Mieträder:Neues Kapitel der Mobilität

Mieträder: Garching 2018: Bürgermeister Dietmar Gruchmann, Landrat Christoph Göbel, Ilse Aigner, damals Verkehrsministerin, MVG-Chef Ingo Wortmann (von links).

Garching 2018: Bürgermeister Dietmar Gruchmann, Landrat Christoph Göbel, Ilse Aigner, damals Verkehrsministerin, MVG-Chef Ingo Wortmann (von links).

(Foto: Robert Haas)

In dieser Woche wird die letzte MVG-Station des Landkreises in Höhenkirchen-Siegertsbrunn symbolisch eröffnet. Im Landkreis kann man an 161 Stationen 1100 Räder ausleihen, gemeinsam mit denen in der Landeshauptstadt gibt es 4350 Räder.

Von Andreas Sommer

Am 29. August wird auch die letzte Mietradstation im Landkreis in der Gemeinde Höhenkirchen-Siegertsbrunn, offiziell eingeweiht. Praktisch sind aber schon alle 161 Stationen des Mietradsystems der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) in Betrieb. 21 der 29 Kommunen nehmen an dem Pilotprojekt teil, bei dem im Landkreis insgesamt mehr als 1100 Fahrräder auszuleihen sind.

Das Investitionsvolumen für den gesamten Ausbau des Mietradsystems auch auf den Landkreis beträgt 3,6 Millionen Euro, wobei das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit einen Großteil der Kosten, namentlich über drei Millionen Euro, übernimmt. Die übrigen Ausgaben, auch für den laufenden Betrieb, teilen sich die Kommunen paritätisch mit dem Landkreis oder werden von Sponsoren gedeckt. Nicht miteingerechnet sind bisher die Kosten für Tiefbauarbeiten, die von den jeweiligen Kommunen getragen werden.

Im Oktober des vergangenen Jahres wurde die erste Station in Garching in Betrieb genommen. Schon damals bezeichnete die damalige bayerische Verkehrsministerin Ilse Aigner (CSU) das Projekt als einen "großen Gewinn für die Mobilität im vernetzten Verkehr". Das System wird als Ergänzung zum öffentlichen Nahverkehr gesehen und soll die Bürger dazu animieren, häufiger auf das Auto zu verzichten.

Mit einer App lassen sich die Räder entriegeln und bezahlen. Allerdings dürfen im Landkreis, anders als im Stadtgebiet Münchens, die blau-silbernen Räder nur an den Ständern der MVG und nicht überall an öffentlich zugänglichen Orten abgestellt werden. Stellt man sein Rad dennoch fernab einer der Stationen ab, so läuft nicht nur die Uhr bis zum Tagesmaximalpreis von 12 Euro weiter, der letzte Nutzer muss auch die Rückführung durch die Angestellten der MVG bezahlen. Dies geschehe zwar seltener als noch direkt nach der Einführung, komme aber dennoch durchaus öfter vor, gibt die Verkehrsgesellschaft an, die auch für die Wartung der Räder zuständig ist.

Der Campus in Garching ist ein "Free-Float-Gebiet"

Die einzige Ausnahme für das stationsbasierten Leihsystem im Kreis bildet der Campus der Technischen Universität München in Garching, wo die Leihräder ebenfalls frei abgestellt werden können - ein sogenanntes "Free-Float-Gebiet". Aber wie groß ist der Nutzen, wenn die Mobilität doch wieder nur bis zu bestimmten Fixpunkten gewährleistet ist?

"Groß", findet Eva Mayer aus München, die mit dem blauen MVG-Radl in Haar unterwegs war. An den Stationen finden sich fast immer Räder, anders als in der Stadt, wo diese weit verstreut abgestellt werden können. Sie ist in manchen Wochen beinahe täglich mit dem Leihrad unterwegs und fast vom ersten Tag, als sie in München angeboten wurden, Fan der Mieträdern.

Um trotz der Standortgebundenheit ein Angebot zu schaffen, das die Reisedauer besonders für Pendler nicht drastisch verlängert oder gar verkürzt, stehen die Fahrradständer an Orten mit hoher Publikumsfrequenz, beispielsweise an S- und U-Bahnhöfen sowie in Wohn- und Gewerbegebieten oder Bildungsstätten wie Hochschulen. Gibt es in einer Kommune mehrere Stationen, so ist die innerörtliche Fortbewegung per Rad meist schneller und variabler als mit dem Bus. Außerdem ist man hierbei nicht an die Abfahrtszeiten fester Fahrpläne gebunden.

Es können auch Querverbindungen, die Bus und Bahn nicht anbieten, mit dem Radl bewältigt werden. Bürger aus Ortschaften ohne S-Bahnanschluss, die aber dennoch nah an der Landeshauptstadt oder an anderen Gemeinden liegen, wie beispielsweise Brunnthal, können davon profitieren.

Der Landkreis München nimmt mit der Einführung MVG-Rad eine Vorreiterrolle ein: Er ist der erste Kreis Deutschlands, der außerhalb eines großen Stadtzentrums ein nahezu flächendeckendes Mietradsystem anbietet - bis in den ländlichen Raum hinein. 2019 belegte der Landkreis den zweiten Rang beim Deutschen Fahrradpreis in der Kategorie Service für die schnelle Erarbeitung und Inbetriebnahme des Systems. Landrat Christoph Göbel (CSU) bezeichnete damals die Einführung der Leihräder als "neues Kapitel in Sachen Mobilität". Es sei eine der dringlichsten Herausforderungen, neue verkehrliche Möglichkeiten zu schaffen, um den Landkreis zukunftsfähig zu halten, so Göbel. Die Erfahrungen des Projektes sollen mit anderen suburbanen Regionen in Deutschland geteilt werden.

Die Leihräder würden bereits "rege genutzt", heißt es von der MVG. Eine genaue Analyse folge im Herbst, wenn das System vervollständigt ist und die Nachfragedaten der ersten Monate ausgewertet werden können. Bislang laufe es aber gut, man habe auch mit Vandalismus und Diebstahl kaum ein Problem gehabt. Einzig in Unterschleißheim wurden im Juni an nahezu allen Stationen die Hinterreifen der MVG-Räder beschädigt.

Dass an einigen Stationen mehr Räder abgegeben werden und an anderen mehr ausgeliehen, sei im Konzept des Fahrradverleihs eingeplant. Christina Walzner, stellvertretende Pressesprecherin des Landratsamts, betont, dass "one-way-Fahrten" ausdrücklich Teil des Systems seien. Ausgleich schaffe die MVG durch den Transport der Räder zwischen den Stationen. Der Nutzungsbereich schließt freilich auch die Landeshauptstadt ein, in der die MVG-Räder seit 2015 ausleihbar sind. Erst im vergangenen Jahr wurde der städtische Bestand um 2000 Fahrräder erhöht, sodass in München und dem Landkreis insgesamt 4350 Räder zur Verfügung stehen.

Bei der Erweiterung des Sortiments beispielsweise um Lastenräder, Pedelecs oder e-Scooter sei man noch in der "Konzeptionsphase", so das Landratsamt.

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