Landschaftspflege in Unterhaching:Fürs Grobe gibt es Flecki

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Eva Rosenhuber und ihre Familie (im Bild der dreijährige Vitus) haben 200 Schafe und zehn Ziegen im Landschaftspark bei Unterhaching. (Foto: Claus Schunk)

Die Herde von Schäferin Eva Rosenhuber ersetzt in Teilen des Landschaftsparks die Rasenmäher. Was den wählerischen Schafen zu hart ist, fressen die Ziegen

Von Patrik Stäbler, Unterhaching

Eben sind die Tiere noch einmütig beisammen gestanden, doch nun büxt eines aus. Flecki - wer sonst? "Komm her, komm zu mir!", ruft die neunjährige Annabell von der kleinen Anhöhe hinab, auf die sie eben gekraxelt ist, hier im südöstlichen Teil des Landschaftsparks Hachinger Tal, wo diverse Bunker und Gleise noch von der Geschichte des einstigen Militärflugplatzes zeugen. Und tatsächlich stapft die Ziege mit dem gefleckten Fell nun hinauf zu dem Mädchen, um sich von ihm hinter den Ohren kraulen zu lassen. Erst als Annabell lachend versucht, auf den Rücken des Tiers zu klettern, nimmt Flecki Reißaus und trabt zurück zu den 200 Schafen und zehn Ziegen, die in einer großen Traube zusammenstehen und vor sich hin fressen.

Derweil rennen Annabell und der dreijährige Vitus zu ihrer Mutter hinüber. Eva Rosenhuber füllt gerade Wasser in Plastikbottiche, damit die Tiere zu trinken haben. Etwa 800 Schafe zählt die Herde der Familie, die das ganze Jahr über im Freien lebt, an verschiedenen Orten. Ein Teil der Tiere wandert seit mehr als zehn Jahren durch den Englischen Garten in München, wo Schafe und Schäfer ein beliebtes Fotomotiv für Touristen und Einheimische sind. Weitere Teilherden leben am Fröttmaninger Berg, auf Gut Riem, auf einer Autobahnwiese zwischen Aschheim und Unterföhring und seit 2010 im Landschaftspark, wohin die Rosenhubers ihre Schafe und Ziegen stets im April bringen. "Der Schäfer, der vor uns hier war, hat erzählt, dass er die Tiere früher aus München hertreiben konnte", sagt Eva Rosenhuber. "Aber inzwischen ist in Neuperlach zu viel Verkehr, sodass wir sie lieber im Lkw transportieren."

Bis in den Herbst bleiben die Tiere im Landschaftspark, wo sie ausschließlich im südlichen Teil auf einer Gesamtfläche von knapp 18 Hektar von Wiese zu Wiese ziehen. Dort könnte man wegen der Gleise und Bunker ohnehin nur schwerlich mit Maschinen mähen, erklärt Simon Hötzl, Rathaussprecher in Unterhaching. Zudem seien Schafe "die ökologischste Variante, um Wiesen zu bewirtschaften". Weiter im Norden entlang der ehemaligen Landebahn und der Hundemeile wären die Tiere dagegen aus zweierlei Gründen fehl am Platz, erklärt Hötzl. Zum einen sieht das Pflege- und Entwicklungskonzept für den Park dort Magerwiesen vor. Zum anderen könnte es wegen der vielen Menschen und Hunde zu "Nutzungskonflikten" kommen, so der Rathaussprecher.

Im südlichen Teil des Landschaftsparks geht es derweil deutlich ruhiger zu. Zudem grenzen die Rosenhubers das jeweilige Areal, auf dem ihre Tiere gerade grasen, aus guten Gründen mit Zäunen ab. So sollen Menschen und Hunde ferngehalten werden. Außerdem sollen die Schafe die Flächen gründlich leerfressen und sich nicht nur die Rosinen herauspicken, was in ihrem Fall das Kleegras ist. "Schafe sind ganz schön gschleckert", sagt Eva Rosenhuber und lacht. Auch deshalb habe man die Ziegen dabei, da diese Büsche und härtere Pflanzen ebenfalls fressen. "Das sind quasi die Waldarbeiter", sagt die Schäferin. So hat auch Flecki eben noch etwas Rinde von einem Baum geknabbert, ehe sie sich bei Annabell eine Streicheleinheit abgeholt hat. "Das ist eine der wenigen Ziegen, die wir mit der Flasche großgezogen haben", erklärt Eva Rosenhuber die Zutraulichkeit des Tiers. "Die meisten Schafe und Ziegen wollen lieber in Ruhe gelassen werden. Das sind echte Herdentiere."

Umso wohler fühlen sie sich hier im beschaulichen Teil des Landschaftsparks. "Für die Schafe ist das ein echter Traum", sagt Eva Rosenhuber. Anders als im Englischen Garten gebe es kaum Probleme mit Hunden - "wahrscheinlich, weil die alle auf der Hundemeile sind", mutmaßt die Schäferin. Überdies könne die Herde hier größtenteils alleine gelassen werden. Während die Tiere im Englischen Garten stets beaufsichtigt werden müssten, reiche es im Landschaftspark, zweimal täglich vorbeizuschauen, sagt die Schäferin - zur Kontrolle, und um den Schafen bei Bedarf frisches Wasser zu geben, das sie im Ottobrunner Bauhof holt. Zu den Tieren pflegt ihre Familie ein enges Verhältnis, wie man am Beispiel von Annabell und Annabell sieht - dem Mädchen und dem Schaf. "Da hinten steht sie", ruft die Neunjährige und zeigt auf ein Tier, das gerade etwas Gras aus dem Boden rupft. "Das Schaf heißt wie ich und gehört mir, seit es mir mal in den Finger gebissen hat."

Annabells Eltern sind Schäfer im Hauptberuf und verdienen ihr Geld mit dem Verkauf von Lammfleisch. Hier im Landschaftspark können sie ihre Tiere kostenlos grasen lassen; die Gemeinde Unterhaching erhält im Gegenzug die Wiesenpflege gratis. "Das ist eine Lösung, von der beide Seiten profitieren", sagt Rathaussprecher Simon Hötzl. Generell sei die Schäferei jedoch "kein Beruf, mit dem man reich wird", stellt Eva Rosenhuber klar - aber glücklich. "Wir sind Idealisten. Wir wissen genau, wofür wir arbeiten. Und es macht uns stolz, wenn wir das Vertrauen der Herde haben und die Verantwortung für die Tiere." Sagt's und wendet sich wieder den Wasserbottichen zu. Damit Flecki und Co. genug zu trinken haben.

© SZ vom 20.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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