Am Himmel leuchten Funken und bunte Sterne, am Boden bleibt der Müll. Silvester ist ein Fest, das Spuren hinterlässt. An Straßenrändern weichen Feuerwerksverpackungen im Regen auf, Böllerreste und Raketenrelikte zieren Grünstreifen, hier und da gesellt sich eine leere Sektflasche dazu, manchmal ein ganzer Bierkasten. Nach dem Fest sind die Städte und Gemeinden im Landkreis München tagelang damit beschäftigt, Partymüll aufzusammeln.
Auch wenn in diesem Jahr, in dem erstmals nach zwei Jahren Pandemie-Pause wieder Feuerwerk erlaubt war, nicht überall mehr Müll auf den Straßen anfiel als sonst an Silvester, ist es dennoch enorm, was zusammenkommt. In Unterschleißheim etwa sind es am Ende der Sammelaktion drei bis vier Tonnen, schätzt Reinhard Reiter, Werksleiter der Stadtwerke.
Unter dem Motto "Weniger ist mehr" richtete Garchings Bürgermeister Dietmar Gruchmann (SPD) vor der Silvesterparty einen Aufruf auf der Stadt-Homepage an die Garchinger, die Kracherei im Rahmen zu halten. Die Verbote der letzten zwei Jahre hätten Umwelt und Mensch gutgetan, schrieb der Rathauschef. Er erinnerte an die Feinstaubbelastung, den ökologischen Schaden und die Störung von Wildtieren. Doch es kam anders. Überall im Landkreis wurde an Silvester besonders viel und lange geböllert. Es ist ein Eindruck, den man aus vielen Kommunen hört.
Dorit Zimmermann sammelt mit ihrer Gruppe "Plastikpaten" das ganze Jahr über den Müll anderer Leute auf.
(Foto: privat)Es sind wenig schmucke Stillleben geworden, die Dorit Zimmermann aus Neuried und ihr Ehemann spontan am Neujahrsmorgen fotografiert haben. Es habe "katastrophal" ausgesehen, sagt Zimmermann. Sie hat einen scharfen Blick für Müll. Vor etwa drei Jahren hat sie die Initiative Plastikpaten gegründet, bei der Ehrenamtliche im Würmtal in Eigeninitiative regelmäßig Müll in der Natur einsammeln.
Inzwischen sind es 80 Mitstreiter geworden. Vor Silvester hatte die Initiative vor Chemikalien aus Silvesterböllern gewarnt, die in die Gewässer gelangen können, vor Mikroplastikpartikeln, die langfristig in den Boden eingetragen werden. Denn die Kommunen räumen zwar im Gemeindegebiet nach Silvester alles feinsäuberlich auf, aber Raketenreste, die irgendwo in der Natur landen, finden die Plastikpaten noch monatelang. Auch aus dem Perlacher Forst wurden Party-Hinterlassenschaften auf Facebook gepostet.
Manche Feiernde tragen ihre Abfälle immerhin noch zum Container, legen sie dort aber einfach ab.
(Foto: Tom Wacker)Nach den Feiertagen ist das große Aufräumen angesagt. In Neuried wurde auf dem Wertstoffhof extra ein Sperrmüllcontainer frei gehalten für den Silvesterabfall, in Unterschleißheim fiel vor allem im Valentinspark und auf der S-Bahn-Brücke Silvestermüll an. Nach dem Fest lassen die Leute an den öffentlichen Party-Treffpunkten alles einfach liegen, sagt Reiter. Auch wenn das Müllaufkommen in Unterschleißheim nicht höher war als in früheren Jahren, dauerten an Tag zwei nach Silvester die Aufräumarbeiten immer noch an.
Überhaupt ist nach den Feiertagen insgesamt hohes Müllaufkommen zu verzeichnen, auch Weihnachten bringt Müllberge mit sich. So manche Mülleimer an Bushaltestellen würden überquellen, manche Leute stellten ihre Pappkartons teilweise einfach daneben ab, sagt Reiter. "Das sieht schon wild aus an manchen Stellen."
Auch in Gräfelfing wird aufgeräumt. Zwar sei es auch dort nach Silvester "nicht übermäßig" vermüllt, stellt Christian Geier, Leiter des Bauhofs, fest - das sagen auch die Verantwortlichen in Oberhaching und Pullach - dennoch gibt es Arbeit: So haben Bauhofmitarbeiter in Gräfelfing schon Tag drei damit verbracht, Kartonagen zu zerkleinern, die die Leute einfach an den Containerstandorten abstellen. Um sie in die Stutzen der Unterflurcontainer zu füllen, müssen sie zerrissen werden, das scheint manchen zu viel Arbeit zu sein. Auch in Neuried quellen die Wertstoffcontainer über. Menschen stellen Kartons und Tüten voller Leergut einfach davor ab.
Die Wegwerfmentalität nimmt zu
Beim Thema Müll öffnet sich eine Schere: zwischen jenen, die sich verantwortlich fühlen, auch fremden Müll aufzusammeln, und jenen, die einfach alles liegenlassen. Diese Schere gehe "sehr weit auseinander", beobachtet Peter Kotzur, Leiter unter anderem des Bauhofs in Pullach. Die "Wegwerfmentalität" nehme zu, findet er. Leider seien es oft "jüngere Bürger", die an den öffentlichen Treffpunkten ihre Party-Relikte hinterließen. Er sieht darin eine Haltung: "Irgendein Trottel wird es wegräumen."
Das beobachtet auch der Gräfelfinger Kollege Christian Geier. Am sommerlichen Party-Hotspot am Anger an der Würm würden die Leute einfach ihre Dosen in die Natur werfen, es gebe "kein Gefühl" dafür, seinen Unrat wieder einzusammeln. Inzwischen rückt der Bauhof im Sommer an sieben Tagen in der Woche aus, um das Würmufer aufzuräumen. "Früher haben wir die Wochenenden ausgelassen, das geht nicht mehr." Dorit Zimmermann glaubt, dass der Alkoholkonsum - etwa in der Silvesternacht - mitverantwortlich ist für die sinkende Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen für den eigenen Müll.
Manchmal vermutet Kotzur auch eine Art Trotzreaktion hinter den Party-Hinterlassenschaften. "Je mehr die einen aufräumen, desto mehr werfen die anderen weg", ist sein Eindruck. Eine, die zu den Sammlerinnen gehört, ist Elke Essmann vom Bund Naturschutz in Pullach. Sie nimmt bei Spaziergängen alles mit, was sie an Müll an der Isar findet.
Und wenn sie keinen Beutel dabei hat, kehrt sie später extra noch mal zurück und sammelt die Fundstücke ein. Ihr tue es weh, den Müll in der Natur zu sehen. Sie glaubt, dass vielen das Bewusstsein fehle, wie sehr der Müll der Umwelt schade. Und wenn schon Müll herumliegt, fühlen sich andere gar eingeladen, noch mehr dazu zu werfen - dieses Verhalten lasse sich sogar durch Studien bestätigen, sagt Dorit Zimmermann: Dort wo es sauber ist, sei die Hemmschwelle höher, Müll zu entsorgen, "je schmutziger es ist, desto mehr Müll wird abgeliefert". Zimmermann ist auch Vorsitzende der Kreisgruppe des Bundes Naturschutz. Im Sommer wurde erst eine neue Arbeitsgruppe zum Thema Müll gegründet, eben weil die Ehrenamtlichen den Eindruck haben, dass "das Müllthema hinten runterfällt".
Bei einem professionellen Feuerwerk fällt praktisch kein Müll an
In einer Ortschaft fällt das große Silvesteraufräumen seit Jahren minimalistisch aus: In Siegertsbrunn veranstaltet die Freiwillige Feuerwehr seit etwa 15 Jahren ein zentrales professionelles Feuerwerk, das von überall aus im Ort zu sehen ist. Leute spenden dafür. Leonhard Karl, Vorsitzender des Feuerwehrvereins, ist sich sicher, damit bis zu 70 Prozent des Mülls zu reduzieren. Denn das Profifeuerwerk löse sich vollständig auf am Himmel, es fielen keine Raketenreste irgendwo in die Natur.
Seine Beobachtung macht Karl an eigener Erfahrung fest: Früher habe die Familie auf dem Hof in Siegertsbrunn jedes Mal am 1. Januar Böllerreste eingesammelt, auch wenn dort gar kein Feuerwerk gezündet wurde. Das ist seit dem zentralen Feuerwerk nicht mehr nötig.