S-Bahn-Ärger:Wut über die "Schlechtleistung" der Bahn

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Was ist der Unterschied zwischen normalen Ausfällen und solchen mit Ansage? Die Kritik von Politikern und Pendlern am Zustand der S-Bahn wird immer lauter.

Von Martin Mühlfenzl, Ismaning/Taufkirchen

Der Ärger um den Ausfall von S-Bahnen insbesondere in den Hauptverkehrszeiten auf den Linien S 3 und S 8 im Landkreis reißt nicht ab und hat nun auch die Deutsche Bahn zu einer Reaktion genötigt. Deutschlandweit würden in den DB-Werken Kapazitäten abgerufen, um die Wartung der Stammflotte voranzutreiben, sagt Heiko Büttner, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Münchner S-Bahn.

Zudem sei bereits das Personal im Münchner S-Bahn-Werk aufgestockt worden; weitere Mitarbeiter aus dem DB-Verbund sollten folgen, so der S-Bahn-Chef weiter. "Die Handlungsfelder sind klar definiert und wir sind auf Kurs, das volle Fahrangebot wieder zu ermöglichen", bekräftigt auch der bayerische Bahnchef Klaus-Dieter Josel.

Dennoch ebbt die Kritik an der Bahn und auch an der bayerischen Staatsregierung nicht ab. Die SPD im Kreistag bezeichnet die Ankündigung, auf den viel befahrenen Trassen der S 3 und S 8 Verstärkerzüge zu streichen und damit von einem Zehn- auf einen 20-Minuten-Takt umzustellen, als einen "verkehrspolitischen Irrwitz und das Gegenteil dessen, was Ministerpräsident Markus Söder im Landtagswahlkampf vollmundig versprochen hat". Nach Ansicht der stellvertretenden Landrätin Annette Ganssmüller-Maluche (SPD) aus Ismaning versagt die Staatsregierung beim Thema öffentlicher Personennahverkehr auf ganzer Linie. Die Regierung habe "keine Planung, keine klare Förderung".

Zappenduster sieht es nach Ansicht vieler Fahrgäste mit der S-Bahn im Landkreis aus. (Foto: Carmen Wolf)

Ebersbergs Landrat Robert Niedergesäß (CSU), Sprecher der acht MVV-Verbundlandkreise, hat unterdessen in einem Gespräch mit S-Bahn-Chef Büttner seine Kritik an der "Schlechtleistung der S-Bahn München" noch einmal erneuert. Niedergesäß macht zudem deutlich, dass es "einen geballten Unmut" angesichts des "desolaten Zustands der S-Bahn" gebe: von der Politik bis zu den Kunden. Laut dem Ebersberger Landrat wüssten alle Beteiligten um die "Dramatik" der Situation und seien bemüht, schnellstmöglich Lösungen zu erarbeiten. "Das geht nicht von heute auf morgen, das ist uns bewusst", so Niedergesäß zur SZ. "Jetzt ist es wichtig, schnell noch mehr Unheil zu vermeiden."

Katastrophe für die Fahrgäste

Indirekt nimmt Niedergesäß auch die Staatsregierung ins Visier: Die Bahninfrastruktur habe im Großraum München mit der Fahrgastentwicklung überhaupt nicht Schritt gehalten und die erforderlichen Maßnahmen, die jetzt eingeleitet würden, hätten bereist vor Jahren umgesetzt werden müssen. Von dem am Freitag begonnenen Dialog mit S-Bahn und Bayerischer Eisenbahngesellschaft erhofft sich der Ebersberger Landrat, dass sich die "katastrophale Lage für die Fahrgäste" schnell entspannt.

Die Taufkirchner SPD hat unterdessen einen Dringlichkeitsantrag eingebracht, in dem die Bahn aufgefordert wird, auf der S 3 den Zehn-Minuten-Takt "unverzüglich" wieder einzurichten. Auch Kirchheims Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU) ist wenig begeistert von der Ankündigung der Bahn, denn auch die S 2 wird von Zugausfällen betroffen sein. Welche Folgen das für den Verkehr auf der ohnehin schon überlasteten A 94 bedeute, könne sich wohl jeder vorstellen, sagt Böltl. Das werde ein "absolutes Chaos".

Mit Resignation reagieren Fahrgäste. "Mit dieser Ankündigung wird jetzt lediglich offiziell gemacht, was schon längst gelebte Praxis ist", schreibt ein SZ-Leser. Bereits seit etwa einem Jahr fallen ihm zufolge auf der S 8 von Gilching nach München und in umgekehrter Richtung im Berufsverkehr die Taktverstärker aus. Ein weiterer Leser schreibt, die S-Bahn sei "zum ersten Mal ehrlich und es gibt einen Aufschrei". Seine Frage: "Was ist denn der Unterschied zwischen normalen Ausfällen und solchen Ankündigungen?"

Eine Pendlerin weist wiederum darauf hin, dass auf der S 3 zwischen Gröbenzell und Taufkirchen in der fahrgastarmen Mittagszeit stets drei Wagen unterwegs seien, während in der Stoßzeit zwischen 16 und 19 nur zwei Wagen eingesetzt würden. Dies sei in Kombination mit dem Wegfall des Zehn-Minuten-Taktes "unzumutbar". In der gedrängt vollen S-Bahn habe sie selbst bereits erlebt, wie ein Fahrgast eine "Atemnotattacke" erlitt.

Der Fahrgastverband Pro Bahn nimmt die Kritik zum Anlass, schwere Vorwürfe gegen Bahn und Staatsregierung zu erheben. "Wer nach der Aussage der Bahn letzte Woche, dass der Zehn-Minuten-Takt bis Fahrplanwechsel ausgesetzt wird und nicht jeden Tag spontan ausfällt, auf einmal erschrocken feststellt, da läuft was nicht, scheint nicht viel vom Alltag der Fahrgäste mitzubekommen", sagt Andreas Barth, der Münchner Sprecher von Pro Bahn. Die Politik und vor allem die Staatsregierung müsse endlich handlungsfähig werden, ihren "Tunnelblick" aufgeben und ausreichend dimensionierte Ausbauprojekte vorgeben.

"Wenn die Deutsche Bahn für einen simplen Neubau eines Bahnsteigs Jahrzehnte braucht, dann sollte der Freistaat überlegen, ob er die Ausbauprojekte nicht von einer effizienteren Staatsbauverwaltung erledigen lässt."

© SZ vom 18.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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