Süddeutsche Zeitung

Taufkirchen:Ein Netz für Radler

Ein Aachener Verkehrsbüro hat die Verkehrssituation im Ort und der Umgebung analysiert und dem Gemeinderat berichtet, dass noch zahlreiche Maßnahmen notwendig sind

Von Patrik Stäbler, Taufkirchen

Viel Licht, aber auch reichlich Schatten: So sieht die Situation der Fahrradfahrer in Taufkirchen aus, die das Verkehrsbüro Kaulen aus Aachen unter die Lupe genommen hat. Dessen Chef Ralf Kaulen präsentierte nun ein Radverkehrskonzept für den Ort, das der Gemeinderat infolge eines Grünen-Antrags bereits im Sommer 2017 in Auftrag gegeben und seither herbeigesehnt hatte. Dabei ging der Verkehrsplaner zunächst auf die Lage in der Region ein, die geprägt sei von einer "Dominanz des Kfz-Verkehrs" und einem öffentlichem Nahverkehr, "der kurz vor der Leistungsfähigkeitsgrenze ist". Allein deshalb müsse man umsteuern, betonte Kaulen. Und dabei biete das Verkehrsmittel Fahrrad "ganz enorme Zukunftspotenziale, um die Mobilität in der Gemeinde sicherzustellen".

Um den Bedarf der Radfahrer sowie derzeitige Hindernisse in Taufkirchen zu ermitteln, habe man sich für das Gutachten folgende Frage gestellt, sagte Kaulen: "Wie würde der Radler radeln, wenn er denn gut radeln könnte?" Ausgehend davon habe sein Büro Start- und Zielpunkte von Fahrradfahrern in Taufkirchen festgelegt und daraus ein Netz aus sinnvollen Verbindungen entwickelt - auf zwei Ebenen, die anschließend miteinander verknüpft wurden. Zum einen seien dies sogenannte Alltagsradler, die möglichst zügig und sicher zum Einkaufen, zur Schule oder zum Arbeitsplatz gelangen wollen.

Das MVG-Leihradsystem wird von vielen gelobt

Zum anderen habe man aber auch den Freizeitradverkehr berücksichtigt, sagte Kaulen. "Hier geht es eher um eine attraktive Wegeführung im Grünen und gut befahrbare Wegen." In der Folge sei das gesamte Netz durchfahren und auf Mängel untersucht worden, berichtete der Verkehrsplaner. Er verwies beispielsweise auf Poller, die Radfahrer behindern, etwa am Winninger Weg. Kritik äußerte Kaulen auch an den zu eng gesetzten Schranken im Oberhachinger Weg an der Kreuzung zum Köglweg, wo er lieber auf eine alternative Querungshilfe setzen würde. Und dann sei da noch "das größte Problem": die Unterführung am S-Bahnhof, "dieses schmale Teil", so Kaulen. "Hier müssen wir dringendst mit der Deutschen Bahn in Kontakt treten. Das ist kein Zustand." Weitere Kritikpunkte des Planers betrafen fehlende Radwege, etwa entlang der Münchner Straße und der Tegernseer Landstraße. Dies seien "Netzlücken, die nicht toleriert werden sollten".

Neben zahllosen Anregungen und Verbesserungsvorschlägen äußerte Ralf Kaulen aber auch lobende Worte. "Unüblich und wunderbar" seien etwa die vielen Tempo-30-Zonen in Taufkirchen, die ganz im Sinne der Radler verkehrsberuhigend wirkten, betonte der Verkehrsplaner. Vorbildlich sei auch das Leihradsystem der MVG. Zudem habe die Gemeinde in den vergangenen Monaten bereits etliche Ideen aus dem Radverkehrskonzept umgesetzt. Beispielsweise wurden mehrere Einbahnstraßen für Radler geöffnet und ein Bordstein in der Platanenstraße abgesenkt. "Das sind alles kleine Maßnahmen, die schon erfolgt sind", lobte Kaulen. Um den Radverkehr weiter zu stärken, brauche es freilich noch mehr: "Jetzt geht es um die Definition von Standards: Wollen wir Champions League oder nur ein bisschen Bezirksklasse?"

Die Antwort darauf müssen die Gemeinderäte in einigen Wochen geben. Dann wird ihnen der Abschlussbericht des Büros Kaulen vorliegen - mit Dutzenden Vorschlägen, wie der Radverkehr im Ort gestärkt werden kann, inklusive der einhergehenden Kosten. Über diese Liste wird dann der Gemeinderat zu entscheiden haben. Überdies dürfte auch die Frage nach einer Mitgliedschaft in der Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen (AGFK) erneut aufkommen. Im Juli hatte der Gemeinderat eine Bewerbung noch abgelehnt. Nun jedoch warb Ralf Kaulen: "Mit Ihrem Radverkehrskonzept haben sie schon 95 Prozent von dem, was die AGFK fordert. "

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Quelle:
SZ vom 02.11.2019
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