Manchmal muss man etwas warten, aber eigentlich ist so eine Stimmabgabe eine schnelle Sache: Personalausweis vorzeigen, Wahlzettel abholen, in der Kabine die Kreuze setzen und schon ein paar Minuten später steht man wieder auf der Straße und der Tag geht weiter — die kommende Landtagswahl wird für die meisten Wahlberechtigten wohl in etwa so aussehen.
Für Charlotte Schmidt hingegen hat der 8. Oktober bereits Anfang Januar begonnen. Die Leiterin des Referats Bürgerservice und Mobilität in Unterhaching ist als Wahlleiterin gleichzeitig für die Organisation der Wahl in der Gemeinde verantwortlich, allein ist sie mit der Aufgabe im Rathaus jedoch nicht. Auch Melanie Mager, Abteilungsleiterin für Sicherheit und Ordnung, sowie Evi Dögl, Sachbearbeiterin im Einwohnermeldeamt, kümmern sich um die Planung — eine Premiere in jeder Hinsicht. "Wir sind zum ersten Mal eine rein weibliche Spitze", erklärt Schmidt stolz. Aufgrund von Renteneintritten gebe es nun anstelle männlicher Führungskräfte eben Leiterinnen und die Unterhachinger Wahlorganisation strotze vor "Frauenpower".

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Neben dem internen Führungswechsel gibt es auch weitere Veränderungen in Unterhaching. "Vier Wahllokale wurden durch Briefwahllokale ersetzt", erklärt Dögl. Mit dieser Umstrukturierung wolle man dem durch die Covid-19 Pandemie angeschobenen Trend zur Briefwahl Rechnung tragen. Hatten in der Gemeinde Unterhaching bei der Landtagswahl vor fünf Jahren noch 29,5 Prozent der Wahlberechtigten per Post abgestimmt, waren es bei der Bundestagswahl 2021 schon 52,7 Prozent, so Schmidt. "Diesen Zahlen passt man sich eben an." Einen weiteren Weg müsse indes niemand auf sich nehmen. "Es wurden nur Lokale, keine Standorte gestrichen", betont Kollegin Dögl.
In Unterschleißheim herrscht aktuell "Hochkonjunktur im Bürgerbüro"
Auch in Unterschleißheim ist man mitten in den Vorbereitungen. "Wahlen sind ein enormer organisatorischer Aufwand", sagt Anita Obermaier, die als Sachgebietsleiterin des Bürgerbüros für die Ausrichtung der Wahl in ihrer Gemeinde zuständig ist. Die anfallenden Aufgaben reichten von der Bildung der Stimmbezirke über das Akquirieren und Schulen von Wahlhelfenden bis hin zur Bereitstellung der Briefwahlformulare - und dies alles parallel zum normalen Arbeitsalltag. "Sobald wir anfangen, die Briefwahl auszuteilen, beginnt Hochkonjunktur im Bürgerbüro", erzählt sie. Beim Eintüten der Stimmzettel in die Kuverts helfe nicht selten das ganze Rathaus mit.
Am Wahltag selbst treten noch weitere Personen in Aktion: ehrenamtliche Helfer und Helferinnen, die auch die Wahlvorstände besetzen. Jene bestehen stets aus einem Vorsitzenden und einem Schriftführenden nebst Vertretungen und vier bis sechs Beisitzern. In der Gemeinde Grünwald werden für eine adäquate Aufstellung circa hundert Freiwillige benötigt, Tobias Dietz aus der Rathausverwaltung kann über mangelnde Bereitschaft in der Bevölkerung nicht klagen — im Gegenteil. "Bei uns ist es eher umgekehrt: Die Leute melden sich bei uns", berichtet der Hauptamts- und Wahlleiter. "Toll sind Beamte mit jahrelanger Erfahrung, aber wir freuen uns genauso, wenn jemand Neues Interesse zeigt." Wichtig sei bloß, Schlüsselpositionen mit Menschen zu besetzen, die "verwaltungsrechtliches Know-how" vorweisen. "Schriftführer sind in der Regel Angestellte der Gemeinde, da sie das Wählerverzeichnis betreuen", so Dietz.

Stephan Weidenbach (CSU) ist Zweiter Bürgermeister in Grünwald, am Wahlvorgang beteiligt war er jedoch schon, bevor sein eigener Name auf den Zetteln auftauchte. Bereits seit 50 Jahren wirkt der Kommunalpolitiker ehrenamtlich als Helfer mit. "Mit 19 war ich das erste Mal dabei, mittlerweile habe ich schon jede Position besetzt", sagt er. Weidenbach sieht das Engagement in einen größeren Kontext eingebettet: "Wahlen sind zentrales Element unserer Demokratie und müssen ordentlich und korrekt ablaufen. Wahlhelfer leisten einen entscheidenden Beitrag dazu." Hauptamtsleiter Dietz betont, dass die Beschäftigung von Gemeinderatsmitgliedern rechtlich zulässig sei. "Wir halten uns strikt ans Gesetz." Der Grünwalder Marco Deutsch, Landtagskandidat der FDP im Landkreis München, hingegen darf - ebenso wie seine Konkurrenten an ihren Wohnorten - dieses Mal nicht als Wahlhelfer tätig werden - man habe ihm absagen müssen, erklärt der Wahlleiter.

Landtagswahl 2023:Vier Platzhirsche und viele neue Gesichter
Im Landkreis München können die Wähler jeweils aus mehr als einem Dutzend Direktkandidaten auswählen. Im Norden wird nach dem Rückzug von Ernst Weidenbusch auf alle Fälle ein neuer Stimmkreisabgeordneter gewählt, aber auch im Süden könnte es spannend werden.
Entlohnt werden alle Helfer und Helferinnen mit dem sogenannten Erfrischungsgeld, welches die Gemeinden individuell festlegen. In der Gemeinde Unterhaching wurde dies erst kürzlich von 60 auf 100 Euro angehoben. "Uns haben zwei Gründe zu diesem Schritt bewogen", sagt Referatsleiterin Charlotte Schmidt. "Zum einen wollen wir gegenüber anderen Kommunen konkurrenzfähig bleiben, zum anderen wollen wir diesem Ehrenamt die entsprechende Wertschätzung verleihen." Ehrenamtlich helfen können Bürgerinnen und Bürger sowohl an ihrem Wohn- als auch am Arbeitsort, mit der Erhöhung der Pauschale will Unterhaching daher auch einer Abwanderung vorgebeugen. "Uns tut jeder weh, den wir verlieren", erläutert Schmidt.
Angesichts der weltweit immer stärker verbreiteten Demokratieskepsis ist es den ehrenamtlichen Helfern wichtig zu betonen, dass eine Fälschung der Wahlergebnisse hierzulande ausgeschlossen sei. An dem genau strukturierten Vorgang seien viele Personen beteiligt, die Stimmzettel würden mit den Namen im Wählerverzeichnis verglichen, außerdem seien die Auszählungen öffentlich. Und nach dem 8. Oktober ist für die hauptamtlichen Wahlbeauftragten noch lange nicht Schluss. "Dann wirft die Europawahl schon ihren Schatten voraus", sagt Charlotte Schmidt.