Süddeutsche Zeitung

Landwirtschaft und Naturschutz:Erst kommt die Libelle, dann der Biber

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Auch diesmal gelingt es der Regierung von Oberbayern nicht, die Ismaninger Landwirte vom Managementplan für das Erdinger Moos zu überzeugen. Ein Gutes aber hat das Naturschutzkonzept für die Bauern.

Von Sabine Wejsada, Ismaning

Was die einen als Naturschutz ansehen, ist für die anderen ein Eingriff in ihren Arbeitsalltag. Wie groß dieses Spannungsfeld sein kann, hat sich am Mittwochabend in der Ismaninger Hainhalle gezeigt.

Dort stellte die Regierung von Oberbayern zusammen mit der Forstverwaltung und den unteren Naturschutzbehörden der Landratsämter München und Erding den Entwurf des Managementplans für das schützenswerte FFH-Gebiet "Gräben und Niedermoorreste im Erdinger Moos" vor - und musste sich prompt wieder einiges anhören von der versammelten Bauernschaft und Grundeigentümern.

Bereits seit mehr als zwei Jahren versucht die Bezirksregierung, ein solches Management für das gut 111 Hektar große und in den Landkreisen München und Erding gelegene FFH-Gebiet zu ermöglichen. Die Moorreste und die unzähligen Gräben gehören zum europaweiten Biotopverbund "Natura 2000" und sind deshalb von großer Bedeutung. Das liegt nicht zuletzt daran, dass dort seltene Schmetterlinge wie der Dunkle und Helle Wiesenknopf-Ameisenbläuling vorkommen und die Helm-Azurjungfer, eine vom Aussterben bedrohte Libellenart, einen Lebensraum vorfindet. In dem Managementplan werden Maßnahmen formuliert, die den günstigen Erhaltungszustand der Lebensraumtypen und Arten gewährleisten.

Verschlechterungsverbot auf kartierten Biotopflächen

Für private Grundeigentümer begründet der Plan keine Verpflichtungen. Es gilt allein das sogenannte Verschlechterungsverbot auf den kartierten Biotopflächen, es geht also um den Erhalt des gegenwärtigen Zustands. Die bisherige landwirtschaftliche, forstwirtschaftliche oder fischereiliche Nutzung bleibt weiterhin möglich.

Seit dem wegen Bauernprotesten missglückten Start des Projekts im Juli 2017 haben nach den Worten von Thomas Eberherr, bei der Regierung von Oberbayern Ansprechpartner für Natura 2000, in Ismaning elf Termine stattgefunden. Eine ungewöhnliche Erfahrung sei das gewesen, sagte er am Mittwoch bei der Vorstellung des in vielen Abstimmungsrunden erarbeiteten Entwurfs. Andernorts hätten meist zwei gereicht. Wie Bürgermeister Alexander Greulich (SPD) lobte Eberherr den intensiven Prozess unter Beteiligung von Gemeindevertretern, Jägern, Bauern und Grundeigentümern. Die Stellungnahmen seien allesamt eingearbeitet worden, berichtete der Abgesandte der Bezirksregierung. Man habe versucht, möglichst alle Interessen zu berücksichtigen, so Eberherr.

Auf dieser Basis soll ein paritätisch besetzter Arbeitskreis weitermachen, in dem die Ismaninger Betroffenen zusammen mit Vertretern von Fachbehörden diskutieren und bei Problemen einvernehmliche Lösungen finden. Die Arbeitsgruppe könnte auch eine Ombudsfunktion haben, wie der Rechtsanwalt der Gemeinde Ismaning anregte.

Dass vor allem in der Bauernschaft trotz intensiver Abstimmung in den vergangenen Monaten noch immer Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Managementplans herrschen, war den Wortbeiträgen aus dem zahlreich erschienenen Publikum zu entnehmen. So klagten verschiedene Landwirte über Biber, die Bäche und Gräben aufstauten, vernässte Flächen und nicht mehr befahrbare Wege im Moos. Dass dafür nicht das Fachgebiet Naturschutz zuständig sei, davon konnte Eberherr die aufgebrachten Redner nicht wirklich überzeugen. Er sagte den Ismaningern zu, weitere Anpassungen und Änderungswünsche im Entwurf aufzunehmen - vorausgesetzt, sie liefen dem Naturschutz nicht zuwider. Man werde sich in den nächsten Wochen noch einmal mit den Gemeinden Ismaning und Moosinnig abstimmen, so Eberherr.

Danach wird der Managementplan für vier Wochen online im Internet und in Papierform in den Rathäusern zur "Einsichtnahme bereitgestellt", wie es im Behördenjargon heißt, ehe er rechtskräftig ist. Für Grundstückseigentümer und Nutzer hat der Managementplan Hinweischarakter. Die Umsetzung des Managementplans ist für die Eigentümer und Nutzer freiwillig und soll vorrangig durch Förderprogramme finanziert werden.

Dass der Plan den Ismaningern auch in die Hände spielen könnte, rief am Ende des langen Abends dann doch noch Zufriedenheit hervor: Sollte der eifrige Nager durch seinen Drang zum Burgenbau der Helm-Azurjungfer das Leben schwer machen, gewinnt die unter Naturschutz stehende Libelle - und der Biber muss weichen.

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Quelle:
SZ vom 18.10.2019
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