Lenggries/Sauerlach:Bis zuletzt auf der Suche nach Jeff Freiheit

Peter Huck aus Sauerlach hält wochenlang mit anderen Freiwilligen nach einem am Brauneck tödlich verunglückten Kanadier Ausschau - Polizei und Bergwacht haben da schon lange aufgegeben

Von Benjamin Engel, Lenggries/Sauerlach

Aus Ängsten und Hoffnungen ist für Angehörige und Helfer am Samstag bittere Gewissheit geworden: Jeff Freiheit ist tot. Der 32-jährige Kanadier war seit mehr als drei Wochen am Brauneck vermisst. Am Samstagmittag entdeckte eine Gruppe von Freiwilligen den Leichnam eines jungen Mannes am südlichen Fuß von Latschenkopf und erstem Achselkopf im Gestrüpp. Die Identität muss nun zwar noch die Rechtsmedizin bestätigen, doch der Reisepass im Rucksack ist der des Vermissten. Nachdem Polizei und Bergwacht die offizielle Vermisstensuche vor einer knappen Woche unterbrochen hatten, durchkämmten Privatleute das Gebiet weiter.

Einer von ihnen ist Peter Huck aus Sauerlach. Der 51-jährige Elektrotechniker Huck gehört zu den Freiwilligen, die in ihrer Freizeit das Gebiet auf eigene Faust absuchten und sich über die Facebook-Gruppe "Volunteers searching for Jeff Freiheit" austauschten. Die Seite mit mehr als 400 Mitgliedern hatte die Familie des Vermissten aufgebaut.

Warum fängt jemand einfach so an, nach einem ihm völlig Unbekannten zu suchen? Bei großen weltpolitischen Themen fühlt sich Huck machtlos, wie er schildert. "Hier ist ein Notfall direkt vor meiner Haustür und in einem Gebiet, in dem ich mich auskenne", sagt er. Im Gebiet um die Benediktenwand sei er schon oft gewandert. In diesem Fall könne er aktiv helfen. "Ich denke mir, wie schlimm es für die Familie ist und wie leicht für mich", schildert er. In den Bergen sei er in seiner Freizeit ohnehin unterwegs.

Vermisstensuche nach Jeff Freiheit

Nach vier Wochen haben freiwillige Helfer den vermissten Kanadier gefunden. Er ist wohl eine steile Felswand herabgestürzt.

(Foto: Benjamin Engel)

Auf der Timeline seiner Facebookseite hatte Huck vor zwei Wochen die Vermisstenanzeige von Jeff Freiheit gesehen. Seitdem war er an fünf Tagen im Gebiet zwischen Brauneck und dem Karwendel bei Vorderriß unterwegs. Rund 150 Kilometer ist er gewandert. Er hat Flyer mit der Vermisstenanzeige an Bushäuschen gepinnt, mit vielen Almwirten gesprochen. Doch alles blieb ergebnislos. Wie ein Wanderer in einer so beliebten Tourismusregion so lange verschwunden bleiben kann, ist für ihn ein "Mysterium". "Die Benediktenwand ist ein echter Hot Spot", wundert sich Huck.

Fest steht, dass der tödlich verunglückte Wanderer auf dem "Traumpfad" - einem der immer beliebteren Fernwanderwege - von München bis nach Venedig kommen wollte. Der Kanadier war alpin erfahren. Er soll schon den knapp 5900 Meter hohen Kilimandscharo im afrikanischen Tansania bestiegen haben. Am 2. August war Jeff Freiheit von Lenggries auf das Brauneck gestiegen. Vor dem Panoramarestaurant bei der Bergbahn-Gipfelstation hat er ein Selfie gemacht. Das Foto sendete er an seine Ehefrau. Dann verliert sich seine Spur. In der Tutzinger Hütte bei der Benediktenwand wollte er übernachten. Angekommen ist er nicht.

Suche nach dem am Brauneck verschollenen Jeff Freiheit

"Hier ist ein Notfall direkt vor meiner Haustür und in einem Gebiet, in dem ich mich auskenne." Mit diesen Worten begründet Peter Huck aus Sauerlach seinen selbstlosen Einsatz.

(Foto: Benjamin Engel)

Weit mehr als hundert Einsatzkräfte von Polizei und Bergwacht waren im Einsatz. Hubschrauber stiegen auf. Drohnenkameras filmten das Gebiet aus der Luft. Die Hundestaffel Oberland war beteiligt.

Gefunden hat den Vermissten am Ende eine Gruppe von zwölf Freiwilligen, die am Samstag frühmorgens aufgebrochen waren. Auf rund 1400 Höhenmetern südlich der Benediktenwand stieß die Gruppe um 11.36 Uhr auf Schuhe sowie einen Rucksack und schließlich auf den im Gestrüpp liegenden Leichnam. Wie Wildnisführerin Susanne Williams, die die Suche koordinierte, schildert, habe die Gruppe sofort die Rettungskräfte verständigt. Der Kanadier muss vom Pfad über eine 60 bis 100 Meter hohe Felswand abgestürzt sein. Die Vermisstensuche sei nur dank der vielen Unterstützer wie Peter Huck möglich gewesen, sagt Williams, die in Großbritannien Klettern und Bergsteigen lernte und seit acht Jahren in der Jachenau lebt. Bis Samstag hatten sich 505 Personen in der Gruppe "Volunteers searching for Jeff Freiheit" registriert. Mehr als hundert Mitglieder von Bergwacht und Polizei, Hubschrauber, Drohnen und Suchhunde waren zuvor erfolglos geblieben. Wie das möglich ist, erklärt Christoph Brenninger, Bereitschaftsleiter der Lenggrieser Bergwacht, mit dem weitläufigen, von Latschen und Schluchten durchzogenen Gebiet. Falle ein Mensch unter Gestrüpp, sei er ohne deutliche Hinweise kaum noch auszumachen. Im konkreten Fall sei problematisch, dass die örtlichen Einsatzkräfte erst rund zehn Tage nach dem Verschwinden des Kanadiers eingeschaltet worden seien. Je mehr Tage vergingen, desto schwerer falle es Hunden, einen Vermissten aufzuspüren, besonders bei dem heißen Wetter der vergangenen Wochen. Stehe der Wind ungünstig, könnten die Hunde einen Vermissten manchmal selbst aus relativ großer Nähe nicht aufspüren, berichtet Brenninger.

Die Mutter und ein ebenfalls angereister Freund von Jeff Freiheit hatten sich an der Suche der Freiwilligen an diesem letzten Tag ebenfalls beteiligt. Wildnisführerin Susanne Williams berichtet, dass die Mutter den Fund der Leiche ihres Sohnes sehr gefasst aufgenommen habe. "Sie war erleichtert, dass es vorbei ist." Dass sie bei der Bergung gewesen sei, erleichtere es womöglich sogar, den eigenen Seelenfrieden zu finden.

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