SZ-Aktion "Läuft mit uns":Der natürliche Glücklichmacher

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Die Leichtigkeit des Laufens: Amelie Kiener aus Unterschleißheim erklimmt die Stufen im Münchner Olympiastadion. (Foto: privat)

Die eine trifft beim Laufen politische Entscheidungen, der andere hat am Anfang beim Joggen noch die Kippe im Mund . Die SZ hat Menschen befragt, was sie zum Trainieren animiert hat - und warum sie noch dabei sind.

Protokolle von Anna-Maria Salmen, Landkreis München

Emil Zátopek, der große tschechoslowakische Leichtathlet des 20. Jahrhunderts, hat es sehr prägnant auf den Punkt gebracht: "Vogel fliegt, Fisch schwimmt, Mensch läuft." Aber wie und wann fängt der Mensch wirklich an zu laufen - nur wenn er muss oder auch weil er will? Der 1922 im nordmährischen Kopřivnice geborene Zátopek sollte dem Willen seiner Eltern nach Lehrer werden, was aber am Geld scheiterte. Er absolvierte stattdessen eine Lehre als Schuhmacher und stieg in seinem Werk rasch in das chemische Forschungsinstitut auf. Großes Interesse am Laufen aber hatte er nie gezeigt. Das änderte sich, als er an einem Betriebswettbewerb teilnahm und den zweiten Platz belegte. Es folgten weitere Wettkämpfe, ehe er von einem Leichtathletiktrainer entdeckt wurde und anfing, bei diesem professionell zu trainieren. Zátopeks Bilanz: Vier olympische Goldmedaillen im Langstreckenlauf, drei goldene bei Europameisterschaften, unzählige nationale Titel - und der Status als ewige Lauf-Ikone.

Zu der bringt es nicht jeder. Aber jeder Läufer hat einen inneren Antrieb, warum er sich überhaupt in Bewegung setzt. Die SZ hat bei ganz unterschiedlichen Sportlern nachgefragt, was ihre Motivation war und ist, was sie zum Laufen gebracht hat und was ihnen der Sport bringt.

Amelie Kiener, 17, Unterschleißheim

"Ich bin über das Leichtathletik-Training zum Laufen gekommen. Zuerst habe ich hauptsächlich Mehrkampf gemacht, dann Speerwurf - das Laufen war da noch eher nebenbei. Seit ungefähr vier Jahren konzentriere ich mich mehr auf das Laufen, mittlerweile ist es der Sport, der mir am meisten Spaß macht. Man kann sich in kürzester Zeit auspowern und ist auf nichts angewiesen. Für den Anfang ist es gut, wenn man sich eine Gruppe sucht. Da ist oft auch die Motivation größer, zum Beispiel wenn es draußen regnet und man gemeinsam trotzdem laufen geht. Das Schöne ist, dass man beim Laufen schnell eine Verbesserung merkt, wenn man bei null anfängt. Ich selbst habe vor drei Jahren mit Laufwettbewerben gestartet, das ist immer aufregend. Mein spannendstes Rennen war bisher die Süddeutsche Hallenmeisterschaft. Es ist toll, mit Menschen an der Startlinie zu stehen, die alle die gleiche Leidenschaft haben. Manchmal trainiere ich auch mit Konkurrenten, wir pushen uns dabei gegenseitig. Der kleine Konkurrenzkampf motiviert."

Claudia Töpfer ist über den Fußball zum Laufen gekommen. (Foto: privat)

Claudia Töpfer, 31, aus Unterhaching

"Ich laufe, seitdem ich 14 oder 15 bin. Früher habe ich viel Fußball gespielt, dafür habe ich Ausdauer gebraucht. Am Anfang war das Laufen eher ein bisschen langweilig, der Spaß ist erst gekommen, als ich älter geworden bin, vor allem, als ich in den Beruf eingestiegen bin. Da ist Laufen einfach der Sport, den man machen kann: Man braucht nur Turnschuhe und los geht's. Manchmal muss man sich natürlich überwinden, gerade wenn man allein läuft, aber wenn man es dann schafft, ist man danach immer glücklich. Es ist schön, dass man beim Joggen seinen Gedanken freien Lauf lassen kann. Ich treffe auch viele Entscheidungen beim Laufen, egal ob privat, beruflich oder auch politisch. Die meiste Zeit laufe ich mit meinem Fraktionskollegen Emil Salzeder. Die Idee, eine Neo-Fraktion in Unterhaching zu gründen, ist auch beim Laufen mit ihm entstanden. Mein großes Ziel dieses Jahr ist, für einen Marathon zu trainieren - ich habe schon einen Halbmarathon geschafft und will unbedingt ein Mal im Leben einen ganzen laufen."

Joachim Reiter hat dem Laufen viel zu verdanken. (Foto: privat)

Joachim Reiter, 57, aus Straßlach-Dingharting

"Ich habe als Kettenraucher mit dem Laufen angefangen. 2007 habe ich den Entschluss gefasst, einen Marathon zu laufen - da hatte ich vorher noch nie Laufschuhe an. Ich habe trainiert und hatte einige Rückschläge, aber ich habe nie aufgegeben. Ein Jahr später habe ich dann tatsächlich am Marathon in New York teilgenommen. Das Laufen hat mich komplett transformiert: Gerade so ein Ausdauersport erfordert Disziplin, man nimmt seinen Körper viel bewusster wahr. Anfangs bin ich noch rauchend gelaufen, letztendlich habe ich es dem Sport zu verdanken, dass ich die Hürde genommen und mit dem Rauchen aufgehört habe. Wenn jemand es richtig angeht mit dem Laufen, wird er feststellen, dass es etwas Meditatives hat. Es gibt nichts Ehrlicheres als Laufen: Da bist nur du und die Straße. Auch die tägliche Stimmung spiegelt sich dabei wider. Man kann auch viele Probleme weglaufen und kommt unterwegs oft zu Lösungen. Laufen ist ein natürlicher Glücklichmacher - für mich die beste Therapie der Welt."

Thorsten Cammann hat auch mal Tage, an denen er keine Lust aufs Joggen hat. (Foto: privat)

Thorsten Cammann, 52, vom TSV Ismaning

"Angefangen hat alles in der neunten Klasse: Wir haben für einen Waldlauf mit Aufgaben an verschiedenen Stationen trainiert. Ich habe mit meiner Klasse gewonnen, auch gegen die älteren Jahrgangsstufen, und bin dann beim Laufen geblieben. Ich komme ursprünglich aus Hessen, wo es nur bergauf oder bergab geht - deswegen war es am Anfang doppelt schwer für mich und hat auf jeden Fall Überwindung gekostet. Aber Ehrgeiz hatte ich schon immer. Ich habe einen Lauftreff in meinem Ort gefunden, bald sind wir von Dorf zu Dorf gelaufen. Das waren Strecken, die man davor nur mit dem Auto gefahren ist. Das dann zu laufen, war schon schön. Es ist faszinierend, wie viel der menschliche Körper schaffen kann. Wichtig ist, nicht zu hohe Ansprüche an sich zu haben. Viele starten zu schnell und laufen am Anfang zu viel. Manche neigen auch dazu, zu viel zum Laufen anzuziehen. Aber warm wird es von allein. Es gibt auch Tage, an denen man keine Lust hat, das ist nicht dramatisch. Drei Mal pro Woche sollte man aber schon trainieren."

Florian Steyer war früher Judoka. (Foto: privat)

Florian Steyer, 44, aus Ismaning

"Ich laufe seit acht oder neun Jahren. Am Anfang war es eher Mittel zum Zweck: Ich habe früher Judo gemacht und war oft verspannt, deswegen wollte ich etwas anderes machen. In der Zeitung habe ich von einem Lauftreff gelesen und bin hingegangen, um fit zu bleiben, aber es hat mir noch nicht so viel Spaß gemacht. Erst seit ungefähr vier Jahren laufe ich mehr. Mein Steckenpferd sind heute Berg- und Trailläufe. Das ist sehr anstrengend, macht aber auch viel Spaß und man hat dabei eine schöne Landschaft. Mein Tipp ist, immer wieder etwas anders zu machen: Wenn man zehn Mal genau das Gleiche macht, wird es schnell langweilig. Man kann zum Beispiel mal auf anderem Untergrund laufen, bei anderem Wetter, mal schneller, mal langsamer. Für mich ist Laufen manchmal wie Meditation, wenn ich gemütlich auf gerader Strecke unterwegs bin und keine Ablenkungen um mich habe. Da kann ich gut bewusst nachdenken. Andererseits kann ich mich bei anstrengenden Trailläufen auch nur auf das Jetzt konzentrieren und an nichts anderes denken."

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