Le Pain Quotidien:Unser tägliches Brot

Graubrot ist nicht das, was man sich unter einem exquisiten Essen vorstellt. Das Restaurant "Le Pain Quotidien" am Gärtnerplatz versucht, seine Gäste vom Gegenteil zu überzeugen.

Ruth Schneeberger

Dieser Text ist leider veraltet, das Restaurant gibt es inzwischen nicht mehr.

Le Pain Quotidien

Graubrot und Baguettes, Croissants und Brioches: Im Le Pain Quotidien am Gärtnerplatz kann man allerhand Köstlichkeiten verzehren - oder mit nach Hause nehmen.

(Foto: Felicitas Kock)

Die Graubrote waren immer das, was auf dem Schulhof niemals Abnehmer fand. Da konnte noch so viel Nutella liebevoll darauf verteilt worden sein - wem die Mama morgens den Ranzen mit Graubroten gepackt hatte, hatte einfach schlechte Karten beim frühkindlichen Frühstücks-Tausch. Entweder, der Erfinder und Betreiber der weltweit expandierenden belgischen Restaurant-Kette Le Pain Quotidien (Das tägliche Brot) hat diese Erfahrung nie gemacht - oder er will es nun allen heimzahlen, die damals als Kinder nicht mit ihm tauschen wollten, und der ganzen Welt zeigen, wie lecker Graubrot ist. Jedenfalls macht er nun ein ziemlich gutes Geschäft damit.

Das Konzept der Kette, die im Frühling eine Filiale am Gärtnerplatz in München eröffnete, ist schnell erzählt: Es gibt fast ausschließlich belegtes Graubrot. Zum Frühstück, zum Mittagessen, zum Dinner - ginge es nach Le Pain Quotidien, wäre immer Brot-Zeit. Morgens wird eine Auswahl des Brot-Sortiments serviert; die Gäste schmieren ihre Stullen selber mit den bereitgestellten Marmeladen-, Schokoladen- und Honigtöpfchen.

Mittags und Abends wird das Brot warm oder kalt belegt serviert - mit Eier- oder Thunfischsalat, Hühnchencurry, Beef Tartar, Linsen-Chili-Ragout oder Riesengarnelen, jeweils garniert mit Ziegenkäse, Pilzen, Senf, Cranberrychutney oder Tomatensalsa - die Auswahl lässt wenig Wünsche offen. Dazu bestellt man einen Rucola- oder Couscous-Salat, schlürft die Tagessuppe oder bestellt sich ein Mozarella-Brioche. Als Durstlöscher stehen außer den üblichen Erfrischungsgetränken noch belgischer Tee und hausgemachte Limonaden zur Auswahl.

So weit, so gut. Aber wozu das Ganze? In Zeiten, in denen Restaurants nicht ausgefallen genug sein können, sich mit ihren Schoko-Fisch- oder Erdbeer-Lamm-Kreationen gegenseitig überbieten und man an jeder zweiten Ecke Köstlichkeiten fremder Länder testen kann, in indischen Restaurants oder Döner-Buden oft noch zum Schleuderpreis - wieso sollte man in diesen Zeiten ausgerechnet ein Restaurant besuchen, in dem es fast dasselbe gibt wie zuhause? Ein Brot zu belegen mit seinen Lieblingszutaten, das sollte eigentlich der eingefleischteste Junggeselle doch noch gerade selbst hinbekommen?

Das Brot-Imperium

Mitnichten: Seit der Eröffnung seines ersten Restaurants 1990 in Brüssel hat Begründer Alain Coumont inzwischen 140 Restaurants in 26 Städten und in 19 Ländern eröffnet, alle im selben Stil. Ausgerechnet in New York ist die Dichte am höchsten - dort, wo es vielleicht die größtmögliche Auswahl an Esskultur gibt - und die meisten Kohlenhydrat-Diät-Jünger. Was also ist das Geheimnis des Brot-Restaurant-Imperiums?

Am Gärtnerplatz wurde das ehemals sehr schicke Restaurant Seven Fish durch das Le Pain Quotidien ersetzt. Die extrem stylische Einrichtung ist dem rustikalen Einheits-Schick der Kette gewichen: Einfache Holzmöbel, helle Farben, große Tische, an denen Familien und große Runden Platz finden. Auf jedem Platz stehen die Honig- und Marmeladen-Töpfchen zum Tunken, denn frühstücken kann man hier den ganzen Tag. Dass es nicht unbedingt hygienisch ist, wenn unterschiedlichste Gäste sich an den immer selben Gemeinschaftstöpfen laben, stört hier niemanden. Und wenn doch, kann man ja was anderes bestellen.

Wir wählen zur Vorspeise eine Haselnussflute, überbacken mit Fourne d'Ambert und Honig für 4,95 Euro, danach warme Tartines mit gegrillter Hähnchenbrust, Pilzen, Rucola, Gruyere, winzigen schwarzen Oliven und dreierlei Senfsorten (8,95 Euro) und eine Käseplatte, für 9,95 Euro. Die Preise sind für München sehr human, das warme Brot und der gebackene Käse machen angenehm satt.

Käseplatte und Mini-Tartes mit Himbeeren

Die warme Tartines besticht durch die Mischung aus mildem Hähnchenfleisch und sehr würzigem schwarzen Olivensenf, könnte aber wärmer und besser überbacken sein. Die Vorspeise schmeckt prima, sollte man aber nicht wählen, wenn danach nochmal Brot folgt. Die Käseplatte ist ein gemischtes Vergnügen: Der zarte Ziegenkäse und der weiße Cheddar sind genehm - Fourme d'Ambert und Gruyere wohl eher zum Überbacken gedacht, der Feigensenf zu wenig, die Haselnüsse nicht unbedingt die frischesten.

Dafür entschädigt der Nachtisch: Vor allem der Brownie ist ein großer Genuss, innen fast noch flüssig, und auch die Mini-Tartes mit Himbeeren schmecken wunderbar zart. Für Tiramisu aus der Tasse oder Schokoladen-Eclair bleibt nun leider kein Platz mehr im Magen. Die hausgemachte Minzlimonade spült alles vorzüglich runter. An der Theke nehmen wir noch ein großes Walnuss-Baguette und ein paar helle Cookies mit.

Zu Besuch bei Bekannten

Die Bedienung ist nicht die schnellste, dafür natürlich und freundlich, auch bei voll besetztem Restaurant. Und voll ist es hier meistens. Die Lage könnte besser nicht sein: Bis zum frühen Nachmittag scheint die Sonne auf den Außenbereich mit Blick auf den Gärtnerplatz. Schnell noch ein Blick auf die Toilette, immer wichtig: Leider zu klein, und die Seife ist alle. Hier kommt noch am ehesten das Gefühl auf, sich in einer Restaurant-Kette zu befinden. Wenigstens gibt es sehr entspannte Musik und fliederfarbenes Glas-Mosaik an den Wänden. Ansonsten wirkt die Athmosphäre im Restaurant familiär, freundlich, entspannt - das wirkt sich auf die Gäste aus.

Und das ist es wohl auch, was den Reiz des Brot-Restaurants ausmacht: Hier fühlt man sich wie zu Besuch bei befreundeten Familien - nicht allzu befreundet, aber gut bekannt. Man trifft sich alle paar Monate, um einen entspannten Nachmittag auf dem Land zu verbringen. Dass es nur belegte Brote gibt, nimmt man ihnen nicht krumm, denn die sind umso liebevoller zubereitet.

Im Gegenteil: Es macht der Köchin, oder dem Koch, nichts aus, dass die Kinder ein süßes Brot wollen, die gute Freundin auf Diät ist, der Mann es gerne deftig hat und Opa mit seinen neuen Zähnen nur noch Käse kauen kann. Die einfache Küche hat für jeden Geschmack eine kleine Überraschung parat - und eigentlich geht es ja sowieso darum, dass man sich mal wieder trifft, an einem großen Tisch sitzt, und entspannt kommuniziert.

Mit seiner Idee, das einfache Brot seiner Kindheit, handgemacht und mit fester Kruste, einer Millionenkundschaft anzudrehen, indem er ihnen das relaxte Gefühl eines familiären Ausflugs vermittelt - damit dürfte Alain Coumont seine Klassenkameraden mittlerweile alle ausgebootet haben. Trotz, oder gerade wegen des Graubrotes.

Le Pain Quotidien, Gärtnerplatz 6, täglich geöffnet von 7.30 Uhr bis 23 Uhr, freitags und samstags bis 24 Uhr.

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