt, wenn er mir gesagt hätte, ich solle beim Sport eine Augenklappe tragen." Doch schnell wurde ihm klar: Gerade Menschen mit körperlichen Vorbelastungen, bringe Life Kinetik im Alltag viele Vorteile.
"Das Tolle an Life Kinetik ist, dass es für jeden etwas ist. Ob Leistungssportler, Rentner oder Schulkind", ergänzt Singer. Besonders im Leistungssport gewinne das unkonventionelle Bewegungstraining zunehmend an Beliebtheit. Doch auch für junge Menschen sehe sie viel Potenzial: "Es wäre super, wenn Life Kinetik in den Lehrplan integriert werden könnte", fügt sie hinzu. Schließlich trainiere der Sport das Gehirn auf spielerische Weise, wobei der Spaßfaktor immer im Vordergrund stehe.
Im Frühling ist die beste Zeit, um etwas für die eigene Fitness zu tun. Die SZ im Landkreis München stellt deshalb in einer Serie Sportangebote vor - zum Mitmachen oder zur Nachahmung.