Süddeutsche Zeitung

Mobilität:Mit Bahn und Bus bis ins hinterste Dorf

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Warum Südtirol nach Ansicht der Grünen zum Vorbild für den öffentlichen Personennahverkehr im Landkreis München und der Region werden könnte.

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis München

Drei Mal umsteigen und der Skifahrer steht direkt auf der Piste - ganz ohne Auto. Und zwar in Südtirol. Mit der S-Bahn geht es etwa von Ottobrunn bis zum Münchner Hauptbahnhof, dann der schnelle Wechsel in den Intercity, der einen bis nach Franzensfeste im Wipptal bringt, von dort aus geht es weiter mit der Pustertalbahn bis in die Gemeinde Percha auf 970 Meter Höhe. Dort setzt sich der Wintersportler in die Seilbahn, die ihn direkt ins Skigebiet Kronplatz bringt. Ganz emissionsfrei, ohne Stau, Abgase und Stress. "Das Auto ist dort überflüssig", sagt Markus Büchler über Südtirol, die autonome Provinz ganz im Norden Italiens, die mit ihrem öffentlichen Personennahverkehr nach Ansicht des Grünen-Landtagsabgeordneten aus Oberschleißheim ein Vorbild für den Landkreis München, die Metropolregion München, ja ganz Bayern sein könne und müsse, wie Büchler betont.

Doch dies war nicht immer so. Denn die Eisenbahn war in Südtirol eigentlich schon Geschichte, wie der Verkehrsplaner Helmuth Moroder aus Bozen am Montagabend in einem von Büchler initiierten Webinar mit dem Titel "Vorbild Südtirol - Was können wir in Bayern beim Ausbau von Bus und Bahn lernen?" sagte. Moroder muss es wissen, er war schließlich maßgeblich an der Reaktivierung der Eisenbahn in Südtirol beteiligt. Genau genommen zunächst der etwa 60 Kilometer langen Vinschgerbahn, die von Meran aus über Bozen, dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zentrum der Provinz, an der Etsch entlang durch den Vinschgau führt.

Im Jahr 1906 wurde die Trasse eröffnet, 1991 eingestellt und im Jahr 2005 wieder eröffnet, auf Betreiben einiger Bahnaktivisten hin, wie Moroder sagte. Diese hätten die Südtiroler Landesregierung, eher konservativ angehaucht und keine große Freundin der Verkehrswende, so lange genervt, bis diese nachgegeben habe. "Die Vinschgerbahn war ein Eisbrecher", erinnert sich der Verkehrsplaner. Denn was folgte, war die Wiederauferstehung der Eisenbahn mit den Trassen ins Pustertal, Richtung Trento, die Anbindung bis in die Schweiz, die millionenschwere Modernisierung der Bahnhöfe - und der Ausbau der Busverbindungen bis hinauf in die Täler und in das hinterste Dorf.

Südtirol zeigt nach Ansicht des Grünen-Abgeordneten Büchler, wie guter öffentlicher Personennahverkehr aussehen und auch einen Beitrag zu wirtschaftlichem Wohlstand leisten könne. "Guter ÖPNV kurbelt die Wirtschaft an und fördert mittelständische Betriebe. Nicht nur die Verkehrsunternehmen, sondern das ganze Wirtschaftsleben, Tourismus, Gastgewerbe profitieren", so Büchler. Dies unterstrich auch Verkehrsplaner Moroder. Die Anbindung der Skigebiete mit der Bahn biete nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische Vorteile. Im Vinschgau etwa wurde bereits nach der Inbetriebnahme der Bahn eine Zunahme um 200 000 Übernachtungen gezählt.

Attraktiv ist aber auch der sogenannte Südtirol-Pass, ein Ticketsystem, das jeder zweite Südtiroler nutzt. Die Nutzer zahlen tatsächlich nur die gefahrenen Kilometer, das Ticket wird immer günstiger, je mehr der Nutzer unterwegs ist. Von 20 000 gefahrenen Kilometern an zahlt er überhaupt nichts mehr, der maximale Preis im Jahr liegt bei 640 Euro. Südtirol habe viel weniger Einwohner als der gesamte MVV-Raum, so Büchler, es zeige sich, dass ein einfaches und günstiges Ticketsystem hilft, neue Fahrgäste aus dem Auto in Bus und Bahn zu locken.

Im Land der Skigebiete spielen indes Seilbahnen im ÖPNV kaum eine Rolle, und sie seien auch nicht für den öffentlichen Personennahverkehr geeignet, findet Moroder. Vor allem seien sie zu langsam und in der Ebene nicht effektiv genug. Eine Erkenntnis, die einige im Landkreis München nicht gerne hören werden, gibt es hier doch zahlreiche Planungen für den Einsatz von Seilbahnen im Nahverkehr in und um München.

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