Ortsentwicklung:Sauerlach wächst an seiner Aufgabe

Ortsentwicklung: Am Horizont ragen die Bäume des Hofoldinger Forstes auf. Bald könnte der Blick durch das neue Quartier im Nordosten Sauerlachs verstellt werden.

Am Horizont ragen die Bäume des Hofoldinger Forstes auf. Bald könnte der Blick durch das neue Quartier im Nordosten Sauerlachs verstellt werden.

(Foto: Claus Schunk)

In der ländlichen Gemeinde soll mit dem Gymnasium auch ein neues Quartier mit Kita, Ärztezentrum, Gewerbe und Wohnraum für mehr als tausend Menschen entstehen. Das wird den Ort verändern - und zwar sehr schnell.

Von Martin Mühlfenzl, Sauerlach

Manchmal sind es die kleinen Fragen, die vor den großen erörtert werden müssen. Zum Beispiel jene, wie die Gymnasiasten, für die ja erst noch eine eigene Schule gebaut werden muss, sicher zum Unterricht kommen. Für Wolfgang Büsch, Grünen-Gemeinderat und Dritter Bürgermeister in Sauerlach, ist das einer der "schwierigsten Punkte". Womöglich könne der nur mit einer Ampel an der Kreuzung der B 13 mit der Sommerstraße gelöst werden - ansonsten könne es hier für die Schülerinnen und Schüler "echt gefährlich" werden. In ein paar Jahren.

Ortsentwicklung: Sauerlach hat sich seinen ländlichen Charme wie im Ortsteil Altkirchen bewahrt.

Sauerlach hat sich seinen ländlichen Charme wie im Ortsteil Altkirchen bewahrt.

(Foto: Claus Schunk)

Die Gemeinde Sauerlach plant etwas Großes, respektive ein Investor. Ein Bauprojekt, das den Charakter des Ortes mit dem noch immer sehr ländlichen Charme dauerhaft und massiv verändern kann. Und der Auslöser dafür ist das neue Gymnasium, das die Geschwindigkeit bei der Planung und Umsetzung des Mammutvorhabens diktiert. Oder wie es der Stadtplaner Christian Weigl vom Büro Goergens und Miklautz eben erst im Gemeinderat ausdrückte: "Wir haben eigentlich keine Zeit mehr, vor allem nicht für eine mehrjährige Planung. Eigentlich müssten jetzt schon die Gutachter beauftragt werden. Wir müssen jetzt einfach anfangen, sonst haben wir keine Chance."

Der Landkreis baut Gymnasium Nummer 18

Die "Chance" tat sich Anfang 2018 auf, als im Kreistag des Landkreises München erstmals ernsthaft Gedanken laut wurden, in Sauerlach ein Gymnasium anzusiedeln. Noch heute ist das insofern eine erstaunliche Entwicklung, als es etwa der Nachbarlandkreis Ebersberg nicht fertigbringt, in der absoluten Wachstumsgemeinde Poing mit ihrem ungebrochenen Zuzug und mittlerweile mehr als 16 000 Einwohnern ein fünftes Gymnasium zu bauen - im Landkreis München nun aber bereits Gymnasium Nummer 18 entsteht. In einem kleinen Ort. Im Februar 2021 genehmigte das bayerische Kultusministerium den Neubau in Sauerlach, das inklusive der vielen kleinen Gemeindeteile etwas mehr als 8000 Einwohner hat.

Ortsentwicklung: Hinter der S-Bahnunterführung, durch die einmal die Schüler zum Gymnasium gehen sollen, eröffnet sich das weite Feld.

Hinter der S-Bahnunterführung, durch die einmal die Schüler zum Gymnasium gehen sollen, eröffnet sich das weite Feld.

(Foto: Claus Schunk)

Bisher. Denn seitdem hat in der Gemeinde eine erstaunliche Dynamik eingesetzt. Längst geht es nicht mehr nur um die neue Schule. Wer vom S-Bahnhof aus die Gleise durch die Unterführung unterquert und östlich der Trasse wieder herauskommt, kann nur erahnen, was dort entstehen soll. Von der Sommerstraße aus breitet sich hier das weite Feld aus, am Horizont ragen die Baumwipfel des Hofoldinger Forstes in die Höhe. In ein paar Jahren könnten dort Windräder den Wald noch überragen. Gut möglich aber, dass hier schon vorher ein ganz neues Quartier entstanden sein wird samt Kita, Ärztezentrum, Gymnasium, Sportplatz, etwas Öko-Gewerbe - und Wohnraum für mehr als 1200 Menschen.

Ortsentwicklung: Bürgermeisterin Barbara Bogner hat Respekt vor der Aufgabe, sagt aber auch: "Wir packen das."

Bürgermeisterin Barbara Bogner hat Respekt vor der Aufgabe, sagt aber auch: "Wir packen das."

(Foto: Claus Schunk)

Als SPD-Gemeinderat Babak Afshar nun in der Sitzung die Frage stellte, ob die Gemeinde das mit dem Gymnasium zeitlich überhaupt hinbekomme, kam von Weigl die sehr nüchterne Antwort: Ja, wenn jetzt alles ausgelöst werde. Der Druck, der auf dem Gemeinderat, Bürgermeisterin Barbara Bogner (Unabhängige Bürgervereinigung) und der Rathausverwaltung lastet, liegt in einer Volte der Staatsregierung begründet: der Wiedereinführung des neunjährigen Gymnasiums (G9). Mit der Rückkehr zum alten Pfad zur allgemeinen Hochschulreife hat der Freistaat sich selbst und vor allem die kommunale Ebene vor ein Problem gestellt. Es braucht schlichtweg mehr Schulen. Der Haken daran: Das Land fördert den Bau neuer Bildungseinrichtungen nur finanziell, wenn die einigermaßen rechtzeitig fertig werden, um die zusätzlichen Abi-Jahrgänge aufnehmen zu können. Für Sauerlach bedeute dies, wie Bogner sagt, das Gymnasium muss zum Schuljahr 2027/28 "betriebsfertig" sein.

Ortsentwicklung: Der Verkehr, hier am Kreisel im Osten auf der Hofoldinger Straße, belastet den Ort heute schon.

Der Verkehr, hier am Kreisel im Osten auf der Hofoldinger Straße, belastet den Ort heute schon.

(Foto: Claus Schunk)

Gebaut werden soll das Gymnasium von einem im Ort bekannten Investor, dem die Grundstücke östlich der Bahn und nördlich der Hofoldinger Straße gehören. Eigentlich müsste die Kommune das dafür notwendige Grundstück einbringen, es wurde aber eine andere Lösung gefunden: ein sogenannter Mietkauf, bei dem die Gemeinde 30 oder 35 Jahre lange Miete zahlt, die dann bei einem späteren Erwerb angerechnet wird - Grundstücke sind teuer im Großraum München, auch auf dem Land. Und die Planungen des Investors, die weit über eine neue Schule hinausgehen, werden den Ort verändern, da ist sich Bürgermeisterin Bogner sicher. Aber nicht auf einen Schlag. Jetzt sei die Bauleitplanung in Angriff genommen worden, sagt sie, "aber es kommt auch immer darauf an, in welcher Zeit alles verwirklicht wird". Ein Bebauungsplan könne auch gesplittet werden, so Bogner.

Dass die Planung für das gesamte Areal - für die Schule, das Ärztezentrum, die Wohnungen - jetzt aber in einem einzigen, gewaltigen Schritt durchgezogen werden soll, hat einen Grund: den Verkehr. Sauerlach wird von zwei Hauptverkehrsadern durchschnitten, eine in Nord-Süd-, die andere in Ost-West-Richtung - und der Ort ächzt gerade in den Hauptverkehrszeiten unter der damit einhergehenden Belastung. Und ein Gymnasium sowie geplanter Wohnraum für bis zu 1200 Menschen werden das Problem weiter verstärken, auch in den Wohngebieten rund um die Schule. "Und genau deshalb haben wir vorgeschlagen, einen Bebauungsplan auszuarbeiten, um die Straßenerschließung zu regeln", argumentiert die Bürgermeisterin. "Es wird darum gehen, wie fahren wir da hin, wo fährt und hält der Bus. Nur wenn wir das klar definieren, kann das alles auch gelingen."

Ortsentwicklung: Mancher Gemeinderat befürchtet, dass es an der Kreuzung der B 13 mit der Sommerstraße gefährlich werden könnte.

Mancher Gemeinderat befürchtet, dass es an der Kreuzung der B 13 mit der Sommerstraße gefährlich werden könnte.

(Foto: Claus Schunk)

Sauerlach ist das Paradebeispiel für den Ausbau der Schullandschaft im Landkreis München in den vergangenen Jahren, Gymnasien schießen wie Pilze aus dem Boden, auch Aschheim mit seinen etwas mehr als 10 000 Einwohnern im Nordosten und Putzbrunn im Osten mit nahezu 7000 Einwohnern müssen sich der Herausforderung stellen, eine weiterführende Schule zu bauen, das Gymnasium in Kirchheim wird neu errichtet. Und der Landkreis baut dabei immer auch für die Landeshauptstadt und das Umland mit; mittlerweile besuchen mehr Schüler aus München Gymnasien im Landkreis als umgekehrt, was auch an der Anziehungskraft hochmoderner Bildungseinrichtungen liegt. Die Schule in Sauerlach soll auch nicht nur den Bedarf im eigenen Ort abdecken, etwa 900 Schüler werden sich dort einmal auf den Weg zum Abitur machen - darunter, so die Prognose, auch weit mehr als hundert aus dem Landkreis Miesbach. Denn das Gymnasium in Holzkirchen ist längst an der Grenze der Belastbarkeit angekommen.

Ein Bürger äußerte unlängst im Gemeinderat die Sorge, der Investor in Sauerlach könne sich mit dem Mammutvorhaben auf dem freien Feld in Sauerlach übernehmen - und die Gemeinde würde dann auf den horrenden Kosten sitzen bleiben. Bürgermeisterin Bogner aber gab sich gelassen, gleichwohl sie im Gespräch auch Respekt vor der Aufgabe einräumt. Seit 2008 ist die ehemalige Oberstudienrätin Rathauschefin. Und es ist ja nicht so, dass es ihr an Herausforderungen gemangelt hätte: der Verkehr, große Bauprojekte wie am Taubenberger Hof mit 100 Wohnungen, die Musikschule, der Brand im alten Rathaus. Aber mit so einem Vorhaben habe sie nie gerechnet, gibt sie zu. "Angst habe ich nicht. Wir packen das", sagt sie.

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