Lebensgefährlicher Alkoholwert:Warum ein Mann mit 5,24 Promille noch lebt

Alkohol

Je mehr Alkohol der Körper über einen langen Zeitraum bekommt, umso mehr kann er auch verarbeiten.

(Foto: dpa)
  • Die Polizei hat in einer Wohnung in Haar einen Mann mit 5,24 Promille angetroffen.
  • Der Mann zeigte keinerlei Anzeichen eines Rausches.
  • Suchtexperte Vitali Livak sagt, dass der Körper sich auf immer größere Mengen Alkohol einstellen kann.

Von Markus Mayr, Haar

Der Mann hielt sich noch auf den Beinen, ohne zu schwanken. Seine Zunge lag ihm nicht schwer im Mund. Er sprach, als hätte er nur Tee getrunken. Ohne Schuss wohlgemerkt. Doch der Haarer, den die Polizei am Samstagabend in einer Wohnung antraf, war definitiv nicht nüchtern: Der 38-Jährige hatte laut Polizisten 5,24 Promille Alkohol.

Das sogenannte Pusten, um den Alkoholgehalt im Atem festzustellen, gilt als nicht sonderlich genau. Doch Genauigkeit hin oder her: Ein weniger geübter Trinker hätte ein solches Gelage wohl nicht überlebt. Schon mehr als drei Promille Alkohol im Blut können tödlich sein. Der Mann aus Haar muss sich über die Jahre eine massive Toleranz gegenüber Alkohol zugelegt haben, sonst hätte er zumindest einen gewaltigen Rausch gehabt.

Der schwere Rausch kommt deutlich später

Der Oberarzt des Kompetenzzentrums Sucht des Isar-Amper-Klinikums München-Ost weiß von Amts wegen Bescheid über den Konsum von Alkohol und wie er auf Menschen wirkt. Vitali Livak sagt, dass jemand, der bisweilen ein paar Gläschen Wein oder einige Halbe Bier trinkt, bei spätestens 2,5 Promille einen "schweren Rausch" habe. Dieser sei begleitet von "Bewusstseinsstörungen" und "Desorientiertheit", so der Mediziner.

Während der leichte Rausch von denen, die ihn erleben, oft als positiv enthemmend beschrieben wird, endet der schwere Rausch für Menschen mit nicht-krankhaftem Trinkverhalten meist im Erbrechen. Nicht so bei starken Trinkern und Alkoholkranken. Bei diesen Menschen setze der schwere Rauschzustand erst "wesentlich später" ein, sagt Livak, erst bei 3,5 Promille und darüber. So könne es eben passieren, dass jemand keine rauschtypischen Symptome zeige, obwohl er mehr Alkohol getrunken hat, als andere überleben.

Der Arzt erzählt, er habe Patienten erlebt, die mit mehr als drei Promille mit dem Auto zu ihm in die Haarer Klinik fuhren, rückwärts einparkten, um im Warteraum in aller Seelenruhe Zeitung zu lesen. Keine Spur von Rausch, von körperlichen Ausfällen ganz zu schweigen. Um scheinbar unversehrt und problemlos mit solch einer hohen Menge Alkohol im Blut durch den Tag zu kommen, muss man täglich literweise trinken. Kontinuierlich, über Jahre hinweg. "Je höherprozentig der Alkohol ist, der getrunken wird, desto leichter werden solch hohe Promillezahlen erreicht", sagt der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. "Doch auch wer jeden Tag sechs bis acht Halbe Bier trinkt", stelle seinen Stoffwechsel auf enorme Mengen Alkohol ein.

Je mehr der Mensch trinkt, umso mehr kann er vertragen

Zu einem kleinen Teil sei es genetisch vorbestimmt, wie gut ein Mensch den Alkohol vertrage, so Livak. Die Enzyme jedoch, die den Abbau des Nervengifts in Magen und Leber besorgen, stellen sich auf die Auftragslage ein: je mehr sie zu tun bekommen, desto schneller arbeiten sie. Während der Durchschnittskörper etwa 0,1 Promille Blutalkohol in der Stunde abbaue, so der Mediziner, verarbeiteten Alkoholikerkörper 0,2 bis 0,4 Promille stündlich. Was nicht gesund ist.

Wenn "die Leber ständig auf Hochtouren läuft", so Livak, sei die Gefahr groß, dass sich eine krankhafte Menge Fett in die Leber einlagere. Zudem gibt es "kein einziges Organ, das durch extremen Alkoholkonsum nicht geschädigt wird", sagt der Psychiater. Noch vor der Leber wird das Großhirn geschädigt. Ein schwerer Rausch kann auf einen Schlag mehr als eine Million Gehirnzellen vernichten.

Dem 38-Jährigen aus Haar rieten die Polizisten, ein Krankenhaus aufzusuchen. Verdutzt wie er war über das Ergebnis seines Alkoholtests, befolgte der Mann den Rat.

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