Erneuerbare Energien:Autark mit ökologischer Kapitalanlage

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Eine von insgesamt 40 im Landkreis München: die Bürgersolaranlage auf dem Dach der Neurieder Mehrzweckhalle. (Foto: privat/Bürgerenergiegenossenschaft Beng)

Im Landkreis München entstehen immer mehr Bürgersolaranlagen. Vorreiter ist die Gemeinde Neuried, die sich zum Ziel gesetzt hat, den verbrauchten Strom bald selbst zu produzieren.

Von Annette Jäger, Neuried

Jede Stunde Sonnenschein bringt nicht nur gute Laune, sondern auch ein Renditeplus. So einfach geht die Rechnung, wenn man in eine Bürgersolaranlage investiert hat. Dann ist es egal, was der Deutsche Aktienindex Dax macht, was zählt, ist gutes Wetter. Bürgerenergiegenossenschaften sind ein Erfolgsmodell. Im Landkreis München ist die Bürgerenergiegenossenschaft Beng eG aktiv, die aus einem Verein hervorgegangen ist. Verein und Genossenschaft haben insgesamt mehr als 40 Bürgersolaranlagen errichtet, viele davon im Landkreis München. Spitzenreiter ist die kleine Gemeinde Neuried. Hier werden bereits die vierte und fünfte Anlage konzipiert. Am kommenden Montag, 28. März, werden die beiden Projekte vorgestellt.

In Zeiten, in denen der Ruf nach unabhängiger Energieversorgung laut schallt, erscheinen die Bürgerenergiegenossenschaften im Rampenlicht. Sie praktizieren längst, wonach jetzt alle rufen. Die Bürgersolaranlagen produzieren erneuerbare Energie, regional, dezentral und damit unabhängig. Es sind Bürger, die durch ihre Mitgliedschaft in der Genossenschaft die Energiewende vorantreiben und obendrein das gute Gefühl haben können, in eine ökologische Kapitalanlage zu investieren, sagt Katharina Habersbrunner, stellvertretende Vorsitzender der Beng eG.

"Wir müssen jedes brauchbare Dach nutzen", sagt Neurieds Dritter Bürgermeister

Die Bürgersolaranlagen setzen auf die Kooperation mit den Kommunen. Die Gemeinden verpachten Dachflächen auf den öffentlichen Gebäuden, die Genossenschaft plant, finanziert, baut, betreibt und wartet die Photovoltaikanlagen, die Bürger beteiligen sich finanziell daran. In Neuried gibt es bereits Anlagen auf der Feuerwehr und auf der Mehrzweckhalle, jetzt soll eine auf dem Teilneubau der Grundschule dazukommen und auf dem neuen Kinderhaus am Bozaunweg. Die Anlage auf dem Kinderhaus wird etwa 70 000 Euro kosten. Bürger werden Mitglied bei der Beng und können sich in jeweils Tausend-Euro-Paketen daran beteiligen: 100 Euro davon fließen als Beteiligung in die Genossenschaft und 900 Euro sind ein Nachrangdarlehen für das jeweilige Projekt, hier die Anlage auf dem Kinderhaus. Beides wird verzinst: Der Genossenschaftsanteil hat 2021 zehn Prozent Rendite abgeworfen, was auch dem Wert der vergangenen Jahre entspricht, so Habersbrunner.

Das Nachrangdarlehen wird mit zwischen 2,5 und 3 Prozent verzinst. Der Zinssatz hängt von der Leitungsfähigkeit der Anlage ab - je mehr Sonne scheint und je mehr Strom produziert wird, desto höher die Rendite, erklärt Habersbrunner. Das Darlehen wird ab dem 7. Jahr des Anlagenbetriebs getilgt. "Nach 20 Jahren haben die Mitglieder den Betrag des Nachrangdarlehens zurück" - plus Zinsen.

Das Potenzial für diese Art der Stromerzeugung sei "riesig", sagt Habersbrunner. "Im Raum München gibt es viele ungenutzte Dachflächen." Aber nicht jede Gemeinde sei offen dafür. Es braucht politischen Willen, in Neuried ist der vorhanden. Das liegt auch am Personal: Bürgermeister Harald Zipfel (SPD) hat vor seiner Tätigkeit als Bürgermeister beruflich Solaranlagen geplant und gebaut und viele Bürgersolaranlagen selbst mit auf den Weg gebracht. Dieter Maier ist Dritter Bürgermeister und betreibt die Energiewende als Mitglied der Grünen mit Nachdruck. Die Kommune will langfristig klimaneutral sein und den verbrauchten Strom selbst produzieren, sagt Maier. Ein Grundsatzbeschluss des Gemeinderats, vor einigen Jahren gefasst, soll den Weg dafür ebnen. Danach müssen bei allen Bauvorhaben die Dächer geprüft werden, ob sie sich für solare Energieerzeugung eignen. "Wir müssen jedes brauchbare Dach nutzen", sagt Maier.

Weitere Anlagen stehen in Aschheim und Kirchheim, in Oberschleißheim wird gerade eine geplant

Dass die Anlagen extern errichtet und betrieben werden, habe für die Gemeinde Vorteile: Die Investition belastet nicht das Gemeindebudget und die Kommune muss nicht gewerblich agieren, um den erzeugten Strom zu verwerten. Zudem zahlt sie einen geringeren Strompreis an die Beng, denn ein Teil des produzierten Stroms wird im jeweiligen Gebäude verbraucht. Nicht zuletzt stärkt das Konzept den lokalen Wirtschaftskreislauf, sagt Maier.

Auch andere Kommunen sind offen für Bürgersolaranlagen. In Aschheim ist die erste Anlage der Beng eG entstanden. Der Solarpark speist seit 2011 Strom ins Netz ein und macht in seiner Größe 40 Prozent des Portfolios der Bürgerenergiegenossenschaft aus. Es gibt zwei weitere Anlagen in Aschheim. Auch in Kirchheim gibt es drei Projekte, in Oberschleißheim wird gerade die zweite Anlage auf dem Dach der Kläranlage geplant, vergangenen Woche fand die Bürgerinformationsveranstaltung dazu statt.

Auf dem Dach der Feuerwehr in Neuried ist schon eine Anlage entstanden, auf dem Kinderhaus ist die nächste geplant. (Foto: privat/Bürgerenergiegenossenschaft Beng)

Wenn die Beng einmal "den Fuß in der Tür hat" und die Bürgermeister die Akzeptanz unter den Bürgern spüren, werden weitere Projekte umgesetzt, hat Habersbrunner erfahren. An den Bürgern und der Finanzierbarkeit mangele es nicht. Die meisten Bürgersolaranlagen werden überzeichnet - es finden sich mehr willige Investoren, als die Genossenschaft Anteile vergeben kann. Maier sieht den Grundsatzbeschluss als wichtige Weichenstellung für die dezentrale Energiewende. Dann sei in den Verwaltungen klar, dass eine Prüfung der Photovoltaiktauglichkeit von Dächern ausdrücklich gewünscht ist.

Die geplante Photovoltaikanlage auf dem Dach des Kinderhauses in Neuried wird im Durchschnitt 72 000 Kilowattstunden Strom im Jahr produzieren, sagte Habersbrunner. Das entspricht etwa dem Jahresbedarf von 29 Haushalten. Noch werden nur 25 Prozent des produzierten Stroms für die Einrichtung selbst genutzt, der Rest wird ins Netz eingespeist. Ziel sei es, den produzierten Strom auch komplett lokal in der Nachbarschaft zu verwenden. Dann könnte die breite Masse an Bürgern von günstigeren Strompreisen profitieren. Aber das ist noch Zukunftsmusik, sagt Habersbrunner.

Eines machen die Bürgersolaranlagen deutlich: Wenn Bürger unmittelbar einen Nutzen haben und lokal investieren können, steigert das die Akzeptanz einer Energiequelle. Dieselbe Psychologie ließe sich für den Betrieb von Windkraftanlagen nutzen. Auch daran arbeiten die Neurieder.

Die Online-Infoveranstaltung in Neuried findet am Montag, 28. März, um 19 Uhr statt. Eine Anmeldung per E-Mail an kontakt@beng-eg.de ist erforderlich.

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