Tag des offenen Denkmals:Historische Spurensuche

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Die Keferloher Kirche Sankt Aegidius ist ein Zeugnis des Mittelalters, die Regattastrecke in Oberschleißheim ein Symbol des Brutalismus der Neuzeit. Beide zeigen die architektonische und geschichtsträchtige Vielfalt im Landkreis München.

Von Laura Richter, Landkreis München

Vergangenes aufdecken, die Geschichte bewahren und neue Nutzen für alte Gebäude finden - das motiviert Rolf Katzendobler. Er ist Architekt und engagiert sich ehrenamtlich als Denkmalpfleger für den Landkreis München. In den hiesigen Städten und Gemeinden hat er schon einige geschichtsträchtige Gebäude entdeckt und dafür gesorgt, dass sie für die Nachwelt erhalten bleiben. Seine Begeisterung für die Historie des Münchner Umlands will er am kommenden Sonntag, 11. September, mit den Menschen teilen - denn dann ist der Tag des offenen Denkmals, bei dem geschichtsträchtige Stätten im Landkreis ihre Türen für interessierte Besucher öffnen. "Denkmäler prägen die gewachsenen Ortsbilder und haben eine städtebauliche Bedeutung. Die historischen, noch nachhaltig errichteten Gebäude sollen eine Wertschätzung erfahren", so Katzendobler. Heuer lautet das Motto der deutschlandweiten Veranstaltung "KulturSpur - Ein Fall für den Denkmalschutz".

Und im Landkreis gibt es große Geschichten zu entdecken, wie in der Keferloher Kirche Sankt Aegidius. Sie ist eine der wenigen Bauten, der aus der Entstehungszeit Münchens noch erhalten ist. Im Inneren der 1173 erbauten Kirche finden sich die einzigen erhaltenen romanischen Fresken im Münchner Raum. Die aus der Erbauungszeit stammenden Malereien zeigen Christus - flankiert von Petrus und Paulus sowie der Apostel - als obersten Weltenrichter. Auch die Glocke der Kirche wird auf das Mittelalter zurückdatiert. Dies erkenne man zum Beispiel an der Majuskelschrift, die nur wenige Glocken ziere, erzählt Kirchenführer Gernot Roßmanith. Auch wenn sie dem Keferloher zufolge "ein bisschen blechern" klingt, macht sie das zu einer Seltenheit.

Zum Tag des offenen Denkmals kann in Sankt Aegidius auch der Kirchenschatz bestaunt werden. (Foto: Claus Schunk)

Am Sonntag wird der mehr als 65 Jahre verschollene Kirchenschatz präsentiert. Die verlorengeglaubten Heiligenfiguren und Monstranzen waren 2015 zufällig wieder aufgetaucht. Für 56 000 Euro wurden sie vom Förderverein der Gemeinde ersteigert. Der Öffentlichkeit sind sie bis auf die Statue des heiligen Aegidius normalerweise nicht zugänglich, am Sonntag zwischen 10 bis 17 Uhr kann der Schatz aber aus nächster Nähe begutachtet werden. Der Namensgeber der Kirche ist übrigens Schutzpatron der Viehhändler und der stillenden Mütter. Klingt kurios, aber: Dem gebürtigen Athener wird nachgesagt, er sei als Einsiedler von der Milch einer Hirschkuh genährt worden.

Neun Jahre lang musste die Kirche saniert werden

Architektonisch besteche das Gotteshaus durch seine Einfachheit, sagt Roßmanith. "Ich bin kein Kenner, aber für mich ist diese Kirche ein Kunstwerk", so der ehemalige Landwirt. Roßmanith bietet Führungen durch die Kirche an, bei denen er seine Faszination für das Denkmal mit geschichtlich interessierten Besuchern aus ganz Deutschland teilt. Dass er dies heute tun kann, ist das Ergebnis einer ganzen Menge harter Arbeit. Denn die Kirche ist vom Wandel der Jahrhunderte nicht verschont geblieben: Während der Gotik und des Barock wurde sie den Baustilen des 16. und 17. Jahrhunderts angepasst. Der Kirchturm wurde um ein Geschoss erhöht und die kleinen romanischen Fenster wurden durch größere ersetzt. Im Zuge einer großangelegten "Reromanisierung" in den Sechzigerjahren wurden diese Änderungen wieder rückgängig gemacht - leider unter Einsatz von ungeeignetem Putzmaterial. In der Folge drang zu viel Feuchtigkeit in das Mauerwerk ein und die Kirche musste gesperrt werden. "Sie war in einem desolaten Zustand", erinnert sich Roßmanith. Neun Jahre lang sanierte er gemeinsam mit dem hiesigen Förderverein das Gebäude. Seitdem ist das nunmehr 849 Jahre alte Bauwerk wieder für die Öffentlichkeit zugänglich.

"Es ist erstaunlich, dass so eine große Kirche in einem kleinen Weiler mit zwei Bauernhöfen errichtet wurde", sagt der 79-Jährige. Über die Gründe gibt es viele Spekulationen, Belege wurden bisher aber noch keine gefunden. Als gesichert gilt aber, dass der Standort an der historischen Salzstraße zwischen Salzburg und Augsburg liegt. Die Kirche dürfte ebenso ein Anlaufpunkt für Besucher des berühmten Viehmarkts gewesen sein, aus dem später mit dem Keferloher Montag der Vorläufer des Oktoberfests entstanden ist. Für den aus dem Sudetenland geflohenen Gernot Roßmanith war es "ein Wink mit dem Zaunpfahl", sich für die Erhaltung der Sankt Aegidius Kirche einzusetzen, als er im Jahr 1969 wegen seiner Frau nach Keferloh kam. Und solange ihm der Herrgott einen klaren Verstand gewähre, werde er den Besuchern das Kunstwerk näher bringen, erzählt der Rentner.

Neun Millionen Euro von ursprünglich geplanten rund 100 Millionen sind für die Sanierung der Regattastrecke Oberschleißheim infolge der Corona-Pandemie übriggeblieben. (Foto: Stephan Rumpf)

Aber nicht nur Altes kann Geschichte schreiben, auch jüngere Bauten können wegen ihrer Historie unter Denkmalschutz gestellt werden. Die Oberschleißheimer Ruderregattaanlage, die eigens für die Olympischen Spiele 1972 errichtet worden ist, ist ein gutes Beispiel dafür. "Neben ihrer Geschichte, ist es das brutalistische Ensemble, das die Anlage schützenswert macht", sagt Kreisdenkmalpfleger Rolf Katzendobler. Die Anlage ist einer der wenigen Bauten im Landkreis, die dem Baustil des Brutalismus zugeordnet werden kann. Das habe nichts mit brutal zu tun, erzählt der Architekt, "sondern kommt aus dem Französischen béton brut, was so viel wie roher Beton bedeutet". Seit 2018 stehen das 2,2 Kilometer lange Wasserbecken und die baulichen Anlagen samt Tribüne, Bootshallen und Unterkunftsgebäuden einschließlich Sporthalle, Start-, Ziel- und Messtürmen sowie dem künstlich geführten Bachlauf bis hin zu der Betonskulptur unter Denkmalschutz.

Die Regattaanlage in Oberschleißheim ist ein architektonisches Meisterwerk, das die Gemeinde bis heute prägt. (Foto: Sebastian Gabriel)

Der Bau sei zeittypisch für die frühen Siebziger, erkennbar durch die Verbauung von viel Holz und Beton, sagt Thomas Hermann, Referent des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege für den Landkreis. "Die Anlage steht stellvertretend dafür, wie Olympische Spiele Orte verändern können", so Hermann. Wie die noch heute genutzte Ruderregattaanlage das ländlich geprägte Oberschleißheim veränderte, wird der Denkmalpfleger in seiner Führung am kommenden Sonntag näher erläutern. "Wie geht es mit solchen Sportstätten weiter?", sei eine der wichtigen Fragen, die wir uns heute stellen müssten. Denn es gehe beim Denkmalschutz insbesondere darum, "wie man Aspekte der Vergangenheit fassbar macht und die Zeitzeugen in Form von Gebäuden für die Nachwelt bewahrt", so Hermann. Die Besucher am Tag des offenen Denkmals erwartet ein umfassendes Programm, das zum Erreichen dieses Ziels seinen Beitrag leisten soll. Die anderthalbstündige Führung durch die Regattaanlage in Oberschleißheim beginnt um 10 Uhr. Der Treffpunkt ist am Zielturm der Anlage.

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