Süddeutsche Zeitung

Landratsamt:Die Bilder im Kopf

Im Landratsamt geben die Künstlerinnen der Gruppe ZAK 2020 Einblick in ihre Lebenswelten

Von Franziska Gerlach, Landkreis

Wenn Antje Schleicher sich aufs Fahrrad setzt, wachsen ihr Flügel. Sie fühlt sich dann einfach wunderbar, wie ein Engel, als würde sie jeden Moment abheben, den Kontakt zum Erdboden verlieren. "Das ist mein persönlicher Traum", sagt sie gerade zu drei Damen. "Mein Bild im Kopf." Anerkennendes Nicken für Werk und Künstlerin.

Schleicher hat ihr Bild im Kopf in eine digitale Kollage übersetzt, denn "Bild im Kopf" lautet schließlich auch das Motto der fünften Ausstellung der ZAK 2020 (Zukunftswerkstatt Arbeitskreis Künstlerinnen aus dem Landkreis München), die Landrat Christoph Göbel als Schirmherr eröffnet hat. Insgesamt 110 Arbeiten wurden eingereicht, eine unabhängige Jury wählte 44 davon für die Schau im Landratsamt München aus, 32 Künstlerinnen beteiligten sich daran.

Bei so viel weiblicher Kreativität passte es natürlich ganz gut, dass die Ausstellung nur einen Tag vor dem Weltfrauentag am 8. März eröffnete. Wer dann allerdings von Werk zu Werk durch die Etagen des Landratsamtes schlenderte, stellte bald fest: Die Bilder im Kopf der Künstlerinnen sind doch recht unterschiedliche, und so erwies sich auch die Ausstellung als ein vielfältiger Querschnitt durch die Kunst: Arbeiten auf Acryl, Malerei und Fotografie sind als Darstellungsformen vertreten, aber auch Skulpturen und Drucke. Liebe, Familie und die Irrungen der menschlichen Gedankenwelt schälten sich als Themen heraus, aber auch mit der Migration hatten sich einige Künstlerinnen befasst, selbst die Arbeiten eines Putzbrunner Kunstprojektes mit Flüchtlingen flossen in die Ausstellung ein.

Manche der gezeigten Arbeiten sind zart und filigran, andere abstrakt und von großer Wucht, zum Beispiel der "Tatort". So hat Biggi Wiehler ihre Acrylarbeit mit Meerjungfrauentürkis und Apfelgrün genannt, erst auf den zweiten Blick kann man in dieser massiven Farbfläche die Konturen eines Stuhles ausmachen, und ist das links davon nicht ein Fernseher? Tatsächlich, die Künstlerin hat sich offenbar der beliebten deutschen Krimiserie angenommen, den bewegten Bildern quasi.

Ganz anders die "Bunte Welt" von Angelika Kiermaier, ein beeindruckendes Sammelsurium an kleinen Tuschezeichnungen in einem Bild: Einzeln betrachtet allenfalls fröhlich-infantil, entfalten die Versatzstücke - Herzen, Palmen, Blumen und zwinkernde Sonnen - im großen Ganzen einen Charme, der unwillkürlich an die Werke des amerikanischen Pop-Art-Künstlers James Rizzi denken lässt.

Der Mensch lerne nicht durch Geschichten, er denke auch in ihnen und definiere sich darüber, hatte Christine Weidlich eingangs in ihrer Rede gesagt, die Leiterin des ZAK 2020. Über Jahrhunderte hinweg habe das Erzählen in Bildern eine der wichtigsten Aufgaben der Kunst dargestellt, sagte die Neubibergerin. "Der Künstler spielt in seinen Werken mit der tiefen Sehnsucht nach Geschichten, und Betrachter werden wiederum zu Teilnahme aufgefordert." Die Künstlergruppe ging aus dem Projekt ZAK 2000 hervor, das vor 17 Jahren von der Gleichstellungsstelle des Landratsamtes München ins Leben gerufen wurde. Inzwischen führen die Künstlerinnen die Gruppe selbständig weiter, 65 Frauen gehören dem Netzwerk an, das sich wiederum aus sechs Künstlergruppen zusammen setzt. Entscheidungen, erklärt Weidlich später, würden da ganz demokratisch gefällt. Das Motto etwa habe man aus 60 Vorschlägen ausgewählt. Auch Zusammenhalt hält sie für wichtig, und gerade von Frauen, denen der Durchbruch bereits gelungen ist in einer Branche, die zumindest an der Spitze doch recht männlich dominiert ist, wünscht sie sich da manchmal noch mehr Solidarität. So ganz frei von Konkurrenz ist aber auch ZAK 2020 wohl nicht. Für Weidlich kann diese positive Auswirkungen haben, aber auch negative. An und für sich, sagt sie, sei die Gruppe aber gut zusammen gewachsen.

Egal, ob in einer Gruppe organisiert oder als Einzelkämpfer unterwegs: Von Nachteil ist es sicher nicht, wenn ein Künstler die eigene Idee anschaulich erläutern kann. Die Planeggerin Erika Kiechle-Klemt kann das, keine Frage. "Bettgeflüster" hat sie die Schwarz-Weiß-Fotografie getauft, das Motiv entstammt einer Serie über Hotelbetten. Die weißen Laken sind zerwühlt, ein sinnliches Arrangement, von der sterilen Anonymität eines frisch bezogenen Hotelbettes ist nicht viel übrig. "Im Bett passiert unendlich viel", erklärt die Künstlerin vielsagend. Man liebt und streitet sich darin, träumt und schläft, stirbt und lebt, fühlt sich mal gut, dann wieder schlecht. Schon sind sie da, die Bilder im Kopf.

"Bild im Kopf" ist bis 6. April Montag bis Freitag von 8 bis 12, Donnerstag von 14 bis 17.30 Uhr im Landratsamt München, Mariahilfplatz 17, zu sehen.

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SZ vom 10.03.2017
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