Süddeutsche Zeitung

Feuerwerk:"Das ist die Hölle für die Tiere"

Veterinäre, Vogelschützer und Pferdehalter beklagen die Folgen der Silvesterknallerei. Einige fordern ein Verbot.

Von Michael Morosow, Landkreis München

Aus feuerpolizeilicher Sicht ist die Silvesterknallerei im Landkreis München in relativ geordneten Bahnen verlaufen. Von 40 Einsätzen berichtet die Feuerwehreinsatzzentrale, meist seien Büsche, Mülltonnen und Bäume in Brand geraten. Menschen seien dabei aber nicht zu Schaden gekommen. Verletzte und wahrscheinlich auch Todesopfer gab es freilich dennoch: Tiere, die sich mitten in der Nacht völlig unvorbereitet einem Inferno ausgesetzt sahen, das in Form von Raketen und Böllern über sie hereinbrach.

Und gerade Vögel waren die Leidtragenden, so etwa drei Greifvögel, die am Neujahrstag in der Eulen- und Greifvogelauffangstation in Otterfing abgegeben wurden. "Jedes Jahr dasselbe", sagt deren Leiter Alfred Aigner, der sich schon lange gegen ungezügelte Silvesterknallerei und für zentrale Feuerwerke ausspricht. Einer der Greifvögel habe ein Anflugtrauma erlitten, sagt Aigner. Das heißt, dass er durch Detonationen und zischende Raketen mitten in der Nacht aufgeschreckt, in blinder Panik geflüchtet und gegen Bäume oder Häuser geprallt ist. Ein anderer Greifvogel habe wohl "direkt eine Ladung abbekommen", berichtet Aigner.

"Das ist die Hölle für die Tiere", sagt Heike Reball, die eine tierärztliche Fachpraxis für Vögel und Exoten in Unterhaching führt. Die Veterinärin geht davon aus, dass die Dunkelziffer verletzter oder getöteter Tier hoch ist. Viele finde man erst viel später oder würden durch ihre Verletzungen Opfer von Beutegreifern. "Der Wald gibt viele Tiere nicht mehr frei", wenn mitten in der Nacht und während ihrer Ruhezeit es plötzlich kracht und grelles Licht sie blendet, "dann ist das für sie wie Krieg", sagt Reball, die es als Zumutung betrachtet, dass ein Teil der Bevölkerung mit Raketen und Böllern feiern wolle und alle anderen darunter leiden müssten. Es sei durchaus überlegenswert, ob man über ein Feuerwerksverbot zu Silvester nicht die Bevölkerung in einem Volksentscheid abstimmen lassen sollte, sagt Heike Reball.

Korbinian Pieper, Chefarzt der Tierklinik Oberhaching, zeigt sich glücklich darüber, dass diese in einem Industriegebiet liegt, wo nicht viel geböllert wird. Selbst Tiere, die sonst ruhig und gelassen seien, würden auf das Getöse zum Jahreswechsel extrem reagieren. Bei ihm seien die Tiere deshalb in dieser Zeit im Untergeschoss in schallisolierten Räumen untergebracht gewesen. Die Angstproblematik spielt auch in der Tierklinik Ismaning eine große Rolle. Manche Halter müssten ihre Tiere medikamentös beruhigen oder in Räumen ohne Fenster bringen. Glücklicherweise, so sagt auch ein Sprecher der Tierklinik, befinde sich diese nicht in einem Wohngebiet, wo Raketen steigen und Böller detonieren. Besonders empfindlich seien Rinder und Pferde, sagt ein Kliniksprecher.

Das weiß man bestens im Brandlhof, einer Pferdepension in Straßlach. Zum Glück seien die Pferde in einer Box untergebracht und nicht in einem offenen Stall, wo sie sich verletzen könnten, wenn sie in Panik gerieten. Dennoch seien an Silvester einige Besitzer bei ihren Tieren geblieben, um sie zu beruhigen. "Einige kommen mit dem Stress zurecht, andere drehen am Rad", sagt ein Sprecher der Pferdepension, die nahe an der Straße liegt, nicht weit von der Gaststätte Roiderer, auf dessen Parkplatz an Silvester sehr viel geschossen worden sei.

Nicht nur für sie selbst sei der Krach grauenhaft gewesen, sondern auch für Tiere, vor allem Vögel, schreibt SZ-Leserin Brigitte Broßmann aus Neubiberg. Sie trete für ein Verbot privaten Feuerwerks ein, auch weil es in Zeiten des Klimawandels nicht mehr zeitgemäß sei. "Das sollte auch in der Politik ankommen", schreibt sie.

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