Öffentlicher Personennahverkehr:Kreis tritt beim Flexbus auf die Bremse

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Der Flexbus wird im südöstlichen Landkreis München gut angenommen und soll auch über das Jahr 2026 hinaus betrieben werden - allerdings nicht unbedingt im ganzen Landkreis. (Foto: Sebastian Gabriel)

Vor knapp einem Jahr noch hatte sich der Kreistag dafür ausgesprochen, das erfolgreich erprobte On-demand-System auf den ganzen Landkreis auszuweiten, jetzt soll der Rufbus aus Kostengründen doch nur im Südosten weiterfahren.

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis München

Der Landkreis München wird seinen On-demand-Bus-Service bis auf Weiteres nicht, wie ursprünglich geplant, auf das gesamte Kreisgebiet ausweiten. Angesichts der angespannten Haushaltslage des Landkreises hat der Mobilitätsausschuss des Münchner Kreistags am Montag entschieden, lediglich bis mindestens Ende 2026 das Pilotprojekt Flexbus fortzuführen, das seit 2022 im südöstlichen Landkreis München in einem Tag- und Nachtbetrieb erprobt wird. Im November 2023 hatte sich der Ausschuss eigentlich dafür ausgesprochen, die Rufbusse bis 2028 auf alle Regionen des Landkreises auszuweiten und dadurch sukzessive Regionalbuslinien, die sich wegen zu vieler Leerfahrten – Stichwort: Geisterbusse – nicht lohnen, aus dem Betrieb zu nehmen.

Schon bei der damaligen Zustimmung zur Einführung des landkreisweiten On-demand-Angebots gab es allerdings Kritik an den geschätzten Kosten zwischen 15 und 20 Millionen Euro für eine Ausweitung in drei Schritten. Demgegenüber standen einer Schätzung der Planungsbüros Planmobil und Ioki jährliche Einsparungen von etwa fünf Millionen Euro durch den Wegfall von nur spärlich genutzten Regionalbuslinien – allerdings erst von 2033 an wegen der teils langen Vertragslaufzeiten mit den Busunternehmen.

Die beiden Büros für Mobilitätsplanung hatten daraufhin den Auftrag erhalten, das Konzept auf weitere Einsparpotenziale zu untersuchen – und legten diese dem Mobilitätsausschuss am Montag vor. Vorrangig, so erarbeiteten die Büros, sollte die Zahl der eingesetzten Fahrzeuge in den vier Betriebsgebieten deutlich von 65 auf nur noch 45 reduziert werden. Einhergehend mit einer Abkehr von einem Rund-um-die-Uhr-Betrieb hin zu Betriebspausen unter der Woche von 1 bis 4 Uhr in der Nacht. Dies, so die Planer, hätte auch zur Folge, dass etwa 90 000 Fahrerstunden weniger im Jahr anfallen würden, die Zahl der Betriebskilometer um nahezu eine Million und die der Leerkilometer um 800 000 zurückgehen würde – alles im Vergleich zum Ursprungskonzept.

Und das bei einer Steigerung der täglichen Fahrgastzahlen um etwa 20 Prozent auf rund 7100 Pendlerinnen und Pendler täglich. Die durchschnittliche Wartezeit auf einen Bestellbus hätte sich – wohlgemerkt im gesamten Landkreis – mit all diesen Maßnahmen indes im Schnitt auf etwa 18 Minuten erhöht, egal ob am S-Bahnhof oder einer der virtuellen Haltestellen, die über die MVV buchbar sind. Die Kosten hätten sich bei der Umsetzung der sogenannten Vorzugsvariante auf nur noch 7,5 bis 11,5 Millionen Euro belaufen.

Manche Haltestellen im Landkreis München werden kaum frequentiert – die Folge sind sogenannte Geisterbusse, die ohne Fahrgäste übers Land fahren. (Foto: Claus Schunk)

Die Einsparpotenziale bei etwas mehr als zwei Dutzend Regionalbuslinien entweder durch kompletten Wegfall oder Reduzierung des Angebots beziffern die Planer zugleich auf etwas mehr als fünf Millionen Euro – allerdings erst fünf Jahre nach der landkreisweiten Ausweitung des On-demand-Angebots. In einem ersten Schritt hätte das bestehende Pilotprojekt, das derzeit unter tags die Gemeinden Aying, Sauerlach und Brunnthal sowie in der Nacht Unter-, Oberhaching und Taufkirchen bedient und auch den Ostbahnhof anfährt, um den gesamten südöstlichen Landkreis bis ins Isartal erweitert werden sollen. Von 2026 an sollte der nördliche Landkreis von Unterschleißheim bis Kirchheim erschlossen werden, ein Jahr später der Osten von Feldkirchen bis Grasbrunn und als Letztes das Würmtal im Jahr 2028.

Daraus aber wird vorerst nichts. Mit großer Mehrheit lehnte der Ausschuss gegen die Stimme von FDP-Kreisrat Manfred Riederle die Einführung des Rufbusses in allen Landkreisteilen ab. Riederle indes sprach mit Blick auf das flexible Angebot von einem „Quantensprung“, der den öffentlichen Personennahverkehr attraktiver, qualitativ besser und pünktlicher mache. Auch die anderen Fraktionen hoben mit Blick auf das Pilotprojekt Flexbus die Vorzüge eines On-demand-Angebots hervor. „Je komfortabler, desto besser und auch wünschenswerter“, sagte der Oberhachinger Bürgermeister und CSU-Kreisrat Stefan Schelle. Er verwies aber auch auf die schwierige Haushaltslage nicht nur des Landkreises, sondern der Kommunen und warnte vor einer Erhöhung der Kreisumlage, also der Zahlungen der Städte und Gemeinden an den Landkreis. Diese würde mit der Einführung des Angebots unausweichlich. „Dann können wir als Gemeinde nur noch unsere Pflichtaufgaben erfüllen“, so Schelle.

In zwei Jahren läuft die Förderung durch den Freistaat aus

Wie auch sein Brunnthaler Amtskollege Stefan Kern (CSU) machte Schelle deutlich, dass nicht alle Linienbusse von On-demand-Angeboten ersetzt werden könnten: In gewissen Stoßzeiten, etwa bei Schülertransporten, würden diese an ihre Grenzen stoßen. Der Unterschleißheimer Bürgermeister und SPD-Kreisrat Christoph Böck plädierte ebenfalls dafür, die landkreisweite Einführung zu verschieben, wie es Landrat Christoph Göbel (CSU) ins Spiel brachte. Bei veränderter Finanzlage des Landkreises könne diese noch einmal genauer betrachtet werden. Der Grünen-Kreisrat und Landtagsabgeordnete Markus Büchler aus Oberschleißheim warb ebenfalls dafür, das Konzept nicht komplett fallen zu lassen. „Ich habe außerordentlich große Sympathien für das System und das Beispiel Flexbus hat gezeigt, dass es auch für den gesamten Landkreis interessant ist.“

Wie es mit diesem weitergeht, wird im ersten Halbjahr 2025 entschieden. Die einhellige Meinung der Mitglieder im Ausschuss ist, diesen weiter fortzuführen – auch über das Jahr 2026 hinaus. Allerdings endet in zwei Jahren die Förderung durch den Freistaat Bayern, der Subventionen für derart neue Projekte nur vier Jahre lang garantiert. Spätestens in zwei Jahren müsste der Landkreis München die bisher mehr als eine Million Euro jährlich für den Flexbus-Betrieb also allein tragen.

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