Kleine Parteien bei der Landtagswahl:Mutig, aber chancenlos

Landkreis München, Wahlplakate zur Landtagswahl,

Schau mich an: Die kleinen Parteien wollen nicht übersehen werden und werben besonders intensiv mit Plakaten am Straßenrand.

(Foto: Angelika Bardehle)

Neben den Kandidaten der bekannten Parteien treten zur Wahl am Sonntag auch Bewerber an, die sich kaum Hoffnungen machen können - etwa Tierschützer, Vegetarier und Spaßvögel. Sie geben sich trotzdem Mühe.

Von Bernhard Lohr, Landkreis

Im Wahlkampf sind die Kleinen manchmal groß. Die Bayernpartei etwa hat im Landkreis München so viele Plakate aufgehängt, dass fast der Eindruck entstehen mag, sie könnte nach der Landtagswahl die Regierung übernehmen. Auch die Piraten und die Eurokritiker von den Liberal-Konservativen-Reformern (LKR) dominieren mancherorts das Straßenbild, was an deren bescheidenen Aussichten nichts ändert.

Sechs kleine Parteien treten im Stimmkreis München-Land Nord mit eigenen Direktkandidaten an, im Süden sind es sieben. Vor fünf Jahren waren es jeweils vier. Die Republikaner sind nicht mehr dabei, dafür Parteien, die Tierschützer, Vegetarier oder Spaßvögel ansprechen, denen die Realität noch nicht genug Politiksatire liefert.

Das politische Angebot ist abseits der großen Parteien bunter geworden. Da ist die Bayernpartei, die bis heute von ihrer einstigen Bedeutung zehrt, als sie 1950 knapp 18 Prozent in Bayern holte - und natürlich die konservativ ausgerichtete Ökopartei ÖDP, die bei jeder Landtagswahl erneut in der Hoffnung antritt, sie könnte die Fünf-Prozent-Hürde nehmen. Das erste Mal überhaupt tritt die Mut-Partei der früheren Grünen-Landtagsabgeordneten Claudia Stamm aus Ottobrunn an. Sie bietet im Landkreis sogar gleich zwei Direktkandidaten zur Wahl auf. Lediglich im Stimmkreis München-Land Süd wirbt die Satire-Partei "Die Partei" des früheren Titanic-Chefredakteurs Martin Sonneborn um die Erststimme.

Die Piraten, die viele nach ihrem schnellen Aufstieg und ebenso schnellen Fall schon abgeschrieben hatten, stellt mit Thomas Knoblich aus Ismaning im Norden und Manuel Belas aus Unterhaching im Süden Kandidaten in beiden Stimmkreisen. Die LKR bietet im Norden in Ulrike Schütt die frühere AfD-Ortsvorsitzende aus Haar auf und im Süden Silvia Schalamow aus Oberhaching. Im Stimmkreis München-Land Nord kandidiert Elisabeth Reithmayer aus Kirchheim für die Partei Mensch, Umwelt, Tierschutz, die im Süden keinen Direktkandidaten hat. Dafür steht dort Jürgen Preisinger aus Oberhaching für die V-Partei zur Wahl, die Partei für Veränderung, Vegetarier und Veganer, die in Oberhaching auch ihre Landesgeschäftsstelle unterhält.

Wahlkampfendspurt mit Kabarett in Haar

Mit Barbara Rütting gehört zu deren Gründern eine abtrünnige Grünen-Politikerin. Im Süden bewirbt sich der Weinimporteur Jörg Linke aus Neubiberg für Mut um ein Mandat, im Norden rührt der Sozialwissenschaftler Stephan Pflaum aus Haar die Werbetrommel für sich und eine "weltoffene, pluralistische Gesellschaft", wie er schreibt. Am Donnerstag holte er zum Wahlkampfendspurt den Mut-Parteichef und Soziologen Stephan Lessenich und den Kabarettisten Matthias Matuschik ins Kleine Theater in Haar.

Auch wenn der Elan, der aus allem Neuen erwächst, der Bayernpartei fehlt - sie kämpft trotzdem, wie die Zahl ihrer Plakate zeigt. Und eine Debatte in der Partei über die Zuverlässigkeit von Wahlprognosen zeigt auch, dass manche gar eine Überraschung mit sechs Prozent Zustimmung und den Einzug in den Landtag erwarten. Albert Geiger, Direktkandidat der Bayernpartei für den Stimmkreis München-Land Süd, gehört nicht zu den Träumern. Aber politische Visionen hat der Zahnarzt aus Straßlach und Gemeinderat schon. So schwebt ihm ein Bayern als "souveräner Staat in Europa" vor. Der Freistaat habe die Größe und allemal die Potenz von Ländern wie der Slowakei oder auch Belgien, sagt er. Deutschnationales Denken, wie es die AfD vertritt, ist ihm ein Gräuel. Geiger würde aber gerne das Rad zurückdrehen. "Was wir bräuchten", sagt er, wäre eine "Restauration". Kleinere politische Einheiten könnten politisch bei der Zuwanderung - dazu zählt er auch Zuzüge aus Norddeutschland - , bei Landschaftsschutz und Mietwucher vieles steuern, sagt Geiger, dessen Pendant im Stimmkreis München-Land Nord Franz Furche aus Haar ist.

So wie Geiger stammt der Journalist Wilhelm Streit, der für die ÖDP als Direktkandidat im Süden antritt, aus Straßlach-Dingharting. Streit war in der Gemeinde von 1988 bis 2002 sogar Bürgermeister. Er sagt, wer mit seiner Stimme nicht gegen "Betonflut, schlechte Luft, kaputte Natur, vergiftete Landwirtschaft, Waffenhandel und Korruption" votiere, handle verantwortungslos. Er kritisiert die Macht der Konzerne, eine industrialisierte Landwirtschaft und eine Entwicklung hin zum Polizeistaat. Im Landkreis-Norden kandidiert für die ÖDP Hanno Sombach aus Augsburg, der die Ausgabe von öffentlichem Geld für Bankenrettung und undurchsichtige Agrarsubventionen anprangert.

Im Anprangern ist der Unterhachinger Tom Gutbrod ebenfalls gut. Allerdings macht er es auf seine Weise. Es sei ein Blick auf die "Politik durch eine ganz andere Brille", sagt er über die Satire-Partei "Die Partei". Wo andere wettern und schimpfen, böten er und die Seinen beißenden Spott und Ironie. Die Forderung nach der Mietpreisbremse etwa geht einher mit der "Bierpreisbremse", die AfD erklärt man zur Schwesterpartei der CSU und angesichts von Söders Raumfahrtplänen vermutet Gutbrod, dass der Ministerpräsident zu oft auf dem Nockherberg war.

Es geht dem Unterhachinger nicht nur um Quatschmacherei. Im Kern ist es ihm ernst. Als die AfD in Unterhaching ihre Landtagskandidaten nominierte, rief Gutbrod zur Demo auf. "Dort haben wird dann das Parteiprogramm der AfD geraucht", sagt er. Verbrennen war ja verboten.

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