Seit Monaten häufen sich die Beschwerden über Ausfälle auf Regionalbuslinien in beinahe allen Teilen des Landkreises München. Diese Missstände - insbesondere auf Linien, die von Tochterunternehmen der Deutschen Bahn betrieben werden - will das Landratsamt nicht mehr hinnehmen und setzt daher seit Jahresbeginn die Verkehrsunternehmen mit Abmahnungen und Vertragsstrafen sowie finanziellen Restriktionen unter Druck. Die SPD dringt sogar darauf, dass Firmen wegen schlechter Leistungen bei künftigen Ausschreibungen nicht mehr berücksichtigt werden.
Die Organisation des Regionalbus-Verkehrs im Landkreis München ist eine komplexe Angelegenheit. Es gibt nicht den einen Anbieter, der alle Linien betreibt und die erforderlichen Fahrer akquiriert - auch der Landkreis selbst kann den Regionalbus-Verkehr nicht managen. Vielmehr vergibt er die Linien nach öffentlicher Ausschreibung in Paketen an verschiedene Firmen. Derzeit sind im MVV-Regionalbusverkehr im Auftrag des Landkreises München 13 Verkehrsunternehmen tätig. Darunter bekannte lokale Firmen wie etwas Bus Geldhauser aus Brunnthal, Ettenhuber aus Glonn, auch etwas weiter entfernte Unternehmen wie Bus Demmeleier aus Friedberg - und die Deutsche Bahn.
Der Regionalverkehr Oberbayern, kurz RVO, eine hundertprozentige Tochter des Bahn-Unternehmens DB Regio AG, betreibt unter anderem die Problemlinie 231 im Norden des Landkreises. Aber auch der Ismaninger Ortsbus 236 sowie zahlreiche weitere Regionalbus-Linien in ganz Oberbayern werden vom RVO organisiert. Auf Nachfrage bestätigt die Deutsche Bahn, dass es "Ende vergangenen Jahres wegen Personalengpässen zu einer Häufung von Ausfällen" insbesondere bei den Linien 231 und 236 gekommen ist. In den vergangenen Monaten habe das Angebot aber "deutlich stabilisiert" werden können. "Grundsätzlich lassen sich vereinzelte Ausfälle im Betriebsalltag leider nie ganz ausschließen", erklärt eine Bahn-Sprecherin. Sie verweist zudem darauf, dass die von der DB ermittelte Ausfallquote im Landkreis München bei unter einem Prozent liege.
Zur Höhe der Strafen will sich niemand äußern
Das Münchner Landratsamt hält dem entgegen, dass es nach wie vor auf den genannten Linien "zu Problemen und Ausfällen kommt". Die Behörde benennt unter anderem die Linie 233 von der Studentenstadt nach Unterföhring, die Linie 234 von der Messestadt über Feldkirchen nach Aschheim und Unterföhring, den Garchinger Ortsbus mit der Nummer 290, die Linie 240 von Höhenkirchen-Siegertsbrunn nach Grasbrunn oder die Linie 243 von Haar nach Neukferloh. Alle werden von weiteren Tochterunternehmen der Bahn wie der DB Regio Bus Bayern (DRB) oder der DB Regionalverkehr Bayern (RVB) betrieben.
Der Landkreis München steht nach Aussage des Landratsamtes gemeinsam mit dem Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) "im ständigen Austausch" mit den Verkehrsunternehmen; es habe in der Vergangenheit auch mehrere "Krisengespräche" gegeben, unter anderem mit Spitzenvertretern des RVO. Aus Sicht der Kreisbehörde hat dieser Austausch auch Früchte getragen. So sei seitens des RVO mehrfach dargelegt worden, mit welchen Maßnahmen Ausfälle im Linienbetrieb verhindert werden könnten. Diese zeigten nun Wirkung. In jüngerer Vergangenheit sei die Anzahl der Fahrtausfälle "deutlich geringer" ausgefallen.

Nahverkehr:Warten auf die Echtzeitdaten
Digitale Anzeigetafeln sollen die Fahrgäste seit einigen Monaten an wichtigen Knotenpunkten im Landkreis München über die nächsten S-Bahn- und Busverbindungen informieren. Doch diese zeigen entweder gar nichts an oder liefern falsche Abfahrtszeiten.
Bei Krisengesprächen beließ es das Landratsamt jedoch nicht. Seit dem Fahrplanwechsel im Dezember vergangenen Jahres hat die Behörde nach eigener Aussage "angesichts nachhaltig schlechter Leistung der Verkehrsunternehmen" - darunter "immense Fahrtausfälle über Monate hinweg" - auch "erhebliche Vertragsstrafen" ausgesprochen. Im Januar und Februar wurden die drei Verkehrsbetriebe RVO, RVB und DRB - allesamt Bahntöchter - mehrfach abgemahnt. Und der Landkreis drohte den Unternehmen auch weitere Konsequenzen an: Nach dem Aussprechen zweiter Abmahnungen, heißt es in einem Schreiben aus der Abteilung "Öffentlicher Personennahverkehr" im Landratsamt, würden entsprechende Verträge auch gekündigt. Diese Möglichkeit besteht bereits heute nach Paragraf 25 des Verkehrsvertrags, bestätigt das Landratsamt, angewandt wurde dieser bisher aber noch nicht. Zur Höhe der finanziellen Restriktionen äußert sich das Landratsamt nicht.

Die Deutsche Bahn wollte sich zu den Vertragsstrafen durch das Landratsamt gar nicht äußern. Ausfälle und Qualitätsmängel seien "grundsätzlich vertraglich geregelt", teilt sie mit, zu Vertragsinhalten mache man grundsätzlich keine Angaben. Stattdessen verweist das Unternehmen auf die eigenen Bemühungen, dem Fachkräftemangel etwas entgegenzusetzen - etwa über intensive Rekrutierungsmaßnahmen.
Für den Ismaninger Bürgermeister und SPD-Kreisrat Alexander Greulich, der die Probleme bereits im Frühjahr angesprochen hat, ist die Angelegenheit noch nicht erledigt. Sein Rathaus erreichten immer noch Beschwerden über Ausfälle von regulären Busfahrten, sagt er. "Das ist eine absolute Schlechtleistung einer Bahntochter." Greulich fordert deshalb Konsequenzen. "Ich wünsche mir, dass man bei Ausschreibungen solche Schlechtleister künftig ausschließen kann. Da braucht es mehr Flexibilität", sagt der Ismaninger Bürgermeister. "Wir wollen die Menschen ja in die Busse bekommen und geben als Landkreis auch viel Geld dafür aus."
Bisher können der Landkreis München und der MVV aber nur Abmahnungen und Vertragsstrafen aussprechen bei Bekanntwerden eines Ausfalls. Die Frage, ob künftig bestimmte Unternehmen aufgrund ihrer Performance bei Ausschreibungen nicht mehr berücksichtigt werden sollen oder dürfen, beantwortet das Landratsamt auf Nachfrage nicht. In der Sitzung des Mobilitätsausschusses des Kreistags am 4. Juni soll das Thema aber behandelt werden. Dann dürfte auch eine entsprechende Anfrage der SPD-Fraktion eine Rolle spielen.
Grundsätzlich müssen sogenannte öffentliche Dienstleistungsaufträge, also auch der Betrieb von Buslinien, gemäß der Verordnung des Rates der Europäischen Union bei einem Gesamtauftragswert von mehr als 221 000 Euro europaweit ausgeschrieben werden. Daher können auch geografisch weiter entfernte Unternehmen berücksichtigt werden, wenn die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind und es sich um das wirtschaftlichste Angebot handelt. Laut Landratsamt kommen im Landkreis München neben der Wirtschaftlichkeit aber auch weitere Zuschlagskriterien wie etwa die garantierte Zeit für die Bereitstellung von Ersatzfahrzeugen, zusätzlich angebotene Fahrzeugqualität oder der garantierte Zeitpunkt für die Lieferung von Neufahrzeugen zum Tragen. Beim Zuschlag gelten also sowohl preisliche wie qualitative Aspekte.