Ortsentwicklung:Bürgerbegehren zur Wohnbau-Begrenzung unzulässig

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Die Gemeinde Taufkirchen ist bereits in Teilen sehr urban geprägt. Eine weitere "Verstädterung" will eine Bürgerinitiative verhindern. (Foto: Claus Schunk)

Der Taufkirchner Gemeinderat erklärt einhellig die Fragestellung für nicht rechtskonform. Auch politisch lehnen bis auf die ILT alle den Vorstoß ab.

Von Patrik Stäbler, Taufkirchen

Ganz am Ende dieser Sondersitzung mitten in der Sommerpause stimmt der Gemeinderat sogar noch ein Liedchen an. Anlässlich von David Grothes 35. Geburtstag trällern die Lokalpolitikerinnen und -politiker ein "Happy Birthday" - nicht eben tonsicher, dafür aber mit hörbarem Verve. Allein Beatrice Brückmann von der Initiative Lebenswertes Taufkirchen (ILT) sitzt stumm dabei und verfolgt mit finstrem Blick die Gesangseinlage der übrigen Gemeinderatsmitglieder. Denn sie haben kurz zuvor das Bürgerbegehren namens "Stopp der Verstädterung", dessen Vertreterin Brückmann ist, einhellig als unzulässig erklärt. Somit wird es entgegen der Hoffnung der gut 1200 Unterstützer nicht zu einem Bürgerentscheid über die weitere Entwicklung von Taufkirchen kommen.

Mit seinem Votum schloss sich der Gemeinderat der Einschätzung einer Kanzlei an, die im Auftrag des Rathauses ein Gutachten zur Zulässigkeit des Bürgerbegehrens erstellt hatte. Der anwaltlichen Stellungnahme zufolge, die Bürgermeister Ullrich Sander (parteilos) in der Sitzung verlas, ist der Knackpunkt die Fragestellung des Bürgerbegehrens. Sie lautet: "Sind Sie für die Grundsatzentscheidung, dass kein neues Wohnbaurecht für den freien Privatmarkt ermöglicht werden darf, solange das genehmigte nicht realisiert wurde, und dass danach für diesen Markt höchstens 4000 Quadratmeter Geschossfläche pro Jahr ermöglicht werden dürfen mit mindestens 0,5 Quadratmeter Grünfläche je 1 Quadratmeter Geschossfläche."

Es bestehe eine "Verfälschung des Bürgerwillens"

Mit dieser Fragestellung würden die Initiatoren von der Taufkirchner Ortsgruppe des Bundes Naturschutz (BN) sowie der ILT gegen das Kopplungsverbot verstoßen, argumentieren die Anwälte. Demnach dürfen in einem Bürgerbegehren nicht mehrere Fragen verquickt werden, da dies zu einer "Verfälschung des Bürgerwillens" führe. Eine solche Kopplung ist laut der Kanzlei im vorliegenden Fall gegeben, da die Fragestellung sowohl einen vorläufigen Planungsstopp als auch Richtlinien für die künftige Planung beinhaltet.

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Wäre es nach Beatrice Brückmann gegangen, dann hätte der Gemeinderat an diesem Abend gar nicht erst über die Zulässigkeit des Bürgerbegehren abgestimmt. Sie kritisierte, dass die anwaltliche Stellungnahme den Gemeinderatsmitgliedern im Vorfeld der Sitzung nicht vorgelegen sei. Dabei bräuchten die Fraktionen bei einem solch komplexen Thema ausreichend Zeit zur Beratung über das anwaltliche Gutachten, befand Brückmann. Sie beantragte daher eine Vertagung, was der übrige Gemeinderat aber unisono ablehnte. In der Folge durfte Brückmann aufgrund ihrer persönlichen Beteiligung als Vertreterin des Bürgerbegehren nicht an der Debatte teilnehmen, weshalb sie ihren Stuhl einige Meter nach hinten rutschte. Von dort lauschte sie dann sichtlich erzürnt den Wortbeiträgen der Fraktionschefs, die sich nicht etwa um die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens drehten, sondern um dessen Inhalte und Ziele.

Diese lehnten alle Parteien in seltener Einmütigkeit ab. Rosemarie Weber (SPD) verwies dabei auf die geplante Neuaufstellung des Flächennutzungsplans, die mit einer umfassenden Bürgerbeteiligung einhergehen werde. "Da darf jeder mitreden", unterstrich Weber. "Und eine Vorfestlegung würde genau diesen wertvollen demokratischen Prozess verhindern." Dem pflichtete Hildegard Riedmaier (CSU) bei, die zudem betonte: "Eine Gemeinde, die sich positiv entwickeln möchte, muss in der Lage sein zu planen. Und wenn dieses Bürgerbegehren durchgehen würde, wären wir nicht mehr Herr des Geschehens." Derweil schickte David Grothe voraus, dass seinen Grünen die Bebauung, wie sie aktuell in der Gemeinde geplant sei, an einigen Stellen zu weit gehe.

Der Forderung des Bürgerbegehrens könne man sich aber dennoch nicht anschließen, würde sie doch "de facto einen kompletten Stillstand in Taufkirchen herbeiführen". Auch Maike Vatheuer-Seele (FDP) warnte mit Blick auf die Forderungen von BN und ILT: "Kein Altenheim, kein betreutes Wohnen, kein weiterer Wohnraum für Taufkirchner Familien. Diese Folgen wurden den Bürgern verschwiegen." Und Michael Lilienthal (Freie Wähler) sagte mit Blick auf den Sozialwohnungsbau, den das Bürgerbegehren weiterhin erlauben wollte: "Von diesen Wohnungen haben wir hier schon genug. Was wir in Taufkirchen brauchen, ist ein guter Mix an Wohnungen."

Im Anschluss an all diese Statements hoben die Gemeinderatsmitglieder einmütig die Hand, um für die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens zu stimmen. Dessen Initiatoren haben nun die Möglichkeit, Klage gegen diese Entscheidung vor dem Verwaltungsgericht zu erheben. "Wir werden jetzt erst mal die anwaltliche Stellungnahme genau studieren", sagte Beatrice Brückmann im Anschluss an die Sitzung, die nach kaum einer halben Stunde vorüber war. "Und danach", so die ILT-Gemeinderätin, "werden wir entscheiden, ob wir gegen den Beschluss des Gemeinderats vorgehen".

© SZ vom 14.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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