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Landtagswahl: Grünen-Kandidat Markus Büchler:Mit dem Radl da

Markus Büchler hat sich zum Verkehrsexperten der Grünen entwickelt. Davor war er als Kreissprecher, Fraktionsgeschäftsführer und Mitarbeiter zweier Abgeordneter vor allem Parteifunktionär.

Von Martin Mühlfenzl, Unterhaching/Oberschleißheim

An seinem einzigen freien Tag mitten im Wahlkampf steigt Markus Büchler erst in die S-Bahn nach München und von dort in den Intercity-Express Richtung Italien. Nach zweieinhalb Stunden kommt er am Brenner an und macht sich zu Fuß auf zur Europahütte in 2693 Meter Höhe in den Zillertaler Alpen.

Hier oben ist der "Infight" vor den Wahlen am 14. Oktober ganz weit weg. Rundherum thronen die Dreitausender und selbst ein Rastloser wie der Oberschleißheimer kommt zur Ruhe. Zurück geht es nach sieben Stunden auf dem Berg wieder mit dem Zug. Und der Wahlkampf rückt mit jedem Meter wieder näher.

Entspannung ist dieser Tage und Wochen eher ein Fremdwort für den Direktkandidaten der Grünen. Vor allem dann, wenn er Wahlkampftermine auf dem Land im südlichen Landkreis wahrnimmt. Die Grünen haben sich für die Landtagswahl am 14. Oktober eine besondere Strategie einfallen lassen: Der Oberschleißheimer Büchler tritt im Stimmkreis München-Land Süd an, die Unterhachingerin Claudia Köhler im Norden. Das soll beiden Kandidaten zusätzliche Stimmen einbringen - hat aber auch einen Wahlkampf der weiten Wege zur Folge. Und für Markus Büchler, den passionierten Wanderer, Radler und S-Bahn-Fahrer, einen unliebsamen Nebeneffekt: "Ich habe mir für fünf Wochen ein Auto geliehen, anders ist das alles nicht machbar", sagt Büchler. "Aber Spaß ist das echt keiner. Ich weiß schon, warum ich sonst drauf verzichte."

Verkehrsexperte ohne Auto

Von seiner Terrasse im ersten Stock seines Hauses an der Freisinger Straße blickt Büchler auf die mit Äpfeln überfüllten Bäume in seinem Garten. Idyllisch ist es hier - und irgendwie auch herrschaftlich. Das Neue Schloss Schleißheim liegt nur wenige Meter über der Straße. Jener Straße, die ein beständiges Rauschen herüberschickt. Zigtausende Autos quälen sich täglich über die B471 durch Oberschleißheim, am Wochenende kommen die Busse dazu, die im Minutentakt Touristen ausspucken. Markus Büchler erlebt jeden Tag hautnah mit, dass der Norden, ja die ganze Region im Verkehr erstickt. Da muss einer doch zum Verkehrsexperten seiner Partei werden und selbst auf das Auto verzichten.

Der 45-Jährige versucht es bei der Wahl am 14. Oktober zum dritten Mal, in den Landtag zu kommen. Vor zehn Jahren war er nicht mehr als ein aussichtsloser Zählkandidat - und wusste das auch. Vor fünf Jahren aber glaubte er einen chancenreichen Listenplatz zu haben. Doch die Diskussionen um Veggie-Day und pädophile Umtriebe in der Partei schadeten auch ihm. Jetzt soll es endlich klappen: Büchler hat Listenplatz vier in Oberbayern, er ist eines der bekannten Gesichter der Partei im Landkreis und die Umfragewerte der Grünen gehen derart durch die Decke, dass sich selbst der kantige und manchmal etwas grantige Oberschleißheimer ein zufriedenes Grinsen nicht verkneifen kann. Oder ein selbstbewusstes: "Wir wollen ganz klar regieren", sagt Büchler. Auch mit der Söder-CSU? Mit der CSU eventuell ja, sagt er. "Mit Markus Söder sicher nicht."

Dass es ausgerechnet jetzt mit dem ersehnten Platz im Maximilianeum klappen könnte, scheint gut in Büchlers Lebensplanung zu passen. Die beiden Kinder sind in einem Alter, in dem er nicht mehr den ganzen Tag zuhause sein muss. Früher war das anders. Da arbeitete Büchler bewusst vom eigenen Haus aus, baute sich in Oberschleißheim eine eigene Firma: die Silus GmbH, spezialisiert auf Webdesign und Grafik, die er noch heute betreibt. Und er kümmerte sich um Tochter und Sohn, während seine Frau, die Apothekerin, nach Neufahrn zu Arbeit fuhr. "Das war eine richtige Entscheidung", sagt Büchler.

Bei selbst gebackenem Kuchen, natürlich mit Äpfeln aus dem eigene Garten, erzählt er, wie er zu den Grünen kam - und irgendwie klingt alles nach einer ganz selbstverständlichen, vorherbestimmten Entwicklung. Nur ein Detail scheint heute ein wenig aus dem Rahmen zu fallen. "Ich war ja eher als Punk unterwegs", sagt Markus Büchler und lacht. Kein Steinewerfer wie Joschka Fischer, aber doch einer, der schon als Schüler auf Demos ging: gegen den ersten Golfkrieg, unter dem Motto "Kein Blut für Öl", für mehr Entwicklungshilfe, fairen Handel, gegen Hungerkatastrophen und Tschernobyl. "Meine Lehrer und das Umfeld auf dem Carl-Orff-Gymnasium in Unterschleißheim haben mich sehr geprägt", sagt Büchler. "Das war damals noch eine sehr junge Schule und auch die Lehrer waren damals entsprechend jung und aufgeschlossen."

Mit 18 - das war im Jahr 1991- tritt er dann den Grünen bei. "Obwohl auch die ÖDP angefragt hat." Und es dauert auch nicht lange, bis er den ersten Posten übernimmt: Ortsverbandsvorsitzender. Dennoch vergehen mehr als zwei Jahrzehnte, ehe Büchler auch ein Mandat übernimmt. 2014 wird er in den Gemeinderat und den Kreistag gewählt. "Das hat gedauert, weil mir einfach die Parteiarbeit so viel Spaß gemacht hat", sagt er. Ortsvorsitz, Sprecher des Kreisverbands, Geschäftsführer der Kreistagsfraktion, Mitarbeit in den Landtagsbüros von Sepp Daxenberger und Susanna Tausendfreund - es ist eine Parteikarriere.

Jetzt steht Büchler selbst kurz vor dem Sprung ins Maximilianeum und die neue Fraktion darf sich auf einen versierten und streitbaren Kollegen freuen. Gemeinsam mit dem Chef der Grünen-Kreistagsfraktion, Christoph Nadler, prägt Büchler die Politik der Partei im Landkreis. Unermüdlich setzt er sich für mehr Radwege, weniger Straßen und innovative Verkehrskonzepte ein. Die Stärke der Grünen im Land und Landkreis hat auch mit Personen wie ihm zu tun.

Sein Kreistagsmandat will Büchler auch im Falle seiner Wahl in den Landtag "auf jeden Fall" behalten. Das Auto wird dafür nach der Wahl "auf jeden Fall" wieder abgeschafft. Mit der S-Bahn und der Tram ist er ja in 39 Minuten im Maximilianeum.

Die SZ stellt in loser Folge die Direktkandidaten der sieben größten Parteien im Landkreis vor. Alle Porträts sind nachzulesen unter www.sueddeutsche.de/muenchen/landkreismuenchen.

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Quelle:
SZ vom 24.09.2018/belo
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