Landkreis-SPD:Der unaufhaltsame Aufstieg der Annette Ganssmüller-Maluche

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Annette Ganssmüller-Maluche gab sich im Hofbräukeller kämpferisch. Die folgende Abstimmung um den SPD-Vorsitz verlor sie. (Foto: Angelika Bardehle)

Zwei herbe Niederlagen musste die SPD-Politikerin Annette Ganssmüller-Maluche einstecken. Statt daran zu zerbrechen, gewinnt sie an Statur. Für die Parteiführung im Kreis wird sie zum Problem.

Von Martin Mühlfenzl

Die SPD ist die Partei der krachenden Niederlagen. Widerspruch? Gut, aber zumindest die der spektakulären. Zwei Beispiele: Das Fiasko bei der gescheiterten Wahl von Heide Simonis zur Ministerpräsidentin in Schleswig-Holstein, als ihr ein bis heute unbekannter Abgeordneter vier quälende Wahlgänge lang die Stimme verweigerte. Simonis sprach damals im Jahr 2005 von einem "hinterhältigen Dolchstoß". Oder die brutale Pleite der SPD bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, ebenfalls 2005, die einen Niedergang auf Bundesebene einleitete. Mehr Drama geht nicht.

Doch es gibt auch Genossen, die in Würde untergehen. Aufrecht, ohne Groll. Manche von ihnen stehen danach sogar wieder auf; ja, es gibt SPDler, die ohne das ganz große Drama auskommen.

"Jetzt muss er es doch langsam mal kapiert haben", flüstert Annette Ganssmüller-Maluche ihrem Nachbarn Otto Bußjäger gut gelaunt zu. Die beiden stellvertretenden Landräte - die Rote und der Freie Wähler - haben es sich auf den Ledersesseln im Pressebereich des Sitzungssaals am Mariahilfplatz gemütlich gemacht. Man duzt sich, man versteht sich. Schließlich kennen sich die beiden auch schon etliche Jahre. Es geht im Bildungsausschuss des Landkreises an diesem Tag um die Reform der Schulzweckverbände, ein eher staubtrockenes Thema - und der, der es aus Sicht Ganssmüller-Maluches nicht kapiert, ist Brunnthals Bürgermeister Stefan Kern (CSU). Einer, der sich an allen Debatten beteiligt. Die beiden stellvertretenden Landräte dürfen daher an diesem Nachmittag ein wenig spotten; schließlich gehören sie dem Ausschuss nicht an - und sind aus reinem Interesse anwesend.

Viele in der Partei hatten die Ismaningerin abgeschrieben

Und natürlich will Annette Ganssmüller Präsenz zeigen. Mehr als so manchem in der SPD lieb sein dürfte. Viele - vor allem aus der Führungsriege - hatten schon gedacht, die Personalie Ganssmüller-Maluche habe sich erledigt. Noch ehe sie überhaupt richtig begonnen hat. Denn es waren innerhalb eines Jahres zwei bittere Niederlagen, die die 54-Jährige zu verdauen hatte. Erst die verlorene Landratswahl gegen den CSU-Bewerber Christoph Göbel im März 2014, bei der sie ohnehin nur zweite Wahl ihrer Partei war. Dann die Schlappe bei der Abstimmung zum Kreisvorsitz der SPD; Ganssmüller-Maluche musste sich der 24-jährigen Juso-Vorsitzenden Bela Bach geschlagen geben. Zwei herbe Pleiten, die eigentlich zu viel sind für nur ein Politikerleben.

Genossen im Clinch

Johanna Rumschöttel, 68

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(Foto: N/A)

In einem Brief hat sich Johanna Rumschöttel für Annette Ganssmüller-Maluche als SPD-Kreisvorsitzende stark gemacht. Ein Affront gegen Kohnen - und ein unmissverständliches Statement gegen Bela Bach.

Genossen im Clinch

Natascha Kohnen, 47

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(Foto: Claus Schunk)

Natascha Kohnen wollte Annette Ganssmüller-Maluche als Kreisvorsitzende unbedingt verhindern - und hatte Erfolg. Doch dieser Coup brachte ihr auch viel Zorn ein - und einen zerrissenen Kreisverband.

Annette Ganssmüller-Maluche aber ist noch da. Zum Unmut mancher Genossen - denn die Ismaningerin ist nicht gerade das, was gemeinhin das Lieblingskind der eigene Partei genannt wird - entwickelt sich immer mehr zum prägenden Gesicht ihrer Partei. Seit ihrer Niederlage gegen Christoph Göbel hat bei Ganssmüller-Maluche gewissermaßen eine Neuformatierung stattgefunden. Und dem Wort Format kommt hierbei eine besondere Bedeutung bei.

Zu stellvertretenden Landräten werden oft ausgemusterte, altgediente Kollegen gewählt. Kommunalpolitiker, die sich auf dem repräsentativen Altenteil ausruhen sollen und dürfen; hier ein 90. Geburtstag, da die Einweihung des Feuerwehrautos. Nur in die aktuelle Politik sollen sie sich bitte nicht mehr einmischen.

Mit dem Wahlkampf hat Ganssmüller-Maluche an Selbstbewusstsein gewonnen

Bei Annette Ganssmüller-Maluche funktioniert das nicht ganz. Mit dem Wahlkampf gegen Christoph Göbel hat die Kommunalpolitikerin deutlich an Statur und vor allem Selbstbewusstsein gewonnen. Und das stellt sie auch im Kreistag zur Schau; sie ist neben der Fraktionsvorsitzenden Ingrid Lenz-Aktas die bestimmende Figur der Genossen auf Kreisebene - und seit einigen Wochen macht sich das auch thematisch bemerkbar. Zehrte die Kreis-SPD lange Zeit ausschließlich davon, Erfolge ihrer ehemaligen Landrätin Johanna Rumschöttel zu preisen, richtet sie nun - angeführt von dem umtriebigen Duo - den Blick in die Zukunft: Asylpolitik, Wohnungsbau, öffentlicher Nahverkehr, Angebote für Senioren. Die Sozialdemokraten bringen im Kreistag einen Antrag nach dem anderen ein.

Und die Stimme von Ganssmüller-Maluche gewinnt immer mehr an Gewicht. Für Ganssmüller-Maluche und die SPD ist das gut; für deren Führungsriege aber wird das zu einem Problem.

Das wurde bereits auf dem Kreis-Parteitag, wo Bela Bach zur neuen Vorsitzenden gewählt wurde, deutlich: Während sich die bisherige Kreis-Chefin und Generalsekretärin der Bayern-SPD Natascha Kohnen vehement für Bach einsetzte, warb Johanna Rumschöttel in einem Brief für Ganssmüller-Maluche. Sie pries deren kommunalpolitische Erfahrung - und diskreditierte gleichzeitig Bach aufgrund deren Unerfahrenheit. Dieser öffentlich ausgetragene Disput macht deutlich, dass es intern knirscht - und das wird Folgen haben, wenn es um künftige Personalentscheidungen in der Kreis-SPD geht.

Die intern verabredete Marschroute besagt schließlich, dass die Planeggerin Bach 2017 nach ihrer erfolglosen Kandidatur bei der Bundestagswahl 2013 erneut antreten soll; als Kreisvorsitzende könne sie bis dahin ihr Profil schärfen, sagt Natascha Kohnen. So der Plan. Nur wird es Bach, die bisher im Kreistag ausschließlich durch ihre pure Anwesenheit aufgefallen ist, schwer haben, gegen Ganssmüller-Maluche anzukommen. Bisher nutzt die ihre Rolle, um weiter an Statur zu gewinnen - und die ohnehin blasse Bela Bach verblasste zuletzt weiter. Wird sich daran nichts ändern, droht der Plan Kohnens zu scheitern.

Der Landtagsabgeordnete Gantzer geht auf die 80 zu

Es ist wahrscheinlich, dass Ganssmüller-Maluche eine weitere Kandidatur anstrebt - nicht als Landrätin. Zwei Chancen werden sich auftun: die der Bewerbung für den Bundestag. Aber noch wahrscheinlicher jene für den Bayerischen Landtag im Jahr 2018. Bisher sitzt der Haarer Peter Paul Gantzer für die Kreis-SPD im Maximilianeum. Doch der Fallschirm springende Grandseigneur ist 76 Jahr alt; sprich im Herbst 2018: 80. Noch hat sich Gantzer nicht erklärt. Doch selbst wenn er noch einmal antreten wollen würde, eine Gegenkandidatur Ganssmüller-Maluches ist nicht ausgeschlossen. Es würde ihrer direkten Art, die sie auch im direkten Umgang pflegt, entsprechen.

Selbst in der SPD ist es so, dass auf herbe Niederlage meist auch wieder Siege folgen. Die Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in Nordrhein-Westfalen und ihr Amtskollege Torsten Albig in Schleswig-Holstein können davon ganze Arien singen. Viel spricht auch dafür, dass Annette Ganssmüller-Maluche noch einen Erfolg einfahren wird.

© SZ vom 11.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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