Landtagswahl: Podiumsdiskussion:Sieben auf einen Streich - Debatte der Kandidaten

Landtagswahl: Podiumsdiskussion: Es war die erste und einzige Begegnung in dieser Runde vor der Landtagswahl: Die Direktkandidaten der sieben großen Parteien im Stimmkreis München-Land Süd haben am Mittwochabend im Kultur- und Kongresszentrum Taufkirchen zweieinhalb Stunden diskutiert. Und wäre es nach den mehr als 500 Zuhörern im Saal gegangen, hätte die Runde auf dem Podium noch stundenlang weitere Fragen beantworten können.

Es war die erste und einzige Begegnung in dieser Runde vor der Landtagswahl: Die Direktkandidaten der sieben großen Parteien im Stimmkreis München-Land Süd haben am Mittwochabend im Kultur- und Kongresszentrum Taufkirchen zweieinhalb Stunden diskutiert. Und wäre es nach den mehr als 500 Zuhörern im Saal gegangen, hätte die Runde auf dem Podium noch stundenlang weitere Fragen beantworten können.

(Foto: Claus Schunk)

Von Familiengeld über Südring bis Wohnungsnot - bei der Podiumsdiskussion der Volkshochschule in Taufkirchen werden die Unterschiede der Direktkandidaten für die mehr als 500 Zuhörer greifbar.

Von Iris Hilberth und Martin Mühlfenzl

Sieben Kandidaten, zweieinhalb Stunden Zeit und mehr als 500 Zuhörer im Saal - die Zutaten für einen spannenden und interessanten Vorwahlabend waren am Mittwoch in Taufkirchen gegeben. Und die Mischung, welche die Volkshochschule Hachinger Tal in Zusammenarbeit mit der Süddeutschen Zeitung und dem Münchner Merkur bot, hielt, was sie versprach. Die Diskussion der Landtagskandidaten im Stimmkreis München-Land Süd in der Zusammenfassung.

Bei Franz Josef Strauß ist für Kerstin Schreyer Schluss mit lustig. Da nimmt ihr Gesicht ein wenig die Färbung ihres roten Blazers an. Strauß, sagt die Sozialministerin zu dem "Strauß würde niemals Nazis wählen"-Plakat ihres CSU-Kollegen Ernst Weidenbusch, würde "die AfD bekämpfen ohne Ende". Diese Partei sei dem "Höcke-Lager" untergeordnet, "mit solchen Leuten möchte ich nichts zu tun haben". So viel dazu. Der Unterhachingerin liegen ohnehin andere Themen am Herzen, wie etwa das bayerische Familiengeld, das sie vehement verteidigt und das aus ihrer Sicht und trotz der Kritik aus Berlin "rechtlich einwandfrei ist".

Klare Ansage an die AfD

Landtagswahl: Podiumsdiskussion: Im Gespräch mit dem Wähler: die Kandidaten der sieben größten Parteien bei der Podiumsdiskussion im Taufkirchner Kulturzentrum.

Im Gespräch mit dem Wähler: die Kandidaten der sieben größten Parteien bei der Podiumsdiskussion im Taufkirchner Kulturzentrum.

(Foto: Claus Schunk)

Schreyer sagt auch, sie sei stolz in einem Land zu leben, in dem jeder Asylrecht beantragen kann. Das Asylrecht beantworte eine humanitäre Frage. Aber: "Wenn wir als Land das Herz weit aufmachen, ist es mir schon wichtig, dass wir denjenigen, die das Gastrecht missbrauchen, deutlich sagen, dann geht ihr auch wieder zurück." Kritik an der Arbeit der Staatsregierung lässt sie nicht aufkommen, widerlegt faktensicher und souverän alle Angriffe und lobt auch die Idee von Ministerpräsident Markus Söder für ein 365-Euro-MVV-Ticket als "feine Geschichte".

Es kommt sicher nicht so oft vor, dass die CSU-Ministerin Kerstin Schreyer zustimmend nickt, während die bayerische SPD-Chefin Natascha Kohnen spricht. Doch nach dieser klaren Ansage an den AfD-Kandidaten applaudiert Schreyer sogar. "Wenn Sie sich wirklich von der Höcke-AfD distanzieren wollen, haben Sie hier und jetzt die Chance dazu", ruft Kohnen dem ganz rechts sitzenden AfD-Mann Riediger zu. "Höcke ist definitiv gegen die demokratische Grundordnung in unserem Land." Die SPD-Kandidatin findet bei vielen Themen klare Worte, argumentiert stark und gibt sich kämpferisch in der Sache, vor allem wenn es um "den Zusammenhalt in der Gesellschaft geht".

Kostenfreie Kita-Plätze

Kohnen fordert kostenfreie Kita-Plätze statt Familiengeld, eine Finanzierung des MVV durch den Freistaat - inklusive 365-Euro-Ticket -, eine Entfristung der Verträge von Lehrern und eine bessere Bezahlung sozialer Berufe. "Die tragen mehr Verantwortung als irgendein Finanz-Jongleur." Schreyer bietet sie an, "gemeinsam an Hartz IV ranzugehen. "Wenn man seit 15 Jahren spürt, dass Hartz IV etwas ist, was echt Angst auslöst, muss man etwas verändern." Und Kohnen fordert eine bayerische Wohnungsbau-Offensive. "Der Freistaat muss selber bauen."

Dass Markus Büchler (Grüne) mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gekommen ist, hat sicher niemanden überrascht. Leib- und Magenthemen muss man auch leben und vorleben. "Im Raum München ist es ja kaum mehr möglich, sich fortzubewegen", sagt der Kandidat der Grünen aus Oberschleißheim und wippt auf seinem Sitz leicht mobil nach vorne und hinten. "Von Mobilität kann man nicht mehr sprechen." Büchler gilt als der Verkehrsexperte seiner Partei im Landkreis und das Thema treibt ihn auch auf dem Podium um. "Wir müssen die Straßen wieder frei kriegen."

Mobilität wichtiges Thema

Landtagswahl: Podiumsdiskussion: SZ-Grafik

SZ-Grafik

Büchler arbeitet sich auch in Taufkirchen detailliert an dem Thema Mobilität ab: Die Autos von morgen müssten hier gebaut werden, nicht mehr die Autos von gestern. Der Freistaat müsse endlich in den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs investieren. Er wisse mit seinem "Migrationshintergrund aus Wien", wie das funktionieren könne: Milliardeninvesitionen, um die Kapazität zu erhöhen. Dann können auch die Tickets billiger gemacht werden. Und die MVV-Tarifreform? Die will Büchler "nur ungern" scheitern lassen, auch wenn nicht einzusehen sei, dass ein erheblicher Teil der Bürger im Landkreis "für die teilweise katastrophale Leistung der S-Bahn" dann mehr bezahlen müsse.

FDP-Kandidat Helmut Markwort macht folgende Rechnung auf: Kerstin Schreyer und Natascha Kohnen kommen ohnehin in den Landtag, also solle man ihn wählen. "Dann hat dieser schöne Landkreis die Chance, ganz stark im Landtag vertreten zu sein." Der ehemalige Chefredakteur und Herausgeber des Nachrichtenmagazins Focus sieht sich allerdings nicht als Politiker. "Ich bin Reporter", stellt er klar, lässt zugleich aber kein gutes Haar an seinem Berufsstand.

Autobahn-Südring

Das Wort "Lügenpresse" lehnt er zwar ab, spricht aber von "Lückenpresse" und kritisiert, dass in den Redaktionen "sehr tendenziös" ausgewählt werde. Bei Straftaten nicht über die Herkunftsländer der Täter zu berichten, hält er für eine "Einschränkung der Berichterstattungsfreiheit", als ob "etwas vertuscht werden soll". Prompt muss er sich vom Linken-Kandidaten Bernhard Baudler einen "krassen Schwenk zur Lindner-FDP" vorwerfen und die Frage gefallen lassen, ob er eine Koalition mit der AfD anstrebe.

Den 81-Jährigen lassen solche Anmerkungen allerdings völlig ruhig, mit gewohnter Selbstzufriedenheit referiert er seine Meinung zu den anderen Themen im Wahlkampf: Ja zum Söder-Vorschlag 356 Euro-Ticket im gesamten MVV-Raum, Nein zum Autobahn-Südring - zumal er allein die Diskussion darüber für überflüssig hält - Nein zu "Einheitsschulen à la DDR", dafür Bauen erleichtern und bei der Vermietung von günstigem Wohnraum den geldwerten Vorteil sofort abschaffen.

Breitbandausbau

Geht es nach Ilse Ertl von den Freien Wählern, könnte die Lösung aller Probleme des Ballungsraums München in Wunsiedel liegen. Dort, hat sie festgestellt, stehen die Häuser leer, während hier Wohnraum knapp und teuer ist. "Wir wollen die Konzentration auf Ballungsräume abwenden und das Land beleben", sagt sie. Dort gebe es günstige Wohnungen, weniger Verkehr und bessere Lebensqualität." Knackpunkt ist für sie vor allem der Breitbandausbau. Sei das schnelle Internet gewährleistet, siedelten sich auch in Wunsiedel Firmen an - und schließlich Bevölkerung.

Die Kandidatin aus Mauern (Landkreis Freising) will die Energieerzeugung dezentralisieren - "jeder Ort soll seine Energie produzieren" - und dazu auch die sogenannte 10-H-Abstandregel für Windräder kippen. Die MVV-Tarifreform hält sie für "viel zu kompliziert" und einem Autobahn-Südring könnte sie nur zustimmen, wenn der komplett im Tunnel verlaufen würde, auch wenn der - wie Schreyer anmerkt - dann länger würde als der Gotthard-Tunnel. "Der Süden soll schön bleiben."

Es braucht eine "echte linke Partei"

Linken-Kandidat Bernhard Baudler findet, 100 Jahren nach der Gründung des Freistaats Bayerns sei es wirklich an der Zeit für eine "echte linke Partei" im Landtag. Er stehe für Sozialpolitik, Bildungspolitik und für Klimaschutz. Dass Letzteres dem Linken, der 1979 die Grünen mitbegründet hat, besonders am Herzen liegt, wird gleich zu Beginn der Diskussionsrunde deutlich. Ein Auto hat er nicht, fährt alles öffentlich oder mit dem Fahrrad, verrät er, und er halte es auch für definitiv erforderlich, die Abgaswerte zu senken. Ein Plakat der AfD mit dem Slogan "Schützt die Autoindustrie. Diesel ist super" könne er nur als Satire verstehen.

Seine Partei fordert "mittelfristig" einen komplett kostenlosen Nahverkehr. "Aus Klimaschutzgründen brauchen wir dringend möglichst schnell einen Einstieg." Die vorliegende MVV-Reform geht ihm zu wenig weit. "Mich würde ein größerer Wurf interessieren." Zur Schaffung von mehr bezahlbaren Wohnraum fordert er eine "Bodenpreisbremse" und einen "Mietpreisstopp". Die Modernisierungsumlage gehöre abgeschafft und Genossenschaften für Mietergemeinschafen mit Landesmitteln gefördert.

Als die Rede auf den Autobahn-Südring kommt, geht ein leichtes Raunen durch den Saal. Und als Ulrich Riediger, der Direktkandidat der AfD, auf die Frage antwortet, ob der gebaut werden solle, wird dieses Raunen noch lauter. Platz genug sei ja da, sagt der Grünwalder, warum also solle das Projekt nicht verwirklicht werden? Dass die Gemeinsamkeiten mit den anderen Kandidaten auch in anderen Punkten überschaubar sein würden, war schon vor der Podiumsdiskussion klar.

Auf die erwähnten Anti-AfD-Plakate des CSU-Landtagsabgeordneten Ernst Weidenbusch angesprochen, sagt Riediger, die AfD sei "eine bürgerliche, konservative Partei, eine demokratische Partei". Der Widerspruch aus dem Plenum - und aus dem Saal - ist deutlich. Ansonsten kritisiert Riediger Dieselabgaswerte als "aus der Luft gegriffen", fordert Wohnraum "in die Höhe zu bauen, dann würden Menschen auch nicht mehr so viel pendeln und die Belastung in der Luft würde sich reduzieren". Im Clinch mit Natascha Kohnen wird er von der SPD-Chefin aufgefordert, sich von der "Höcke-AfD" zu distanzieren - was er nicht tut.

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