Landtagswahl:Grünes Wunder

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Sieben Abgeordnete aus dem Landkreis München schaffen den Sprung ins Maximilianeum. Die CSU schneidet extrem schlecht ab - die Grünen erleben einen echten Triumph

Von Martin Mühlfenzl

Unendlich lang zieht sich das Auszählen hin - tröpfchenweise trudeln die Ergebnisse an diesem denkwürdigen Abend im Landratsamt ein. Und Claudia Weidenbusch ist die Anspannung anzumerken: Während ihr Mann Ernst endlich zur Wahlparty nach Unterschleißheim aufbrechen will, verharrt sie vor dem Monitor im Foyer der Behörde am Mariahilfplatz. Sie will erst los, wenn sie Gewissheit hat: Ob es gereicht hat und Ernst Weidenbusch sein Direktmandat im Stimmkreis München Land-Nord verteidigen konnte..

An diesem Wahlsonntag am 14. Oktober, an dem im Freistaat die alte Ordnung, nach der die CSU das Maß aller Dinge ist, aus den Angeln gehoben wird, weiß zumindest der Haarer Ernst Weidenbusch, dass er auch dem neuen Landtag wieder angehören wird - wie auch seine Parteifreundin, Sozialministerin Kerstin Schreyer, die ebenfalls mühsam den zweiten Stimmkreis im Landkreis München verteidigen kann. Zum Feiern ist den beiden Platzhirschen angesichts der dramatischen Verluste ihrer CSU - und noch deutlicherer, persönlicher Einbußen - allerdings nicht zumute.

Auf nur noch 37,2 Prozent kommt die CSU bei der Wahl zum 18. Bayerischen Landtag - ein Minus von 10,5 Prozent im Vergleich zur Wahl von vor fünf Jahren. Im Landkreis liegt die CSU noch einmal unter diesem Ergebnis; Ernst Weidenbusch kommt bei den Erststimmen nur noch auf 30,5 Prozent, die Unterhachingerin Kerstin Schreyer beutelt es mit 32,2 Prozent ebenfalls arg.

Mit diesem Ergebnis im Gepäck brechen Claudia und Ernst Weidenbusch zur Wahlparty nach Unterschleißheim auf. Die echte Sause aber findet ganz woanders statt: im Muffatwerk. Dort schließt um 18 Uhr der Bundesvorsitzende der Grünen Robert Habeck fast ungläubig die Augen, als die erste Hochrechnung eintrifft, der Unterhachinger Toni Hofreiter, Fraktionschef im Bundestag, schreit seine Freude heraus - und im grünen Konfetti-Regen steht der frisch gewählte Landtagsabgeordnete Markus Büchler aus Oberschleißheim. Es ist - gelinde gesagt - eine Sensation, die den Grünen bei der Landtagswahl mit 17,6 Prozent gelingt. Im Landkreis ist es ein veritabler Triumph: Markus Büchler holt im Stimmkreis München Land-Süd 23,6 Prozent der Erststimmen, die Unterhachingerin Claudia Köhler, der ebenfalls der Sprung ins Maximilianeum gelingt, kommt im Norden auf 22,9 Prozent. Grün ist die Farbe dieses Abends - und Markus Büchler wird vor allem mit einer Aussage recht behalten: "Grüne und CSU liegen "himmelweit" auseinander. Und so bleibt der Ökopartei letztlich die Regierungsbeteiligung trotz ihres Rekordergebnisses verwehrt.

Über die freut sich seit Anfang November indes Nikolaus Kraus. Der Ismaninger schafft im nördlichen Landkreis den Wiedereinzug in den Landtag und kommt auf 12,4 Prozent der Erststimmen - in seiner Heimatgemeinde erzielt der Kreisrat sogar sagenhafte 29 Prozent. Am Tag der konstituierenden Sitzung lauscht Kraus mit den anderen 204 frisch oder wiedergewählten Parlamentariern den einführenden Worten eines Mannes, der bisher gerne beim Fernseh-Stammtisch wahlweisen den politischen Analytiker oder Haudrauf gab: Der Publizist und Journalist Helmut Markwort - schon seit den Sechzigerjahren Mitglied der FDP - schafft für die Liberalen in München Land-Süd den Einzug in den Landtag und holt 10,3 Prozent der bei den Erststimmen. Gewissermaßen als Ersatz für den eigentlich schon nominierten Kandidaten Tobias Thalhammer, der vollkommen überraschend zur CSU übergetreten war. Als Alterspräsident hat Markwort dann seinen einen großen Auftritt - Im Rampenlicht, wie er es gewohnt ist.

Schaut auf diese Zahlen: Ernst Weidenbusch und Annette Ganssmüller-Maluche haben am Wahlabend im Landratsamt wenig Grund zur Freude. (Foto: Claus Schunk)

In der Versenkung verschwinden am 14. Oktober hingegen die Sozialdemokraten: Gerade einmal 9,7 Prozent holt die altehrwürdige Partei bayernweit - da ist es auch kein Trost, dass die SPD-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen aus Neubiberg mit 12,2 Prozent der Erststimmen im Stimmkreis Süd knapp über dem desaströsen Abschneiden auf Landesebene liegt. Kohnen ist nach diesem Ergebnis eine von nur noch 22 SPD-Abgeordneten im Parlament. Nach diesem Debakel fängt sich die Noch-Parteichefin heftige Kritik aus dem nördlichen Landkreis an ihrer Wahlkampfstrategie ein: Die dortige Direktkandidatin Annette Ganssmüller-Maluche macht in den Tagen und Wochen nach der Wahl in erster Linie Kohnen für das Abschneiden verantwortlich. Und damit auch für ihr persönliches Ergebnis; die stellvertretende Landrätin Ganssmüller-Maluche verpasst den Einzug ins Parlament - und die Partei verliert ein Mandat, das der Haarer Peter Paul Gantzer 40 Jahre lang inne hatte.

Sieben Abgeordnete vertreten den Landkreis München nun im Maximilianeum - und diese Wahl hat auch zwischen Unterschleißheim und Grünwald vieles verändert. Auch die AfD ist präsent und liegt bei der Landtagswahl im Landkreis bei etwa sieben Prozent, bayernweit sind es aber 10,2 Prozent. Die CSU ist hier schwächer als im ganzen Land, die Grünen noch einmal stärker. Der Druck auf die einst so großen Parteien nimmt zu - während die Grünen immer größer werden.

© SZ vom 27.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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