Süddeutsche Zeitung

Liberale vor den Kommunalwahlen:Geräuschvoller Generationswechsel

Bei der Nominierung der FDP-Kreistagsliste setzen sich junge Kandidaten gegen Mandatsträger durch.

Von Michael Morosow, Kirchheim

Jubel bei den Jungen Liberalen, Katzenjammer bei durchgefallenen Kandidaten, Protest beim FDP-Ortsverband Planegg: Die Reaktionen auf die Listenaufstellung des FDP-Kreisverbandes München-Land am Sonntag in Kirchheim hätten nicht unterschiedlicher sein können.

Hatte sich die Versammlung bei der Wahl des Spitzenkandidaten recht schnell und unaufgeregt auf den Grünwalder Versicherungsmakler Michael Ritz geeinigt, gab es bei den weiteren Plätzen spannende Kampfabstimmungen mit teils überraschenden Ausgängen. So fielen Platz zwei (Katharina Diem, Kirchheim) und Platz fünf (Sam Batat, Taufkirchen) an die Julis, während die beiden Kreisräte Axel Keller (Ottobrunn) und Jörg Scholler (Gräfelfing) mit den Plätzen sechs und sieben vorlieb nehmen müssen und die Kreisrätin Sandra Wagner gar bis Platz zwölf durchgereicht worden ist. Bei der Kreistagswahl 2014 errangen die Liberalen vier Mandate.

Er sei schon ein "bisschen enttäuscht", sagte Keller, der wie sein Kreistagskollege Scholler für den vierten Listenplatz kandidiert hatte, aber erst auf dem siebten Platz landete; Scholler wurde auf den sechsten gewählt. Platz vier sicherte sich stattdessen der Unterhachinger Florian Riegel, der sich nicht nur gegen die beiden Kreisräte durchsetzen konnten, sondern am Ende in der Stichwahl auch noch Ursula Gresser (Sauerlach) bezwang. Während Riegel von einem "grunddemokratischen Wahlgang ohne vorher formulierte Strategie" spricht, hält Keller mit einer ganz anderen Vermutung nicht hinter dem Berg: "Das war vorher abgekartet, und die Julis waren das Zünglein an der Waage", sagte der vor einem Jahr für Jimmy Schulz in den Kreistag nachgerückte Keller. Enttäuscht sei er jetzt schon.

Scholler wollte sogar ganz verzichten

Mit seinem Ergebnis nicht zufrieden ist auch Scholler, aber er findet den Erfolg der Julis und auch das Einsetzen eines Strukturwandels in Ordnung. Die Jungliberalen seien eine eingeschworene Gruppierung mit großem Einfluss innerhalb der Partei, "und man muss zur Kenntnis nehmen, dass sie Ergebnisse kippen können", sagt der Kreisrat aus Gräfelfing. Bei seiner Bewerbung um den dritten Listenplatz war Scholler dem Unterschleißheimer Stadtrat Martin Riederle unterlegen, und nachdem er mit seiner Kandidatur um den vierten Platz an Riegel scheiterte, wollte er nach eigenen Worten nicht weiter kandidieren. Dann aber sei der erst 21 Jahre alte und auf Platz fünf gewählte Sam Batat auf ihn zugestürmt, habe ihm die Unterstützung der Julis zugesichert und ihn noch umgestimmt.

Regelrecht abgestürzt ist Kreisrätin Sandra Wagner aus Kirchheim beim Wahlgang im Kirchheimer Merowinger Hof. Für den Listenplatz drei hatte sie ihre Kandidatur abgegeben, am Ende wurde sie bis auf Platz zwölf durchgereicht. "Wenn sie glauben, sie könnten das alleine, dann sollen sie", sagte Wagner ein wenig trotzig. "Der erste Kandidat mit Erfahrung ist auf Platz sechs, die ersten fünf haben keinerlei Erfahrung mit Kreistagsthemen." Sie habe sich deshalb von der Liste streichen lassen. Nicht nur sie: Aus Enttäuschung darüber, dass er für die ersten zehn Plätze nicht berücksichtigt wurde, verzichtete der Planegger Gemeinderat Fritz Haugg auf weitere Kandidaturen und ließ sich von der 70 Kandidaten umfassende Liste streichen - und mit ihm vier weitere Freidemokraten aus Planegg. Dieses Vorgehen fanden nach Darstellung von Florian Riegel die meisten sehr schade.

Derweilen ist der Parteinachwuchs in Feierlaune: In einer Pressemitteilung der Julis München-Land wird die auf Listenplatz zwei gewählte Katharina Diem mit den Worten zitiert: "Die Freien Demokraen haben sich heute aktiv dafür entschieden, zwei junge Menschen auf aussichtsreiche Plätze zu wählen. Damit zeigt die Landkreis-FDP, dass die Belange der jungen Generation bei den Liberalen zu Hause sind."

Die ersten zehn Listenplätze: 1. Michael Ritz, 58, Versicherungsmakler, Grünwald; 2. Katharina Diem, 31, Ingenieurin, Kirchheim; 3. Manfred Riederle, 59, Verwaltungsjurist, Unterschleißheim; 4. Florian Riegel, 38, Kommunikationsmanager, Unterhaching; 5. Sam Batat, 21, Büroleiter, Taufkirchen; 6. Jörg Scholler, 75, Diplom-Kaufmann, Gräfelfing; 7. Axel Keller, 60, Informatiker, Ottobrunn; 8. Maike Vatheuer-Seele, 47, Angestellte, Taufkirchen; 9. Alexander Betz, 37, Rechtsanwalt, Pullach; 10. Thomas Jännert, 42, Dipl.-Wirtschaftsingenieur, Kirchheim.

In einer früheren Fassung hieß es über Sandra Wagner, sie habe nur auf Platz 3 oder 4 kandidieren wollen. Dieser Darstellung widerspricht Sandra Wagner.

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SZ vom 17.09.2019/belo
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