Süddeutsche Zeitung

Landkreis:Notquartier Tennishalle

Landkreis bietet der Regierung von Oberbayern das Sportcenter in Keferloh als Erstaufnahmeeinrichtung an. Dort können bis zu 700 Flüchtlinge kurzfristig untergebracht werden - Grasbrunner Helferkreis sagt Unterstützung zu

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Der Landkreis München hat der Regierung von Oberbayern kurzfristig das Tenniscenter Keferloh in Grasbrunn zur Unterbringung von bis zu 700 Flüchtlingen zur Verfügung gestellt. Landrat Christoph Göbel (CSU) reagiert damit auf den ungewohnt hohen Zustrom von Flüchtlingen, der in der Nacht von Montag auf Dienstag begonnen und bis Dienstagabend mehr als 2000 Flüchtlinge am Münchner Hauptbahnhof hat stranden lassen. "Wir sind dankbar, dass uns das Tenniscenter von Seiten des Landkreises als Kapazität angeboten wurde", sagte Simone Hilgers, Sprecherin der Regierung von Oberbayern, angesichts der Möglichkeit, einen großen Teil der Flüchtlinge zunächst in Keferloh unterbringen, registrieren und medizinisch checken zu können, um sie anschließend auf normale Unterkünfte zu verteilen.

Am Dienstagnachmittag begannen Ehrenamtliche und Freiwillige des Technischen Hilfswerks, der Grasbrunner Freiwilligen Feuerwehr und des ABC-Zugs München-Land damit, die Hallen des Tenniscenters Keferloh in provisorische Flüchtlingsunterkünfte umzuwandeln. Bereits am Vormittag hatte Landrat Christoph Göbel Gespräche mit der Regierung von Oberbayern geführt und der Behörde die Unterstützung des Landkreises zugesichert. "In der Unterkunft können bis zu 700 Menschen einquartiert werden", sagte Landratsamts-Sprecherin Christine Spiegel. "Wie lange die Menschen dort bleiben, wie viele es werden, können wir nicht sagen." Das Landratsamt gehe aber davon aus, dass es sich wohl um eine Maßnahme für nur wenige Tage handeln werde.

Bis 20 Uhr am Dienstagabend hatte noch kein Flüchtling die Halle in Keferloh bezogen. Das soll sich an diesem Mittwoch ändern. Das Catering in der Halle übernimmt der Landkreis, ebenso den sogenannten Objektdienst. "Wir haben auch bei der Logistik und beim Aufbau geholfen", sagte Spiegel. "Betrieben wird die Halle aber von der Regierung von Oberbayern als Erstaufnahmeeinrichtung." Die Gemeinde wurde durch Landrat Göbel vorab über die Pläne der Regierung von Oberbayern informiert. Bürgermeister Klaus Korneder (SPD) sagte, er könne die Entscheidung des Landrats "absolut nachvollziehen": "Christoph Göbel hat sich auch entschuldigt, dass das alles so überfallartig passiert ist. Aber ich kann nachvollziehen, dass er alle Möglichkeiten nutzt." Zudem, sagte Korneder, handle es sich um eine kurzfristige Angelegenheit: "Uns wurde gesagt, dass es um zwei bis vier Tage geht." Er selbst habe sofort den Grasbrunner Gemeinderat sowie Haars Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) informiert , schließlich liege Keferloh näher an Haar als an Grasbrunn. Inwieweit die Gemeinde Grasbrunn bei der Unterbringung der Flüchtlinge und der Organisation in der Erstaufnahmeeinrichtung helfen könne, wollte Korneder selbst bei einem Besuch der Einrichtung entscheiden: "Allerdings habe ich unseren Asylhelferkreis informiert und dieser hat gleich die Bereitschaft erkennen lassen zu helfen, wenn das angefragt wird."

Die Entwicklungen in der Landeshauptstadt sowie die neue Prognose der Flüchtlingszahlen für den Landkreis spiegeln die gesamte Dramatik und Dynamik des weiter anschwellenden Stroms an Flüchtlingen wider. Offiziell ging das Landratsamt bis vor zwei Wochen davon aus, im Landkreis bis Jahresende etwas mehr als 3800 Flüchtlinge aufnehmen zu müssen - intern waren sich die Mitarbeiter der Behörde aber längst darüber im Klaren, dass diese Zahl nach oben korrigiert werden muss. Nun lässt das Landratsamt verlautbaren, dass der Landkreis München bis Ende des Jahres 5361 Menschen wird unterbringen müssen. Mindestens. "Wir können jetzt noch nicht absehen, wie sich die Situation weiter entwickelt", sagte Spiegel; gleichzeitig machte die Sprecherin aber deutlich, dass auch weiterhin innovative Lösungen gefunden werden müssten, um dem Druck Herr zu werden: "Das sind besondere Situationen - und die erfordern auch besondere Maßnahmen." Deshalb wappnet sich auch der Landkreis München für die kommenden Wochen und Monate - in dem Wissen, dauerhaft mehr Menschen aufnehmen zu müssen. Landrat Christoph Göbel (CSU) wird bei diesen Anstrengungen zudem nicht müde, auf die Verantwortung des Landkreises, seiner Kommunen und Bürger hinzuweisen, die Menschen würdig unterzubringen und mit offenen Armen zu empfangen. An diesem Donnerstag, 3. September, wird der Landrat in einer Pressekonferenz darüber informieren, "wie sich der Landkreis auf diese neue Situation einstellt, wie die konkreten Planungen und interne Prognoseszenarien aussehen, und wie der Landkreis diese Herausforderungen organisatorisch bewältigen will".

Der Landkreis wird bei der Suche nach neuen Unterkünften weiter aufs Tempo drücken müssen. Allerdings hat das Landratsamt auch immer wieder mit kleineren Rückschlägen zu kämpfen. So wurde die eigentlich für Montag geplante Eröffnung der zweiten Traglufthalle im Landkreis in Neubiberg erneut verschoben; noch liege keine Genehmigung zur Inbetriebnahme vor, sagte Landratsamts-Sprecherin Christine Spiegel: "Wir gehen davon aus, dass sie nächste Woche eröffnet wird." Doch auch Turnhallen werden wohl weiter als Unterkünfte genutzt werden müssen. Pullachs Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) etwa ließ unlängst wissen, sie gehe nicht davon aus, dass die Sporthalle der Josef-Breher-Mittelschule zum Schuljahresbeginn wieder für den Schulsport freigegeben werden könne.

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SZ vom 02.09.2015
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