Süddeutsche Zeitung

Bildung:Der ganz normale Wahnsinn

Nach Corona-Pandemie und Grippe-Welle müssen sich die Schulen mit Lehrermangel, Brückenklassen und den Folgen der Rückkehr zum G 9 herumschlagen.

Von Daniela Bode und Irmengard Gnau, Ismaning/Taufkirchen

Die Wochen vor den Weihnachtsferien hatten vielen Schulen stark zugesetzt. Zum Teil war der Unterricht kaum zu stemmen, weil so viele Lehrerinnen und Lehrer mit Grippe oder anderen Erkrankungen ausfielen. "Vor Weihnachten war es der Wahnsinn", sagt Markus Martini, Leiter des Gymnasiums in Ismaning, rückblickend. Diese Virenwelle scheint im neuen Jahr erst einmal abgeebbt zu sein, zur Erleichterung der Schulleiter im Landkreis München. Trotzdem haben die Schulen weiterhin eine Menge Herausforderungen vor sich. Eine gute Nachricht gibt es zumindest: Corona ist derzeit kaum noch ein Thema.

In der Vorweihnachtszeit hatten vor allem Grippe- und andere Viren Lehrkräfte wie auch Schülerinnen und Schüler außer Gefecht gesetzt. Das hat sich über die Ferien gebessert. "Momentan hält es sich in Grenzen", sagt Gabriele Frohberg-Hintzen, die die Realschule in Aschheim leitet. Doch die Schulen spüren beständig den Personalmangel, den nicht nur der Lehrerinnen- und Lehrerverband in Bayern kritisiert. "Den regulären Unterricht können wir bislang abdecken - toi, toi, toi", sagt der Ismaninger Schulleiter Martini; doch das ein oder andere Förderprogramm, etwa bei den Intensivierungsstunden, die mit dem G 8 an Gymnasien eingeführt wurden, musste das Ismaninger Gymnasium zurückfahren. Gleichwohl gibt sich Martini optimistisch: "Wir versuchen, alle Herausforderungen zu meistern."

"Bei uns ist der Krankenstand aktuell glücklicherweise nicht sehr hoch", sagt auch Beate Brenner, die kommissarische Leiterin der Mittelschule Taufkirchen. "Das würde zur Katastrophe führen." Zur Katastrophe deshalb, weil es keine mobilen Reserven mehr gibt, die Ausfälle auffangen könnten. An der Taufkirchner Mittelschule behilft man sich in solchen Fällen, indem manche Lehrer die eine oder andere Stunde mehr arbeiten oder Klassen aufgeteilt werden, wenn der Lehrer krank ist. Unterricht ausfallen zu lassen, ist keine Option, gerade nicht im gebundenen Ganztag, wie Brenner sagt, wo Eltern sich darauf verlassen können müssten, dass die Kinder bis zu einer bestimmten Zeit betreut werden. "Es geht immer irgendwie, wenn es gehen muss", sagt die Taufkirchner Rektorin.

Auch in Sachen Lehrermangel klingt Brenner nicht verzweifelt. Klar, den hätten sie auch. Doch das Schulamt lasse die Schulleitungen nicht hängen, meint sie. So habe man auf den Mangel reagiert, indem die Klassen vergrößert wurden. "Der Teiler war früher bei 24, jetzt ist er bei 30", sagt sie. Das heißt: Erst wenn mehr als 30 Kinder in eine Klasse kämen, wird eine zweite Klasse gebildet. Außerdem setzt die Rektorin auf ihr Team: "Wir haben ein tolles Kollegium und es funktioniert, indem wir zusammenhelfen."

Der aktuelle Abiturjahrgang hat am meisten Präsenzunterricht verloren

Eine Herausforderung sieht Brenner eher bei den Brückenklassen, in denen aus der Ukraine geflüchtete Schüler unterrichtet werden. An ihrer Schule gibt es zwei, eine für die Jahrgangsstufe fünf und sechs, eine andere für die siebte bis neunte Jahrgangsstufe. Weil die Kinder als Pflichtschüler geführt werden, muss die Schule jeden Tag deren Anwesenheit kontrollieren. Doch wenn deren Eltern kein Deutsch sprechen, seien Rückfragen schwierig.

Eine der größten Aufgaben für dieses Jahr sieht Direktor Armin Eifertinger vom Werner-Heisenberg-Gymnasium in Garching darin, den aktuellen Abiturjahrgang gut auf die Prüfungen vorzubereiten. "Die Abiturientinnen und Abiturienten heuer gehören zu den Schülern, die wegen Corona am längsten weg waren aus dem Präsenzunterricht", gibt Eifertinger zu bedenken. Nachwirkungen der Pandemie seien durchaus noch zu spüren. Im 2015 eröffneten Gymnasium Ismaning werden diesen Sommer zum ersten Mal Abiturienten entlassen - eine besondere Situation, auf die Schulleiter Martini mit Vorfreude blickt. Die Rückumstellung von G 8 auf G 9 bringe allerdings viel organisatorische und inhaltliche Arbeit für die Gymnasien mit sich.

Und noch etwas fordert mancher Schulleiter: Mehreren Schulen im Landkreis stehen Bauarbeiten bevor. Für die Erweiterung der Aschheimer Realschule samt neuem Schulcampus etwa ist der erste Spatenstich bereits gesetzt; auf der Baustelle dürfte vom Frühjahr an gearbeitet werden. Das Ismaninger Gymnasium muss fünf Jahre nach seiner Eröffnung bereits den Anbau planen: Wegen der Wiedereinführung des G 9 und des großen Andrangs benötigt die Schule mehr Räume. Und die Mittelschule Taufkirchen soll in absehbarer Zukunft sogar komplett abgerissen und neu gebaut werden. Ruhe kehrt an den Schulen also auch 2023 nicht ein.

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