Langer Weg auf die Bühne:In drei Jahren zum eigenen Musical

Christiane Gimkiewicz probt mit Erwachsenen und Kindern in Garching seit 2017 ein Tanzstück, für das sie selbst die Story geschrieben hat. Weil alle Beteiligten Laien sind, nehmen sie sich viel Zeit - Premiere soll erst 2020 sein

Von Christina Hertel, Garching

Es war einmal ein Surfer mit blondem, strubbeligem Haar, der in eine Welt, tief verborgen im Ozean eintaucht, voller Seemonster und Ungeheuer, kunterbunter Fische und wunderschöner Sirenen. An eine, die schönste unter ihnen, verliert er sein Herz. Doch sie verführt ihn nicht aus Liebe, sondern weil er ihr Werkzeug sein soll - für ihren geheimen Plan. Er soll sie von einer bösen Tiefseehexe befreien. Es beginnt ein Kampf um Gut und Böse, Leben und Tod, Freundschaft und Vertrauen.

Langer Weg auf die Bühne: Mit seiner Kunst will der neue Garchinger Verein "Blue Art" auf die Verschmutzung der Meere aufmerksam machen.

Mit seiner Kunst will der neue Garchinger Verein "Blue Art" auf die Verschmutzung der Meere aufmerksam machen.

(Foto: Stephan Rumpf)

So könnte man die Geschichte zusammenfassen, die sich Christiane Gimkiewicz aus Garching ausgedacht hat. Die 51-Jährige beschäftigt sich beruflich mit optischen Linsen, sang in ihrer Freizeit viele Jahre in einer Metalband und trat mit einer Showtanzgruppe auftrat. 2020 sollen Erwachsene und Kinder, die Lust auf Tanzen und Singen haben, diese Geschichte in Garching als Musical aufführen. "Wellenreiter" ist der Titel des Stücks. Im Sommer haben Christiane Gimkiewicz und ihre Mitstreiter dafür einen Verein gegründet, der sich "Blue Art" nennt. Doch eigentlich üben, trainieren und probieren die Mitglieder schon seit März 2017 zusammen.

Langer Weg auf die Bühne: Christiane Gimkiewicz hat sich ein märchenhaftes Videos und ein Musical ausgedacht.

Christiane Gimkiewicz hat sich ein märchenhaftes Videos und ein Musical ausgedacht.

(Foto: Stephan Rumpf)

Montag, 19.30 Uhr, Turnhalle der Garchinger Grundschule. Neun Frauen und Männer, zwischen Anfang 20 und 50, machen vor einer Spiegelwand Sit-ups, Liegestütz und dazu Stimmübungen. Sie rufen im Chor: "a, e, i, o, u". Sie atmen im Rhythmus ein und wieder aus. Christiane Gimkiewicz macht die Übungen vor, die anderen machen sie nach. Das Ganze wirkt eher wie Bauch-Beine-Po-Training unter verschärften Bedingungen als wie eine Theaterprobe. Doch Aufwärmen sei wichtig, sagt Gimkiewicz - schließlich sei ein Musicaldarsteller Schauspieler, Tänzer und Artist in einem. Dann beginnt die eigentliche Probe und der Zuschauer merkt schnell: Hier soll keine intellektuelle Hochkultur auf die Bühne, sondern ein Stück mit Spannung und Action, das jeder versteht. Gimkiewicz sagt, sie stelle sich eine Art modernes Märchen vor, so etwas Ähnliches wie die Fantasy-Serie "Game of Thrones", in der es um Intrigen und Macht geht - und in der es jede Menge spektakuläre Kampfszenen gibt. Und die sollen auch die Musical-Zuschauer sehen: Zwei Männer laufen um einander, schauen sich böse an, hauen sich um, der eine fällt auf eine blaue Matte, die auf dem Hallenboden liegt. Ein paar Meter weiter wirbeln Frauen mit Stöcken in den Händen umher, stampfen mit den Füßen auf dem Boden. Die Männer proben ihre Rolle als kämpfende Surfer, die Frauen eine Sirenen-Armee.

Langer Weg auf die Bühne: Das Musical wollen die Darsteller 2020 aufführen.

Das Musical wollen die Darsteller 2020 aufführen.

(Foto: Stephan Rumpf)

In den Verein bringt sich jeder mit dem ein, was er kann. Alexander Schurr, ein Projektmanager Anfang 40, machte früher Kampfsport und weiß, wie man jemanden anfassen muss, damit es nicht weh tut und gleichzeitig effektvoll aussieht. Julia Weber tanzte früher in einer Garde-Gruppe und zeigt den anderen, wie man die Stöcke in den Händen dreht, dass sie nicht herunterfallen. Einige sangen früher mal in Chören, spielten Musikinstrumente, viele waren in dem Garchinger Kulturverein Zeitkind aktiv und haben dort auch schon bei Musicals mitgemacht. Das Stück "Wellenreiter" hat zwar Christiane Gimkiewicz geschrieben, doch sie sagt, sie sei offen für Anregungen und Ideen - die Choreografien etwa tanzt sie nicht einfach vor, alle arbeiten zusammen daran. Jeden Montag probt sie mit den Erwachsenen und donnerstags mit einer Gruppe Kinder, die in dem Musical Seemonster spielen sollen. Feste Rollen gibt es bis jetzt allerdings kaum, vieles kann sich noch ändern, Interessierte dürfen immer noch dazu kommen - bis 2020 ist es schließlich noch eine Weile hin. Gimkiewicz sagt, sie habe sich bewusst für so einen langen Zeitraum entschieden. Eine Probe einmal in der Woche könnten viele einrichten. Wenn man allerdings eine Inszenierung innerhalb weniger Wochen auf die Beine stellen will, müsse man sich deutlich häufiger treffen. Und das sei für viele neben Job und Familie schwierig.

Damit bis 2020 trotzdem alle dabei bleiben und das Ziel nicht aus den Augen verlieren, dreht die Gruppe bis dahin Videos - die auf das Musical Lust machen sollen und die einen politischen Ansatz verfolgen: Sie sollen auf den Müll in den Ozeanen, das Mikroplastik in den Gewässern, das Sterben von Fischen und Korallen hinweisen. Für das dritte Video üben die Darsteller gerade die Choreografie, das zweite schneidet Gimkiewicz, und eines kann man sich online bereits anschauen. "Angriff der Sirenen" heißt es. Der Zuschauer sieht, wie der Surfer von Sirenen verführt und letztlich gefangen genommen wird. Während die Darsteller die Szene spielen, werden auf sie Meeres-Videos projiziert - ein optisch interessanter Effekt, der das Ganze mehr nach professionellem, modernen Theater aussehen lässt als eine Kulisse aus Farbe und Pappkarton. Gegen Ende sieht man Kleidung im Meer schwimmen - was ein Hinweis auf Mikroplastik sein soll, das etwa durch das Waschen von Polyester-Pullis in die Gewässer gelangt. Verstehen würde man das allerdings ohne die Beschreibung zum Video nicht. Doch die Gruppe sieht sich auch nicht als einen Haufen Öko-Aktivisten. Zwar verzichtet die Regisseurin sogar auf Waschmittel und reinigt ihre Kleidung mit getrocknete Efeublättern. Doch sie will keine Kunst mit erhobenen Zeigefinger machen. Im Vordergrund stehe bloß eines: der Spaß.

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